Tennis:Angelique Kerbers winzige Alarmzeichen

Angelique Kerber

Beim Turnier in Indian Wells verlor Kerber gegen die Tschechin Denisa Allertova 5:7, 5:7.

(Foto: AP)
  • Seit ihrem Triumph bei den Australien Open konnte Angelique Kerber kein Spiel auf der WTA-Tour gewinnen.
  • Die Strapazen nach dem Grand-Slam-Sieg sind der 28-Jährigen deutlich anzumerken.
  • Die größte Herausforderung vor der sie steht, ist mental. Je länger Anschlusserfolge auf sich warten lassen, desto größer dürfte diese werden.

Von Gerald Kleffmann

Als Angelique Kerber Ende Januar den größten Erfolg ihrer Karriere errang mit dem Gewinn der Australian Open, war ihr klar, was ihrem ersten Grand-Slam-Triumph folgen würde: "Auf mich kommt viel Neues zu", sagte sie, und auch: "Ich möchte alles genießen und mitnehmen." Sechs Wochen später hat sie viel genossen, viel mitgenommen, Dutzende von Medientermine absolviert und Huldigungen erlebt. Auch war sie erstmals auf den Titelblättern nahezu sämtlicher People-Magazine im Lande.

Inzwischen ist sie aber auch um eine weitere Erfahrung reicher: Kerber hat zu spüren bekommen, dass die globale Tennistour deshalb nicht still steht und dass das Siegen nicht von alleine weitergeht. Nach Melbourne hatte sie zwei Turnierteil- nahmen, zweimal verlor sie sofort. "Es ist eine komplett neue Situation für mich. Jede gibt alles, um zu gewinnen", erkannte sie nun in Indian Wells, "niemand hat gegen mich mehr etwas zu verlieren."

Sie erinnerte an die frühere Kerber, die nie ein Grand-Slam-Turnier gewann

Beim großen WTA-Turnier des Milliardärs Larry Ellison war es (nach einem Freilos) die Tschechin Denisa Allertova, gegen die Kerber in der zweiten Runde mit 5:7, 5:7 unterlag; nicht eine Deutsche erreichte damit in Kalifornien die dritte Runde. Kerber zeigte sich energiegeladener als noch beim Auftritt in Doha vor drei Wochen; damals war die 28-Jährige an der Chinesin Zheng Saisai (Weltranglisten-73.) gescheitert.

Kerber gelang gegen die Weltranglisten-64. Allertova gleich ein Break. Doch ihrem Konterspiel fehlte jene Präzision und Beharrlichkeit, die sie in Australien so ausgezeichnet hatte. Allertovas riskantes Tennis ging zudem auf und setzte der oft zu passiven Kerber zu, die zuletzt leichte Oberschenkelbeschwerden hatte. Sie erinnerte ein wenig an die frühere Kerber, die nie ein Grand-Slam-Turnier gewann.

"Endgültig an den Gedanken gewöhnen, dass ich die Nummer zwei der Welt bin"

Noch ist kein Drama passiert, die Niederlagen der 28-Jährigen lassen sich ja erklären - aber als winzige Alarmzeichen wird Kerbers Team die Auftritte nach Melbourne registrieren. Als sie direkt nach den Australian Open im Fed Cup für die deutsche Auswahl spielte und entkräftet ihr zweites Match gegen Belinda Bencic verlor, lag das an ihrer starken Kontrahentin aus der Schweiz, vor allem aber am Kräfteverschleiß nach zwei tollen Grand-Slam-Wochen. Als Kerber in Doha verlor, spürte sie die Nachwehen der Tour d'Honneur, sie fühlte sich innerlich "leer". Nach ihrem Aus hatte sie sich daher bewusst "fünf, sechs Tage Pause" genommen, sie wollte sich "endgültig an den Gedanken gewöhnen, dass ich die Nummer zwei der Welt bin".

"Ich denke, dass sie noch viel mehr gewinnen kann"

In Indian Wells trat sie eigentlich erholt an, aber der Körper führte auf dem Platz doch nicht ganz jene Handlungen aus, zu denen er dank der Willensstärke Kerbers normalerweise imstande ist. Deshalb drängt sich die Frage auf, ob sie vielleicht doch zu viele Termine angenommen hat, die ihr ihr Berater vorlegen konnte. "Das würde ich nicht sagen. Für mich war es gut, obwohl es klar war, dass ich irgendwann einbrechen werde", sagte Kerber in Indian Wells der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. "Aber diese Momente hatte ich mir doch immer gewünscht, dass Deutschland ausflippt; ich wollte einfach genießen, wovon ich immer geträumt habe." Denn "von so einer Situation träumst du doch dein Leben lang".

Ihre Einschätzung zeigt, dass sie sich der Kniffligkeit ihrer jetzigen Karriere- phase bewusst ist, aber auf Knopfdruck lässt sich eine reibungslose Rückkehr auf das normale Tourleben eben nicht bewerkstelligen, nicht nach dem Triumph. "Ich wache nachts noch manchmal auf und denke daran. Seit Jahren hatte ich das Gefühl, so ein Ding gewinnen zu können - aber auch viele Zweifel. Und jetzt ist es da. Das ist ein Gefühl, das man nicht beschreiben kann", verriet sie der FAZ. Der größte Spagat, den Kerber bewältigen muss, ist demnach mentaler Art - je länger Anschlusserfolge auf sich warten lassen, desto herausfordernder dürfte dieser Spagat werden.

"Alles, was sie jetzt tun muss, ist dabeizubleiben und an sich zu glauben"

Zumal ja nicht wenige ihr noch mehr zutrauen und den Druck damit erhöhen. Die 22-malige Grand-Slam-Gewinnerin Steffi Graf, die Kerber als Mentorin unterstützt, sagte jüngst: "Ich denke, dass sie noch viel mehr gewinnen kann. Sie fühlt sich auf alle Belägen wohl." Was allerdings wichtig sei, konnte sie Kerber auch mit auf den Weg geben: "Alles, was sie jetzt tun muss, ist dabeizubleiben und an sich zu glauben."

Ein Vorsatz, der leichter gesagt als umgesetzt ist. Kerber gibt ja zu, dass noch nie so viele an ihr zerrten und dass sie das schon beeinflusse. "Aber ich hab' nicht wirklich Angst. Ich habe festgestellt, dass man es nicht allen Leuten recht machen kann", sagte sie beruhigend. "Wichtig ist, dass ich weiß, was ich für richtig halte, und so werde ich das auch weiter durchziehen. Egal, wie die Ergebnisse sind." Selbstbewusste Worte, doch dass die gerne zum Grübeln neigende Profispielern wohl noch etwas Zeit benötigt, klang durch, als sie meinte: "Ich komme langsam mit allem klar."

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