Tennis:Kerber quält sich unter tröstendem Applaus

Lesezeit: 3 min

Verflixter Sand: Nach dem vorzeitigen Aus in Stuttgart steht die weitere Turnierplanung von Angelique Kerber in den Sternen. (Foto: Alex Grimm/Getty Images)
  • Angelique Kerber muss beim Turnier in Stuttgart verletzt aufgeben.
  • Dabei wollte sie beim Start in die Sandplatzsaison zeigen, dass sie auch auf dem langsamen Untergrund gut spielen kann.
  • Sie braucht auf Sand viele Matches, um in einen Rhythmus zu finden - die werden ihr nun fehlen.

Von Anna Dreher, Stuttgart

Gemerkt hatte sie schon, dass da irgendetwas war, wie es nicht sein sollte. Angelique Kerber hatte Schmerzen im rechten Oberschenkel beim Gehen, wie sollte sie da einem Ball hinterherrennen oder schnell auf Richtungswechsel reagieren? Aber eine Sache zu spüren und sie dann zu akzeptieren, das ist noch einmal etwas anderes - und Angelique Kerber konnte das in diesem Fall nicht. Also ging sie hinaus und spielte. "Vielleicht war das nicht die beste Entscheidung", sagte sie, als alles vorbei war: "Aber ich habe es nicht übers Herz gebracht, nicht auf den Platz zu gehen und nicht zu spielen."

In dieser Woche hat der Tennistross der Frauen in Stuttgart um Titel, Preisgeld und Weltranglistenpunkte gespielt. Das Turnier ist ein besonderes für Angelique Kerber, 30, nicht nur, weil es in Deutschland stattfindet. Sie hat hier 2015 und 2016 gewonnen, und wenn sie auf dem Platz steht, geht das schwäbische Publikum sehr großzügig mit seinem Applaus um. Am Donnerstagabend aber konnte es nur noch tröstend klatschen: nach 38 Minuten gab Kerber beim Stand von 0:6, 0:2 gegen die Estin Anett Kontaveit verletzt auf. Sie verließ den Center Court mit Tränen in den Augen und fuhr am nächsten Tag zu ihrem Arzt nach München. Der teilte Kerber mit, was sie eigentlich lieber nicht gehört hätte: Aufgrund einer muskulären Verletzung im rechten Oberschenkel wird sie pausieren müssen. Ausgerechnet jetzt.

Tennis in Stuttgart
:Die fast vergessene Gewinnerin

Vor einem Jahr gewann die Stuttgarterin Laura Siegemund das Turnier in ihrer Heimatstadt. Dann riss sich die Diplom-Psychologin das Kreuzband und sieht nun ihre Verletzungspause als eine Bereicherung.

Von Matthias Schmid

Das Turnier hatte zunächst besser für sie begonnen, als es nach dem vergangenen Wochenende zu erwarten war. Beim Fed-Cup hatte Kerber ihre beiden Einzel verloren und Deutschland am Ende gegen Tschechien mit 1:4 das Finale des Nationenwettbewerbs verpasst. Um die Niederlage zumindest auf eine Entscheidung im Doppel hinauszuzögern, hätte Kerber am Sonntag gegen Petra Kvitova gewinnen müssen, aber sie ging unter. Ihr erstes Match beim Porsche Tennis Grand Prix spielte sie dann erneut gegen Kvitova - und gewann.

Eine wichtige Saisonphase hatte gerade begonnen

Wahrscheinlich hätte sie sich also auch gegen Kontaveit durchsetzen können, aber schon beim Einspielen war der Schmerz zwischen Leiste und rechtem Oberschenkel stärker und nach einem falschen Schritt in den ersten Ballwechseln so schlimm geworden, dass sie sich nach fünf verlorenen Spielen behandeln lassen musste. "Für mich ist jetzt wichtig, dass ich runterkomme und checken lasse, was für eine Verletzung ich habe", sagte die zweimalige Grand-Slam-Siegerin aus Kiel nach dem bitteren Aus, als sie noch hoffte, dass es nichts Schlimmes sein würde. "Ich werde alles versuchen, um so schnell wie möglich wieder fit zu werden."

Eine Verletzung ist immer ärgerlich für Sportler und noch ärgerlicher, wenn sie sich in einem wichtigen Wettbewerb oder einer wichtigen Saisonphase befinden. In einer solchen Phase steckt Angelique Kerber gerade. Jetzt hat die Sandplatzsaison begonnen, Ende Mai starten in Paris die French Open, das nächste Grand- Slam-Turnier des Jahres - und die Weltranglistenzwölfte will endlich zeigen, dass sie auch hier reüssieren und das Jahr 2017 weiter vergessen machen kann. Im vorigen Jahr, in dem für Kerber so gar nichts zusammen lief, verlor sie in Stuttgart, Rom und schließlich auch in Paris gleich in der ersten Runde als an Nummer eins Gesetzte. Seit der Einführung des Profitennis 1968 hatte es das nicht gegeben.

Kerber gehört nicht zu jenen Spielerinnen, die gerne auf Sand antreten. Auf der WTA-Profitour holte Kerber von ihren elf Turniersiegen nur drei auf diesem Belag: 2015 in Charleston und bei den beiden Titelgewinnen von Stuttgart, wo mit ihrem verletzungsbedingten Ausscheiden nun auch eine kleine Ära zu Ende geht. In den vergangenen drei Jahren hatten in Laura Siegemund (2017) und Kerber stets deutsche Spielerinnen triumphiert.

Angelique Kerber braucht auf Sand viele Matches, um in einen Rhythmus zu finden und ihre Bewegungsabläufe abzustimmen. Ihr Spiel basiert auf einer sehr starken Defensive, aus der heraus sie dann wiederum offensiv punkten kann. Kerber hat das Tennisspielen in einer Halle auf schnellem Teppich gelernt, ihr liegen flache, schnelle Ballwechsel mehr, als die auf Sand höher abspringenden und mit Spin geschlagenen Bälle ihrer Gegnerinnen unter Kontrolle zu bringen. Der Sand hat Kerber bisher immer mehr von ihrer Stärke genommen, als dass er ihr zusätzliche Kraft gegeben hätte. Ihre ersten und bislang einzigen beiden Grand-Slam-Titel gewann sie 2016 in Melbourne und New York auf Hartplätzen, im gleichen Jahr stand sie in Wimbledon auf Rasen im Finale.

Der Wechsel von Hartplatz auf Sand zum Fed-Cup-Wochenende ist ihr in diesem Jahr durch die Verletzung nicht in der Weise gelungen, wie Kerber sich das erhofft hatte. Mit ihrem neuen Trainer, dem Belgier Wim Fissette, hatte sie speziell an ihrer Beinarbeit gefeilt, um auf den schweren Sandplätzen mit mehr Kraft offensives Tennis spielen zu können. "Die Sandplatzsaison ist kurz, alles hängt von den ersten Turnieren ab - ob sie dort den Glauben gewinnt, dass sie auf Sand erfolgreich sein kann", sagte Fissette Anfang der Woche. "Das wird viel entscheiden."

Entschieden hat sich nun vor allem, dass der Start in diese Sandplatzsaison ihrem Selbstvertrauen auf diesem Belag wohl eher geschadet hat.

© SZ vom 28.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Fed Cup
:Als die Tennisspielerinnen noch getrennt frühstückten

Erstmals seit 24 Jahren spielen die deutschen Tennis-Frauen wieder ein Fed-Cup-Halbfinale zu Hause. Damals war vieles anders als heute - auch weil alle zu Steffi Graf aufgeschaut haben.

Von Gerald Kleffmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: