Tennis:Nun noch das i-Tüpfelchen

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Die Weltranglisten-Erste Angelique Kerber erreicht in souveräner Manier das WM-Finale in Singapur. Dort trifft sie wie schon im ersten Gruppenspiel auf die Slowakin Dominika Cibulkova.

Angelique Kerber blickte ein wenig fassungslos in ihre Box und konnte es kaum fassen: Nach einer beeindruckenden Machtdemonstration ist die Nummer eins der Welt nur noch einen Sieg von der Krönung ihrer märchenhaften Saison entfernt. Die 28-Jährige erreichte beim WTA-Finale in Singapur durch ein überraschend deutliches 6:2, 6:1 in der Vorschlussrunde gegen Titelverteidigerin Agnieszka Radwanska (Polen/Nr. 2) erstmals das Endspiel und präsentierte sich in Gala-Form. "Das ist wunderbar. Dieses Jahr ist einfach unglaublich. Ich werde jetzt weiter versuchen, fokussiert zu bleiben und auch im Finale meine Chance zu nutzen", sagte die Kielerin unmittelbar nach der Begegnung und meinte: "Ich habe in den vergangenen Monaten gelernt, auf dem Court immer positiv zu bleiben. Das war ganz wichtig."

Im Finale trifft die Australian-Open- und US-Open-Siegerin am Sonntag (12.30 Uhr MEZ/ZDF) auf Dominika Cibulkova, die ihr phasenweise hochklassiges Halbfinale gegen Swetlana Kusnezowa (Russland/Nr. 8) in 2:27 Stunden mit 1:6, 7:6 (2), 6:4 gewann. Kerber hatte die an Position sieben gesetzte Slowakin, die das Halbfinale mit nur einem Sieg aus drei Partien erreicht hatte, im ersten Gruppenmatch am vergangenen Sonntag mit 7:6 (5), 2:6, 6:3 bezwungen. "Ich muss auch diesmal aggressiv agieren und mein Spiel machen", meinte Kerber. Die Fed-Cup-Spielerin könnte die erste deutsche Gewinnerin des Saisonabschlussturniers seit 20 Jahren werden. 1996 hatte Steffi Graf ihren fünften und letzten inoffiziellen WM-Titel geholt, in fünf (!) Sätzen gegen Martina Hingis.

Cibulkova (l.) und Kerber nach ihrem Match in Singapur im September. (Foto: Julian Finney/Getty)

Eine kleine Machtdemonstration

In ihrem 80. Match des Jahres mobilisierte die leicht verschnupfte Kerber die letzten Kraftreserven - und agierte taktisch klug. Mit ihrer Vorhand fesselte die Kielerin ihre gute Freundin Radwanska, mit der sie schon mal im Urlaub war, in den langen Ballwechseln immer wieder auf der Rückhand. Selbst von vier Doppelfehlern im ersten Satz ließ sich die Deutsche nicht entnerven und lag nach zwei Breaks mit 5:2 in Führung. Mit einem Return-Fehler gab Radwanska den ersten Durchgang nach knapp 40 Minuten ab. Danach vergab die Polin beim Stand von 1:1 gleich drei Chancen, um erstmals in Führung zu gehen. Stattdessen blieb Kerber weiter konstant und gab danach kein Spiel mehr ab. "Das war eine beeindruckende Vorstellung von Angie", sagte Bundestrainerin Barbara Rittner und fügte hinzu: "Im ersten Satz war es hochklassig, aber auch eng. Dank ihres Selbstvertrauens hat Angie die wichtigen Punkte gemacht."

Für Kerber wäre es nach ihren Triumphen in Melbourne im Januar und im September in New York das i-Tüpfelchen: der dritte große Turniersieg 2016. "Das ist das, was ich mir Anfang der Woche gewünscht habe", sagte die 28-Jährige. "Es ist merkwürdig, gegen die gleiche Gegnerin in einem Turnier zweimal zu spielen. Das ist mir noch nie passiert", sagte die Linkshänderin. "Es wird nicht einfach. Sie fightet bis zum letzten Punkt. Und sie wird auch aus dem letzten Match gelernt haben. Aber die Erfahrung aus den letzten Finals gibt mir Sicherheit und Ruhe." WM-Debütantin Cibulkova sagte ihrerseits: "Ich könnte mir nichts mehr wünschen, als gegen sie im Finale zu spielen und mich zu revanchieren."

Auch beim Showdown in Singapur hatte Kerber nichts dem Zufall überlassen. Mit ihrem Team ging sie zum Dinner stets in dasselbe "Fusion Kitchen"-Lokal im weitläufigen Komplex des luxuriösen Marina-Bay-Sands-Hotels. "Ich habe fast immer den gleichen Ablauf und werde das auch nicht ändern", erklärte Kerber, die auf dem besten Weg ist, auch zum globalen Star aufzusteigen. Ein Kontrakt mit einer Versicherung wurde vor einigen Wochen abgeschlossen. Zwei, drei weitere Verträge mit großen und weltweit operierenden Sponsoren - für eine Marke wirbt auch Roger Federer - sind kurz vor der Unterzeichnung. Bei den Sportlerwahlen und TV-Jahresrückblicken wird die zweimalige Grand-Slam-Siegerin nach ihrem zweiwöchigen Urlaub bis Mitte November höchstwahrscheinlich omnipräsent sein.

© SZ vom 30.10.2016 / sid, dpa, sz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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