Tennis:Tennisspieler Del Potro: Geplagt vom verflixten Handgelenk

BMW Open - Day 3

Kühler Empfang in München mit Schneetreiben: Der Argentinier Juan Martín del Potro schlägt sich für die BMW Open ein.

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images For BMW)

Von Gerald Kleffmann

Der Mann, den die Big Four gefürchtet haben, sieht gut aus. Die Zeit konnte seinem Äußeren nichts anhaben. Juan Martín del Potro, 27, schreitet lässig wie ein Dressman aufs Podium. Gleich wird er über sich und seine Form reden. Nichts Besonderes im Sport. Nur ist es so gewesen, dass Del Potro in den letzten zwei Jahren kaum solche Auftritte hatte. Er durchlebte aufgrund mehrerer Handgelenksverletzungen einen Kreislauf, aus dem er bis heute nicht dauerhaft ausbrechen konnte. "Hallo Zukunft. Hallo München." Dieser Werbespruch eines Konzerns prangte am Montag hinter Del Potro auf einem Plakat an der Grundlinie, als er trainierte. Er las sich wie sein Motto. Del Potro ist zurück. Endlich soll sein Handgelenk halten.

Der Argentinier aus der Universitätsstadt Tandil hat für die BMW Open, das kleine ATP-Turnier der 250er-Kategorie auf der Anlage des MTTC Iphitos, eine Wildcard erhalten. Er ist die Nummer 337 der Welt. Nun hat es nach SZ-Recherchen keine Autokorsos gegeben, als dessen Zusage bekannt wurde.

Aber für Tennis-Gourmets, die ein Faible für spielstarke Charaktere haben, ist Del Potros Rückkehr auf die Tour eine Erscheinung: Es gibt ihn wirklich, den 1,98 Meter großen Grundlinienspezialisten, der von 53 Duellen mit Novak Djokovic, Andy Murray, Roger Federer und Rafael Nadal 14 gewann. Zwischen 2006 und 2013 machten die "Großen Vier" 35 Grand Slams unter sich aus - nur 2009 bei den US Open hieß der Sieger: Del Potro. Er erniedrigte Nadal im Halbfinale, 6:2, 6:2, 6:2. Im Finale bezwang er Federer in fünf Sätzen; der Schweizer hatte zuvor 41 Matches in Serie in New York gewonnen.

Del Potro wird für immer der sein, der die Dominanz der Big Four brechen konnte. Einer gegen Vier, Vier gegen Einen.

Heute sagt Del Potro über seinen einzigen Grand-Slam-Titel: "Er ist für immer in meinem Herzen." Die schönen Erinnerungen waren Motivation, sagt er, an das Comeback zu glauben. Auch wenn er fast zwei Jahre weg war, auch wenn er "oft sagte, ich höre auf, ich war depressiv", wie er in München gesteht - er sieht die Wende gekommen: "Mein Tennis ist noch da."

Murray machte es ihm vor

Wären Handgelenk und Sehnen nicht so fragil wie ein Zahnstocher gewesen, wäre sein Status längst noch höher. "Ich bin mir sicher, es gäbe dann die Big Five", sagt Patrik Kühnen. Münchens Turnierdirektor hatte Del Potro verpflichtet, indem er monatelang mit dessen Berater Andre Silva in Kontakt blieb, ihn von den Vorzügen einer Teilnahme in München überzeugte, die Höhenlage der Stadt betonte; nach diesem Turnier steht ja das Masters-Series-Event in Madrid an, das ebenfalls auf über 500 Meter über Normalnull liegt. Die Bälle fliegen in der Höhe weiter, woran man sich gewöhnen muss.

"Für Del Potro geht es darum, sich heranzutasten an die Bestform", sagt Kühnen, der bei seinen Lockgesprächen auf ein stichhaltiges Beispiel verweisen konnte. 2015 kam der Weltranglisten-Zweite Andy Murray nach München, legte ein Trainingscamp ein, siegte, reiste nach Madrid - und siegte. Das Beispiel zog.

Drei Jahre hat Del Potro nicht mehr auf Sand gespielt

Drei Jahre hat Del Potro nicht mehr auf Sand gespielt. Als er über seine Verletzungen spricht, kommt er kurz selbst durcheinander. Es waren zu viele. Keine Saison als Profi seit 2006 bestritt er beschwerdefrei. Allein 2014 und 2015 wurde er dreimal am linken Handgelenk operiert. Nach dem Gelenk und den Bändern waren beim dritten Mal die Sehnen dran. In den vergangenen zwei Jahren nahm er nur an sieben Turnieren teil. Die Familie war ihm Stütze, mit Musik, etwa von Bruce Springsteen, den er persönlich kennt, puschte er sich. "Ein Song reicht manchmal, und du fühlst dich gut."

Seine Fans informierte er übers Internet mit Fotos. Er hielt gerne den Daumen hoch. Wird alles gut, war seine Botschaft. In weniger tapferen Momenten gestand er: "Mein größter Gegner bin ich ." Der Sunnyboy ist auch eine nachdenkliche Seele, hinter der coolen Fassade. "Er ist ein feiner, fast schüchterner Kerl", versichert Kühnen. Mit dem Davis-Cup-Team hatte Del Potro trotzdem einmal Streit. Der Mannschaftswettbewerb war nicht so seine Sache. Nun will er wieder seinem Land helfen, wenn es für ihn passt.

Del Potro trifft in München zunächst auf den Deutschen Dustin Brown, der vergangenes Jahr Rafael Nadal in Wimbledon schlug. Del Potro hat das damals nicht gesehen, er sah kaum Tennis im TV. "Das war zu schmerzvoll", berichtet er. So verdrängte die frühere Nummer vier der Welt, die 15 Millionen Dollar Preisgeld erspielte und als Faktor im Tennis galt (Federer nahm ihn als ersten Klienten in seine Agentur Team 8 auf, für die Silva arbeitet), dass er raus war aus der Szene.

Seine beidhändige Rückhand will er nicht umstellen

Del Potro hielt aber Kontakt mit Kollegen, sprach mit Profis, die lange verletzt waren, etwa mit dem Serben Janko Tipsarevic. Er weiß, dass er einen mentalen Kampf kämpft, vor allem. Seine Vorhand, die er wie ein Goaßlschnalzer krachen lassen kann, funktioniert ja immer noch. Seine beidhändige Rückhand ist eher ein Problem. Das Handgelenk. Aber sie umstellen auf einhändig, "das würde ich nie machen". Vor allem deshalb nicht, weil er Fortschritte sieht. Bei seinen drei Turnieren 2016 gewann er fünf Matches. In Delray Beach stand er im Halbfinale.

"Ich konnte mein Level sehen", sagt er, "es war okay." Er genoss aber auch die Gespräche in der Umkleide, Teil der Szene zu sein. Zu pathetisch will er seine Rückkehr indes nicht sehen. Warum er nach München gekommen sei? "Wegen des Wetters", sagt er und lacht. Am Montag schneite es teils fürchterlich am Aumeisterweg.

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