Tennis:Sanfter Übergang

January 29 2018 Saint Petersburg Russia January 29 2018 Russia Saint Petersburg WTA Te

Rückkehr nach sieben Jahren: Tatjana Maria spielte zuletzt 2011 für das deutsche Fed-Cup-Team, damals noch unter ihrem Geburtsnamen Malek.

(Foto: imago/ZUMA Press)

Die deutsche Fed-Cup-Mannschaft ist in Weißrussland nur Außenseiter - der neue Teamchef Jens Gerlach muss ohne Angelique Kerber und Julia Görges auskommen.

Von Gerald Kleffmann, Minsk/München

Sabine Lisicki wurde auch gefragt. Ob sie spielen könne, an diesem Wochenende im Fed Cup. Am Samstag und Sonntag treten die deutschen Tennisfrauen in Minsk in der ersten Runde des Nationenwettbewerbs gegen Weißrussland an. Die 28-Jährige hat dann aber abgesagt. Sie wolle sich nach ihrer überstandenen Knieverletzung erst mal wieder in der Einzel-Weltrangliste hochkämpfen, teilte sie dem Deutschen Tennis-Bund (DTB) mit. Mit einer Halbfinalteilnahme in Taipeh hatte die Wimbledon-Finalistin von 2013 bereits ein erstes für sich hoffnungsvolles Turnier absolviert. Als Nächstes startet sie dank einer Wildcard in Doha an. 174. ist Lisicki im Ranking, ihr Ziel ist es, Ende Mai bei den French Open ins Hauptfeld eines Grand Slams zu kommen.

Oder Andrea Petkovic. Sie wurde ebenfalls gefragt. "Ich war überrascht, als sie sagte, sie spiele doch nicht", sagt Barbara Rittner. "Es gab ein Gespräch mit ihr, das hatte ich als Zusage gewertet." Dennoch hat Rittner, die seit vergangenem Sommer Head of Women's Tennis des DTB ist, Verständnis. Auch Petkovic, als 106. aus den Top 100 gar gefallen, sucht eine sportliche Trendwende und will ihre Energie erst mal vorrangig für WTA-Turniere verwenden. Mit ihrer Erfahrung hätte die 30 Jahre alte Petkovic wohl durchaus helfen können. Denn weil ja bekanntlich die beiden besten Deutschen, Angelique Kerber und Julia Görges, die Nummer neun und zehn der Welt, diesmal pausieren, hat das nationale Fed-Cup-Team einen personellen Engpass. Carina Witthöft hat sich überdies noch krank abgemeldet. "Es ist schade, dass so viele nicht zur Verfügung stehen", sagt Rittner, "aber das ist jetzt auch eine Chance für andere, sich zu bewähren. Ich bin gespannt, wie sie es machen."

Der neue Teamchef Jens Gerlach sagt: "Wir sind nicht nur zum Händeschütteln hier"

Damit meinte die frühere Fed-Cup-Teamchefin nun die Spielerinnen Tatjana Maria, Anna-Lena Friedsam, Anna Grönefeld und Antonia Lottner, von denen nur Maria als 58. in den Top 100 geführt wird. Aber auch Rittners eigener Nachfolger steht im Fokus, Jens Gerlach erlebt seine Premiere in neuer Funktion. Der 44-Jährige aus Schwangau hat sich international bereits bewährt, 2004 führte er die Russin Anastasia Myskina zum French-Open-Sieg, er arbeitete als Nationaltrainer beim britischen Verband und beim schweizerischen. "Alle waren super zufrieden mit ihm, auch menschlich", versichert Rittner, die den sanften Übergang natürlich mit begleitet. An diesem Donnerstag reist sie nach Minsk, wenn auch mit nicht allzu großen Erwartungen.

"Wir sind krasser Außenseiter, ich sehe unsere Chancen bei 20:80", sagt Rittner. Das liegt zum einen daran, dass eben die besten deutschen Frauen fehlen, zum anderen am guten Gegner. Die 23-jährige Aljaksandra Sasnowitsch (WTA-Nr. 46) und die 19-jährige Aryna Sabalenka (WTA-Nr. 63) haben Weißrussland im vergangenen Jahr bis ins Finale gebracht, ehe das Team den USA unterlegen war. Vor allem Sabalenka zählt zu jenen Talenten, denen in der Branche viel zugetraut wird. "Wenn sie ihre Schläge noch besser einsetzt, kann sie nach oben kommen", sagte kürzlich Magnus Norman. Der Schwede, der den Schweizer Stan Wawrinka bei drei Grand-Slam-Titeln begleitet hatte, ehe er sich Ende 2017 von ihm trennte, trainierte jüngst mit Sabalenka in seiner schwedischen Akademie. Auch Rittner sieht sie "bald schon in den Top 30". Bei den Australian Open in Melbourne sorgte Sabalenka weniger sportlich für Aufmerksamkeit. Ihr lautes Geschreie bei ihren Schlägen hatte viele Zuschauer zu zynischen Rufen verleitet.

Für das DTB-Team dürfte eine Niederlage folglich wahrscheinlicher sein als ein Sieg, auch wenn Gerlach natürlich versichert: "Wir sind nicht nur zum Hände schütteln hier." In jedem Fall wird das Duell einen Nutzen haben: Gerlach kann den Integrationsprozess als Teamchef vorantreiben. "Vertrauen ist die Basis und das gewinnt man nicht von heute auf morgen", sagte er. "Das ist ein Prozess, der nach zwölf Jahren mit einer Fachfrau wie Barbara auf der Bank etwas Zeit benötigt. Mit ihr habe ich mich im Vorfeld sehr gut ausgetauscht und sie hat mir viele wertvolle Hinweise gegeben." Gleichzeitig kündigte er aber an, dass er einen eigenen Weg finden wolle: "Es wird aber sicher auch mal vorkommen, dass ich anders an die Dinge herangehe, als es die Spielerinnen vielleicht von ihr gewohnt waren." Die Partie beginnt am Samstag um 12 Uhr und am Sonntag um 11 Uhr (dt. Zeit); der Streamingdienst Dazn überträgt.

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