Tennis:Scharapowas Mühen

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Die Favoritin steht nach ihrem 6:3, 6:7 (3), 6:2-Sieg gegen Coco Vandeweghe im Halbfinale des Tennisturniers von Wimbledon.

Von Lisa Sonnabend, Wimbledon

Coco Vandeweghe hatte für den großen Auftritt oft geübt. Ihre Großmutter Colleen, 1952 zur Miss Amerika gekürt, ließ sie schon als kleines Mädchen High Heels anziehen, darin stolzierte sie dann im Haus in Long Island auf und ab. Als die 23-Jährige Dienstagmittag erstmals in ihrer Karriere auf dem Centre Court in Wimbledon antrat, war sie also vorbereitet. Sie lächelte, als sie auf den Platz schritt. Sie genoss die Aufmerksamkeit. Während der Partie warf sie immer wieder die Arme in die Luft, um die 15 000 Zuschauer aufzufordern, noch ein wenig lauter für sie zu schreien. Die taten ihr den Gefallen: "C'mon, Coco!"

Das Problem an diesem Nachmittag war jedoch: Die Gegnerin hieß Maria Scharapowa und war noch viel mehr an große Auftritte gewohnt als die ungesetzte Amerikanerin. Die Weltranglisten-Vierte sammelte in ihrer Karriere bereits fünf Grand-Slam-Titel, war 21 Wochen lang die Nummer eins der Welt und hatte zahlreiche Matches im größten Stadion von Wimbledon gewonnen. Nach zwei Stunden und 45 Minuten zog sie ins Halbfinale ein. Beim 6:3, 6:7 (3) und 6:2 hatte sie allerdings unerwartet viel Mühe. "Sie hat sehr selbstbewusst gespielt", lobte die Russin ihre Gegnerin.

Das Publikum feuert die Außenseiterin an - fast engleitet Scharapowa die Partie

Während der Partie waren kaum Unterschiede zu erkennen: Beide trugen eine weiße Schirmmütze, hatten die langen blonden Haare zum Pferdeschwanz gebunden und riskierten in ihrem fast identischen Neckholder-Dress keine Verstöße gegen die strenge Kleiderordnung. Und beide erlaubten sich unnötige Fehler. Doch je länger die Partie dauerte, desto brachialer wurden die Grundschläge, mit denen Vandeweghe ihr Gegnerin über den Platz trieb. Die 1,85 Meter große Amerikanerin triezte Scharapowa zudem mit Aufschlägen, die so schwer ins Feld zurückzubringen waren wie einst die Geschosse von Pete Sampras. Als Scharapowa dann doch im zweiten Satz kurz vor dem Matchball stand, kam Vandeweghe zurück. Sie warf die Arme in die Luft, das Publikum johlte und gewann den zweiten Satz. "Beinahe wäre mir die Partie da entglitten", sagte Scharapowa. Dann wurde Vandeweghe wohl alles etwas unheimlich: 0:3 geriet sie in Rückstand, Scharapowa war nicht mehr aufzuhalten. Im Halbfinale wartet eine erfahrenere Gegnerin: Serena Williams lag gegen Victoria Asarenka zurück, danach drehte sie aber auf, servierte extrem stark und gewann spektakulär mit 3:6, 6:2 und 6:3. Die Halbfinals werden am Donnerstag gespielt, und dann betritt erneut eine Debütantin den Centre Court. Die 21-jährige Spanierin Garbine Muguruza, die Angelique Kerber besiegt hatte, setzte sich gegen die Schweizerin Timea Bacsinszky durch und trifft auf Agnieszka Radwanska.

Vandeweghe war trotz Ausscheidens zufrieden. "Ich habe mich sehr verbessert", sagte sie. Als Kind hatte sie lange geschwankt, ob sie eine Tennis- oder eine Ringerkarriere anstreben soll. Seit dem Auftritt in Wimbledon dürfte sie sicher sein, die richtige Sportart gewählt zu haben. Sie weiß auch: Das High-Heels-Training mit Oma Colleen hat sich gelohnt. Als Vandeweghe den Centre Court verließ, winkte sie ins Publikum.

© SZ vom 08.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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