Tennis:Scharapowa verteidigt sich clever

WTA-Turnier Stuttgart

Maria Scharapowa: Vielleicht schon 2017 wieder auf dem Court

(Foto: Marijan Murat/dpa)

Kritik prallt an der des Dopings überführten Maria Scharapowa bisher ab. Die Russin bleibt ihrer Linie treu - und könnte damit eine milde Strafe begünstigen.

Von Gerald Kleffmann

Kristina Mladenovic ist eine lebensfrohe Frau. Im November etwa war die Französin mit Tenniskollegin Belinda Bencic auf den Malediven im Urlaub, übrigens in Begleitung des deutschen Jungprofis Alexander Zverev. Als die Schweizerin einmal eine Wette verlor, bestand Mladenovic auf Einlösung des Einsatzes. Bencic musste zum Abendessen mit Taucherbrille und Flossen antanzen. Von Späßen wie diesen darf man sich indes nicht täuschen lassen. Mladenovic kann auch anders. Wenn ihr etwas stinkt, sagt sie das. Maria Scharapowa weiß das auch.

Die Bandbreite der Meinungen zum Dopingfall der Russin ist ja groß inzwischen in der Tennisgemeinde. Sie reicht von Forderungen nach Strafe (Rafael Nadal: "Sie muss dafür bezahlen.") bis hin zu Unterstützung; der Weltranglisten-Erste Novak Djokovic hofft, "dass sie gestärkt daraus hervorgeht".

Scharapowa hatte vor einer Woche bekannt gegeben, dass sie bei den Australian Open im Januar mit Meldonium erwischt wurde, das sie seit 2006 nahm - sie habe übersehen, dass das in Lettland und Russland hergestellte Mittel seit Anfang 2016 auf der Dopingliste stehe; es steigert die Ausdauer. Sie habe auf das Mittel für Herzkranke wegen Diabetes zurückgegriffen. Diese Erklärung brachte Mladenovic während des Turniers in Indian Wells zur Weißglut, sie hielt sich gar nicht erst an vorgeschlagene Antworten, die die Frauentour in einem Schreiben den Spielerinnen angeblich nahegelegt hatte.

"Wir alle denken und sagen, dass sie eine Betrügerin ist"

"Wenn man sich bewusst macht", sagte Mladenovic am Rande des Frauen- und Männerturniers, "dass sie eine ernstzunehmende Droge seit zehn Jahren nimmt und man manche sagen hört, dass sie nicht mal krank war ... Sie hat die Regeln aufs Spiel gesetzt, hat gesagt: 'Okay, es steht nicht auf der Liste, also kann ich es nehmen.' Das ist enttäuschend, und ich mag diese Mentalität nicht, die Regeln aufs Spiel zu setzen, um die Beste sein zu wollen."

Mladenovic folgerte: "Sie kann mit Wörtern spielen, gute Anwälte holen, aber im Prinzip liegt sie falsch und alle Spieler denken dasselbe, selbst die Top-Leute." Zwar räumte die 22-Jährige ein, "etwas harsch" zu sein, doch das hielt sie nicht vom finalen Urteil ab: "Wir alle denken und sagen, dass sie eine Betrügerin ist. Sie hat keine Ausrede, keine Verteidigung."

In vielen Punkten mochte die Weltranglisten- 29. recht haben, in einem irrte sie: Scharapowa hat eine Verteidigungsstrategie, die umso mehr aufgehen könnte, desto mehr sich die Branche beim Kampf um die Deutungshoheit in diesem Fall verkeilt. Scharapowa hat bislang Kritik von außen abperlen lassen. Sie hat nicht reagiert, als der Weltranglisten-Zweite Andy Murray (der in Indian Wells in Runde drei gegen den Argentinier Federico Delbonis verlor) es als "seltsam" einstufte, dass Scharapowa ihren Dopingbefund - und nicht der Weltverband ITF - präsentierte; vorbereitet konnte sie sich mehr in der Opfer- als in der Täterrolle zeigen.

Ebenso überhörte sie Sticheleien von Kanadas Eugenie Bouchard: "An das Vorbild in deiner Kindheit zu denken und sich zu fragen, ob es nur eine Lüge war, das hat mich getroffen." Auch die Aussage ihres früheren Arztes Anatoli Glebow, der meinte, Scharapowa sei vor zehn Jahren ein "gesundes Mädchen" gewesen, "ohne Probleme mit dem Herzen oder Diabetes", blieb unkommentiert.

Bilder beim Beachtennis

Scharapowa ist freilich noch da, davon zeugten Bilder, die sie beim Beachtennis zeigten, und persönlich anmutende Sätze in den Sozialen Medien. Nicht ihren Kritikern schrieb sie, sondern "an meine Fans", denen sie versicherte, sie sei "entschlossen zu kämpfen". Sie "suche keine Ausreden". Beiläufig veröffentlichte sie ein Schreiben, in dem die Tennisprofis offiziell auf die jährlich modifizierten Doping-Richtlinien hingewiesen werden, und beklagte, dass wichtige Informationen "vergraben in Newslettern, Webseiten oder Handouts" waren.

An anderer Stelle schilderte sie, sie hätte - um der "Warnung" zu Meldonium bewusst zu werden - auf eine Webseite gehen, ein Passwort eingeben und "suchen, klicken, suchen, klicken, suchen, klicken, scrollen und lesen" müssen. "Sollte ich sie gelesen haben? Ja", schrieb sie. "Aber wenn ihr euch das Dokument anschaut, wisst ihr, was ich meine."

Scharapowa, deren Arbeit seit ihrer Kindheit in allen Facetten von Profis begleitet wird, die eine Karriere wie am Reißbrett entworfen durchzog, inklusive Trennung von den Eltern, die in Sibirien blieben, während die ehrgeizige Tochter in Florida gedrillt wurde, hat also doch einmal die Kontrolle verloren? Eine Schusseligkeit? Das zumindest ist eigentlich schwer zu glauben in ihrem durchkontrollierten Reich. Es ist aber in jedem Fall eine gute und vorerst wohl schwer zu widerlegende Erklärung, um strafmildernd davonzukommen. Schon tauchen ja in den USA erste Berichte auf, die die Botschaft transportieren, sie sei ein Opfer der im Anti-Doping-Kampf unter Druck stehenden Tennis-Organisationen, die ein Exempel statuieren wollten.

Auch die UNO rückt nun ab

Schuldeingeständnis, Opferrolle, keine Gegenangriffe, kein Wehklagen, Fahrlässigkeit, all das dürfte zu ihren Gunsten gewertet werden, eine Höchststrafe von bis zu vier Jahren Sperre erscheint immer unwahrscheinlicher, wie Sportjuristen deuten. Sollte Scharapowa mithelfen bei der Aufklärung, könnte dies die Sanktion abermals drücken, vielleicht spielt sie schon 2017 wieder. Von einer moralischen Schuld befreit sie das aber nicht, zumindest nach Sicht mancher. Murray stellte klar: "Wenn du ein verschreibungspflichtiges Medikament nimmst, das du eigentlich gar nicht brauchst, weil du nicht krank bist, dann ist das falsch. Da spielt es auch keine Rolle, dass die Einnahme der Substanz bis Ende des vergangenen Jahres erlaubt war."

Am Dienstag wurde Scharapowa als "Goodwill-Botschafterin" der Uno vorläufig suspendiert. Diese Nachricht dürfte sie auch nicht kommentieren. Sie weiß, was zur Schadensbegrenzung zu tun ist.

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