Tennis in Montreal:Murray verdrängt die Pöbeleien

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Setzt Novak Djokovic geschickt unter Druck: Andy Murray in Montreal (Foto: AFP)
  • Tennisprofi Andy Murray besiegt Novak Djokovic im Finale von Montreal - nachdem er in diesem Jahr schon viermal an dem Serben gescheitert war.
  • Murray drängt so die Debatten um Sex-Pöbeleien von Nick Kyrgios und Marihuana-Geruch auf der Tribüne in den Hintergrund.
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Von Lisa Sonnabend

Beim Tennisturnier in Montreal ist der Sport arg in den Hintergrund geraten. Der junge Australier Nick Kyrgios hatte in der zweiten Runde seinen Gegner Stan Wawrinka angepöbelt und behauptet, Thanasi Kokkinakis habe mit dessen Freundin geschlafen. Daraufhin wurden die Spieler nicht mehr nach ihrer Leistung gefragt, sondern nach ihrer Meinung über den ungezogenen Kollegen. Novak Djokovic wiederum beschwerte sich im Halbfinale nicht über die Gegenwehr von Jeremy Chardy, sondern über einen Zuschauer, der einen Joint rauchte. "Mir wird schwindelig", klagte er. Doch in der Nacht auf Sonntag sorgte nun Andy Murray dafür, dass von dem Turnier auch Sportliches in Erinnerung bleiben wird.

Es lief der dritte Satz im Finale. Der Schotte führte 3:1 gegen seinen ewigen Rivalen Djokovic, er servierte. Es waren die wohl hochklassigsten Ballwechsel des Turniers und die entscheidenden. Sechs Breakbälle wehrte Murray ab, manche mit einem beeindruckenden Gewinnschlag, andere mit einem mutigen Aufschlag. Als der 28-Jährige das 15 Minuten lange Aufschlagspiel schließlich doch noch gewann, reckte er die Arme lange in die Höhe. Wenige Minuten später hatte er es dann tatsächlich geschafft: Murray gewann 6:4, 4:6 und 6:3. Nach zwei Jahren war ihm endlich wieder ein Sieg gegen den Weltranglistenersten aus Serbien gelungen.

Viermal war Murray allein in diesem Jahr an Djokovic gescheitert: bei den Australian Open, in Indian Wells, in Miami und bei den French Open. Doch in Montreal machte er alles richtig und fügte dem Serben die erst vierte Saisonniederlage zu. Murray drängte Djokovic sein Spiel auf. Er serviert konstant, hart und extrem präzise. Mit seiner Vorhand machte er immer wieder Druck und vermied lange Ballwechsel, bei denen Djokovic mit seinen präzisen Grundschlägen derzeit einfach jedem anderen Profi überlegen ist. Die Rückhand spielte Murray mal mit Slice, mal schnörkellos und ließ den Gegner keinen richtigen Rhythmus finden.

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Von Lisa Sonnabend

Zudem behielt Murray die Nerven. Nach fast jedem Punkt im dritten Satz ballte er die Faust. Es war ihm anzusehen, wie wichtig es ihm war, endlich Djokovic zu schlagen. Die Zuschauer hätten auf die Idee kommen können, die beiden seien sich spinnefeind. Dabei sind sie privat eng verbandelt: Murray ist der Trauzeuge des Serben.

Beim Stand von 5:2 im dritten Satz hatte Murray zwei Matchbälle, doch Djokovic holte noch einmal auf. Beim Stand von 5:3 wehrte Murray zwei weitere Breakbälle ab, dann hatte er es nach acht vergebenen Versuchen tatsächlich geschafft und Djokovic besiegt. Drei Stunden dauerte die umkämpfte Partie. Murray schrie auf, er ließ sich ausgiebig vom Publikum feiern, umarmte sein Team lange. Bei der Siegerehrung umklammerte der Schotte den Pokal stolz, als wäre es eine Grand-Slam-Trophäe.

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Für Murray war es bereits der vierte Turniersieg in diesem Jahr. In der Weltrangliste überholt er nun den 34-Jährigen Roger Federer. Als Zweiter ist er nun offiziell erster Djokovic-Verfolger. Allerdings ist der Punkteabstand gewaltig: Murray hat 8660 Punkte, Djokovic mit 14 265 Punkten fast doppelt so viele.

Den Sieg widmete der Schotte seiner Trainerin Amélie Mauresmo. Denn die habe am Morgen vor dem Finale einen Sohn auf die Welt gebracht, verriet Murray. "Amélie, dieser Sieg ist für Dich!", rief er bewegt - und sorgte zum Ende des Turniers dann noch einmal dafür, dass ein buntes Thema in den Vordergrund rückte.

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