Tennis:Jedes Jahr Federer

ATP-Turnier Tennis Halle

Florian Mayer, der nach seinem Comeback einige frühe Niederlagen kassierte, besiegt in Halle zum Auftakt seinen deutschen Kollegen Jan-Lennard Struff.

(Foto: Maja Hitij/dpa)

Das Rasenturnier in Halle gilt als Vorzeigeveranstaltung. Nun erfährt es eine weitere Aufwertung: Das Preisgeld und die Zahl der Weltranglistenpunkte, um die es geht, wurden verdoppelt.

Von Gerald Kleffmann, Halle/München

Am Dienstag zum Beispiel gibt es dieses Angebot: Anne Rodenbrock-Wesselmann lädt die Presse zur Stadtführung ein, Treffpunkt 10 Uhr, Rathaus Halle/Westfalen. Halt gemacht wird am Ronchin-Platz, beim Museum für Kindheits- und Jugendwerke, das Haller Herz, ein Ring mittelalterlicher Fachwerkhäuser, ist ebenfalls Station. "Es gibt viel zu sehen und zu hören, doch nach 120 Minuten wird dieser Stadtbummel beendet sein", teilte die Bürgermeisterin mit, die sich bei den weiteren Veranstaltungen indes ausklinkt. Musik ist nicht so das Metier der SPD-Politikerin. "Frankie & das Pianomobil" heizen ja ab 11 Uhr ein. Für Kultur-Aficionados bietet sich die Ausstellung "art goes sports" an, und Tennis, klar, wird auch gespielt. Kei Nishikori, der Top-Ten-Profi aus Japan, muss sich, einzigartig auf der Tour, nur aus dem Bett im Vier-Sterne-Hotel wälzen, schon landet er auf dem Center Court, der natürlich überdacht und mit echtem Wimbledon-Gras ausgestattet ist.

Volles Wohlfühl-, Animations- und Shopping-Programm. Und das ZDF ist auch dabei

Der Zufall, das ist Ralf Webers Worten rasch zu entnehmen, wird bei den Gerry Weber Open ausgeschlossen, so weit es eben geht. Seit 1993 existiert das Rasenturnier am Rande des Teutoburger Waldes und hat sich zu Deutschlands erfolgreichster Tennisveranstaltung entwickelt, die eine neue Aufwertung erfährt: Aus dem 250er Event - das ist die kleinste Kategorie auf der Männertour - wird ein 500er; möglich wurde dies durch eine Verschiebung des Wimbledonturniers ans Juni-Ende; die ATP vergab daraufhin zwei neue 500er Lizenzen, an Queens und an Halle, wo in dieser Woche gespielt wird. Das Preisgeld ist mit 1,5 Millionen Euro nun doppelt so hoch, der schlechteste Profi, der automatisch ins Hauptfeld rutschte, ist auf Rang 52 der Weltrangliste geführt, so hoch lag der "Cut-off" nie. Die Anforderungen als hochrangigeres Turnier sind gestiegen, aber Panik bricht deshalb nicht bei Ralf Weber aus: "Wir waren gefühlt schon immer ein 500er", sagt er.

Die Gerry Weber Open hatte sein Vater initiiert. Der Modeunternehmer, eine Mischung aus Patriarch und Visionär, glaubte trotz Kritik an die Idee, in einem Land mit drei Wimbledonsiegern (Becker, Stich, Graf) ein Rasenturnier stemmen zu können. Dabei ist Deutschland doch immer noch eher ein Land von Sandplatzwühlern. Die oberste Maxime, das sagt heute noch sein Sohn, der in der Verantwortung steht, war stets: "Die Spieler müssen sich wohlfühlen." Aber nicht nur die. Der Trick, warum in der Provinz eine hochkarätige Sportveranstaltung funktioniert, ist ja letztlich simpel. Die Webers versuchten und versuchen, alle glücklich zu machen. Dieser Ansatz soll dann auch zu ihrem Glück führen.

Also gibt es das volle Wohlfühl- und Animationsprogramm. Die Profis gehen ins Fitnessstudio, golfen, üben Tennis, auch wenn sie verloren haben, um sich für Wimbledon in Form zu bringen. Spielerfrauen können, nebenbei, auch ein bisschen Mode einkaufen, was sich bei dem Veranstalter aufdrängt, und sicher nicht zum Volltarif. Überdies, "wir sind das Turnier der kurzen Wege", sagt Weber. In Paris bei den French Open dauerte der Transfer für die Darsteller oft eine Stunde zur Anlage. Die Zuschauer fühlen sich ihrerseits ernst genommen, sie frönen ihrer Zuschauerlust, werden aber auch anderweitig unterhalten, diesmal treten Adel Tawil, Sarah Connor, Sasha auf. Und dass Weber Roger Federer als "lebenslangen Botschafter" gewann, der in Halle antreten wird, solange er Profi ist, ist selbst fünf Jahre nach der Unterzeichnung des Vertrages als Coup zu werten.

Dass Weber Wettbewerb annimmt, ist in seiner Rolle als Geschäftsführer der ausgelagerten Vermarktungsagentur zu erkennen. "Wir waren immer innovativ, wir haben auch immer investiert", sagt er. Sich einmal den Ruf des deutschen Flagship-Turniers erarbeitet zu haben, reichte ihm nie. Der 51-Jährige will die eine Nasenlänge voraus sein und hat stets Entwicklungen hinterfragt, Projekte angeschoben. Eine Belüftungsanlage für den Rasen, die rasch nötig war, wurde eingebaut, der Pressebereich umgestaltet, in diesem Jahr der Zuschauerbereich auf Court 1 um 700 Plätze erweitert. Im zweitgrößten Stadion können nun vier Kameras fürs Fernsehen Bilder einfangen. "Es lässt sich zwischen zwei Courts hin und her wechseln", sagt Weber durchaus stolz. Dass Halle das einzige Turnier ist, bei dem einer der großen öffentlich-rechtlichen Sender am Finalwochenende auf Sendung geht, ist auch das Ergebnis von Strategien. 1994 wurde das Dach über dem Center Court gebaut, und weil stets Top-Profis geholt werden, hat das ZDF eine hohe Garantie, zu einem festen Termin Spitzensport senden zu können.

Wie sich der hohe Aufwand an allen Fronten rechnet, ist Betriebsgeheimnis. Aber dass man expandiert, trotz schwieriger Zeiten des Modeunternehmens gerade, spricht für sich. "Das Turnier ist einfach beeindruckend", lobt Philipp Kohlschreiber, der beste DTB-Profi, "alle Spieler haben ihren Spaß. Und wenn man über die Anlage geht, sieht man keine schlecht gelaunten Leute. So muss Tennis sein."

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