Tennis:Kerber liefert Bilder, die niemand vergessen wird

USA TENNIS US OPEN GRAND SLAM 2016

Die Beste: Angelique Kerber.

(Foto: dpa)

Die Deutsche ist wirklich die beste Tennisspielerin der Welt - auch wenn das immer noch unheimlich klingt.

Kommentar von Jürgen Schmieder, New York

Angelique Kerber ist die beste Tennisspielerin der Welt. So eine Aussage klingt absolut und immer auch ein bisschen unheimlich. Wer bekommt in seinem Leben schon mitgeteilt, dass es auf der ganzen Welt niemanden gibt, der im selben Berufsfeld noch besser ist? Und wer bekommt das, wenn überhaupt, nicht bloß heimlich von der besten Freundin zugeflüstert, sondern über eine allgemein anerkannte Liste quasi notariell bestätigt?

Kerber wusste seit vergangenem Donnerstag, dass sie vom heutigen Montag an auf Platz eins der Weltrangliste geführt wird, der Ausgang des Endspiels bei den US Open war für diese objektive Bewertung im Frauentennis unerheblich. Doch so sehr der Mensch in Listen und Rekorden denkt, er erinnert sich vor allem an Bilder: an Boris Becker, wie er beim Davis-Cup-Duell im Jahr 1987 John McEnroe in einem Sechseinhalb-Stunden-Match niederringt. An Gerd Müller, wie er nach dem WM-Finale 1974 auf dem Rasen im Münchner Olympiastadion auf die Knie sackt. An Matthias Steiner, wie er nach dem Olympiasieg 2008 in Peking das Foto seiner verstorbenen Frau in die Kameras hält. Solche Momente gelten als unvergesslich.

Es war für Kerber deshalb nicht nur wichtig, dass sie dieses Finale gegen Karolina Pliskova gewonnen hat - ansonsten hätten manche ihr wohl das vierte verlorene Endspiel in weniger als drei Monaten vorgerechnet und ganz nebenbei auch ihre Eignung als weltbeste Spielerin infrage gestellt. Es war ebenso bedeutsam, dass Kerber so siegte, wie sie siegte. Weil sie Bilder lieferte, die niemand vergessen dürfte, der sie gesehen hat.

Kerber hat die Zuschauer gefesselt

Kerber lag, in Deutschland begann gerade ein neuer Tag, im dritten Satz mit einem Break zurück gegen eine Gegnerin, die äußerst selten ein Aufschlagspiel abgibt. Kerber kämpfte sich zurück, und ins Bett gingen jetzt nur jene, die zuvor ein wirksames Schlafmittel genommen hatten. Alle anderen blieben wach und sahen Kerber dabei zu, wie sie die Kapitulation verweigerte und entgegen allen Wahrscheinlichkeiten obsiegte.

Über Titel und Wahlen lässt sich, gerade im Sport, wunderbar streiten: über den EM-Triumph der Portugiesen etwa oder die Kür von Lionel Messi zum Weltfußballer. Beim Tennis werden die Zähler der vergangenen zwölf Monate addiert, die Vergabe der Punkte bei einzelnen Veranstaltungen gilt als gerecht, die Anzahl der gewerteten Turniere pro Saison als sinnvoll, der Zeitraum der Bewertung als adäquat. Angelique Kerber führt diese anerkannte Rangliste nun an, sie ist die beste Tennisspielerin der Welt.

Kerber hat Punkte gesammelt in diesem Jahr, sie hat die Zuschauer aber auch gefesselt mit ihrer aufregenden Spielweise. Gegen Serena Williams bei den Australian Open etwa oder nun bei ihrem Comeback gegen Karolina Pliskova in New York. Das sind Partien, die ins Gedächtnis tätowiert werden und damit vor allem eines sind: unvergesslich.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: