Tennis:Schneeflocken-Alarm

Tennisprofi Matthias Bachinger, 29, gibt sein zweites Comeback in einem Jahr.

Von Philipp Schneider

Schneeflocken sitzen Matthias Bachinger in der Frisur, als er sich am Nachmittag auf den kurzen Weg begibt, der vom Klubhaus hinüber zum Pressezelt führt. Und natürlich sind es zerbrechliche Flocken, also jener Art, die sofort zerfallen nach der Landung, die unmittelbar zerschmelzen auf dem Boden und in den Haaren. Aus Scham vermutlich. Weil auch die Schneeflocken genau wissen, dass ihre Jahreszeit eigentlich längst vorbei ist, Ende April, wenn auf dem Gelände des MTTC Iphitos traditioniell die BMW Open ausgetragen werden.

"Die Zuschauer, die bei der Kälte hier sind, haben eigentlich einen Preis verdient", sagt Bachinger, dann lacht er. Typisch Bachinger: erst einmal an die anderen zu denken. Dabei hätte er ja auch einen kleinen Preis verdient gehabt, nach seiner 4:6, 4:6 Niederlage gegen Florian Mayer am frühen Vormittag. Als ein Spielbetrieb zwar noch möglich, aber nicht sonderlich angenehm war. Als Mayer nach verwandeltem Matchball einem Zuschauer in der dritten Reihe aus Spaß ein Handtuch zuwarf, damit dieser sich damit wärmend zudecken möge. Bachinger hätte den Preis des zweitbesten Comebackers nach Mayer verdient. "Das hatte heute wenig mit Tennis zu tun, es war windig und kalt, ich hatte gar keinen Spaß", sagt er: "Und den Spaß brauche ich, um gut zu spielen."

Die Ansetzungen am Mittwoch

Center Court (ab 11 Uhr)

Fognini (Italien) - Marterer (Nürnberg)

Jaziri (Tunesien) - A. Zverev (Hamburg) nicht vor 13.30 Uhr:

del Potro (Argentinien) - Brown (Winsen/Aller)

Thiem (Österreich) - Giraldo (Kolumbien)

nicht vor 17 Uhr:

Dodig (Kroatien) - Bellucci (Brasilien)

Court 1 (ab 11 Uhr)

Pospisil (Kanada) - Struff (Warstein)

Stebe (Vaihingen/Enz) - Burgos (Dom. Rep.)

Wenn es schneit bei einem Open-Air-Turnier, wenn Partie um Partie wetterbedingt verschoben wird (oder abgebrochen wie die Begegnung zwischen Alexander Zverev und Malek Jaziri beim Stand von 5:4 für den Tunesier) wie am Dienstag am Aumeisterweg, dann bleibt Zeit, um die kleinen Geschichten zu erzählen. Und Bachingers Geschichte ist ja eine, der nicht viel fehlt zu einer viel größeren. Er feiert gerade seine zweite Rückkehr auf die Tour innerhalb von nur einem Jahr. Und diesmal will er bleiben.

Bachinger hat gleich zwei Seuchenjahre hinter sich

Sieben Monate hatte der Münchner, der in der Tennisbase in Oberhaching bei Lars Uebel trainiert, nach einer Knieoperation pausieren müssen, ehe er in der Vorwoche beim Challenger in Turin auf die Tour zurückkehrte. Dort spielte sich Bachinger sogleich durch die Qualifikation, in der ersten Runde verlor er gegen den Portugiesen Elias Gastao, die Nummer 94 der Welt. Dann reiste er weiter nach München, auch da bewarb er sich erfolgreich fürs Hauptfeld, nach Siegen gegen Tobias Kamke und Daniel Brands. Um die Qualifikation überhaupt spielen zu dürfen, musste er sein sogenanntes Protective Ranking bemühen: Bei neun Turnieren seiner Wahl kann er seinen Weltranglistenstand aus der Zeit vor seiner Verletzung nutzen, damals stand er auf Platz 176. Und dass er sich in der ersten Runde bei widrigsten Bedingungen seinem Trainingskollegen und Kumpel Mayer geschlagen geben musste, damit kann Bachinger angesichts seiner langen Verletzungsgeschichte gut leben. Zumal es gerade einmal eineinhalb Jahre her ist, dass er sich ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigte, seine Karriere zu beenden.

25.04.2016, BMW Open 2016, ITTC Iphitos München, Tennis Sport.

"Das hatte heute wenig mit Tennis zu tun." - Matthias Bachinger.

(Foto: Philippe Ruiz)

Im Herbst 2014 war vom Spaß, den er für sein Spiel benötigt, nichts mehr zu spüren. Bachinger entdeckte ihn erst wieder, als er zu seiner eigenen Überraschung die erste Runde bei den US Open überstand - und danach vor mehr als 20 000 Zuschauern im Arthur Ashe Stadium gegen Andy Murray antreten durfte. "Das Turnier kam aus dem Nichts. Und ich habe danach auch gut weitergespielt", erzählt Bachinger. In Stockholm zog er darauf ins Halbfinale ein, in Melbourne in die zweite Runde. "Da war ich wieder auf dem Weg in die Top 100 oder mehr sogar. Weil ich mich körperlich und mental sehr gut gefühlt habe." Im Februar begann dann das große Leiden des ehemaligen Weltranglisten-85, links zwickte die Patellasehne, rechts die Quadrizepssehne. Zwei Monate pausierte Bachinger, dann kehrte er zurück. Zu früh.

Bei den French Open passierte er abermals die Qualifikation, aber die Schmerzen im Knie kehrten zurück. "Ich habe mich den Sommer so durchgemogelt", sagt er, mit der Mogelei war bei den US Open Schluss, eine Diagnose ergab, dass seine Verletzung zum Knochenödem ausgewachsen hatte. Er ließ sich operieren - und beschloss, diesmal länger auszusetzen. "Ich merke, dass ich jetzt alles sehr viel bewusster wahrnehme, bewusster trainiere", sagt Bachinger, der sich seither als "Vegetarier, auf dem Weg zum Veganer" bezeichnet. "Ich habe abgenommen und bewege mich besser", sagt er. Und gemeinsam mit seinem Trainer Uebel hat er auch an seinem Tennis gefeilt. Bachinger spielt mutiger, dominanter und geht früher ans Netz. Allerdings nicht bei fast arktischen Bedingungen, die am Dienstag am Aumeister herrschten. "Das heute war reinspielen und hoffen, dass der andere einen Fehler macht", sagt er.

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