Tennis:"Ich will wieder die Nummer eins werden"

BNP Paribas Open - Day 14

Noch immer der beste Tennisspieler der Welt: Roger Federer, 35.

(Foto: AFP)
  • Roger Federer gewinnt das Finale in Indian Wells gegen seinen Schweizer Landsmann Stan Wawrinka.
  • Es ist seinem nun 35 Jahre alten Körper geschuldet, dass er Ballwechsel und Partien früher beenden möchte - doch genau dieser Wechsel der Strategie macht ihn womöglich noch stärker.
  • Künftig will Federer weniger Turniere spielen.

Von Jürgen Schmieder, Indian Wells

Roger Federer kann manchmal eine ziemliche Nervensäge sein. Ach was, lassen wir die netten Worte und seien wir kurz mal ehrlich, so wie es Stanislas Wawrinka am Sonntagnachmittag gewesen ist. Wawrinka hatte gerade das Finale von Indian Wells 4:6, 5:7 gegen Federer verloren, er war den Tränen nahe und musste seine Rede während der Siegerehrung mehrmals unterbrechen. "Es war mal wieder ein enges Match gegen Roger, ich war mal wieder unterlegen", sagte Wawrinka und sah hinüber zu seinem Freund: "Er lacht, er ist ein Arschloch."

Natürlich ist Federer weder Nervensäge noch Arschloch, sondern ein Gentleman, der auf und neben dem Platz derart freundlich daherkommt, dass sich Beobachter bisweilen wundern, ob er tatsächlich noch als Mensch durchgeht oder einer anderen Spezies zugeordnet werden muss. "Ich wollte ihn ablenken, als er so traurig geguckt hat - das ist mir auch gelungen", sagte Federer später: "Ich bin schon derart häufig so bezeichnet worden, dass es mittlerweile wie ein Kompliment klingt."

Federer kommt einem derzeit oft vor wie dieser Typ in der Schule, der nach einer Klassenarbeit verkündet, dass er sie total vergeigt habe und dass er schon über ein Befriedigend oder Ausreichend froh sein müsse - und nach der Notenvergabe mit gespielter Verblüffung erwähnt, dass der Lehrer sogar ein Sternchen neben seine Bestnote gemalt habe. Das ist deshalb so unglaublich nervig, weil dieser Schüler natürlich schon vorher wusste, dass er eine gute Note schaffen würde, so wie Roger Federer wusste, dass er auch nach sechs Monaten Pause aufgrund einer Knieverletzung ein ziemlich guter Tennisspieler sein würde. Ach was, wir wollten ja ehrlich sein: Federer ist noch immer der beste Tennisspieler der Welt.

Federer gewann in diesem Jahr jede Partie gegen einen Top-Ten-Spieler

Er hat vor ein paar Wochen die Australian Open gewonnen und dabei Kei Nishikori, Wawrinka und im Endspiel den alten Rivalen Rafael Nadal in jeweils wahnwitzigen Fünf-Satz-Dramen niedergerungen. Nun hat er bei diesem Turnier in der kalifornischen Wüste die wohl kniffligste Auslosung der Geschichte gemeistert (in seinem Viertel des Tableaus waren solch klangvolle Namen versammelt wie Nadal, Novak Djokovic, Nick Kyrgios, Alexander Zverev und Juan Martin del Potro).

Er hat, nachdem er 2016 ohne Turniererfolg geblieben war, bei den bislang wichtigsten Veranstaltungen dieser Saison triumphiert und sich aufgrund seiner Leistungen nicht nur Pokale, sondern auch noch ein paar Sternchen abgeholt - wie etwa jenen, in diesem Jahr bislang jede seiner sechs Partien gegen Spieler aus den Top Ten der Weltrangliste gewonnen zu haben.

Federer spielt aggressiver als vor seiner Verletzung, er wählt beim zweiten Aufschlag meist eine riskantere Variante, zieht seine Rückhand häufiger voll durch und stürmt immer wieder überraschend ans Netz. Es ist seinem nun 35 Jahre alten Körper geschuldet, dass er Ballwechsel und Partien früher beenden möchte, doch dieser Wechsel der Strategie lässt Federer auch zu einem der ganz wenigen Sportler werden, die damit auf höchstem Niveau erfolgreich sind: Der Basketballspieler Michael Jordan legte sich einen Sprungwurf zu, als er bemerkte, dass die Gesetze der Schwerkraft doch auch für ihn gelten.

Der Boxer Muhammad Ali besiegte George Foreman einst mit der Rope-a-dope-Taktik; er ließ sich in die Seile fallen und wartete, bis der Gegner sich müde geschlagen hatte - dann legte Ali los. Federer spielt nun, als hätte jemand auf die Schnellvorlauf-Taste gedrückt: Er besiegte in vergangenen Woche Nadal in 68, Jack Sock in 74 und Wawrinka in 80 Minuten.

Federer will seine Kontrahenten noch ein paar Jahre ärgern

Es war schon immer faszinierend, Federers Fähigkeiten zu bestaunen - neben dem Platz noch viel mehr als vor einem Fernseher, weil die über und hinter der Grundlinie angebrachte Kamera die Bewegungen verlangsamt, die Grazie verpasst und die grotesken Winkel der Grundschläge verzerrt. Wer Federers Kunst erleben möchte, der sollte jedenfalls live dabei sein. Genau das jedoch könnte zu einem Problem für manche Zuschauer werden, weil Federer nicht nur Ballwechsel früher beenden, sondern künftig an weniger Veranstaltungen teilnehmen möchte.

"Ich muss mir mehr Auszeiten gönnen, das habe ich vor ein paar Wochen bei meiner Niederlage gegen Jewgeni Donskoi bemerkt", sagte Federer in Indian Wells: "Ich war müde, ich war ein bisschen verletzt, ich war nicht gut vorbereitet. Donskoi hat großartig gespielt, deshalb bin ich in der zweiten Runde ausgeschieden." Das war die erste schlechte Note für den Musterschüler in diesem Jahr, der natürlich sogleich etwas daraus gelernt hat. "Ich will nicht mehr irgendwo mitspielen, um jemandem einen Gefallen zu tun", sagt er: "Ich will mich auf ein Turnier freuen und aufgrund der wenigen Veranstaltungen stets diesen Druck verspüren, erfolgreich sein zu müssen."

Federer will sich nun also ein paar Tage lang ausruhen und den Rest der Saison erst nach dem Turnier in Miami planen, bei dem er aufgrund der verletzungsbedingten Absagen von Andy Murray und Novak Djokovic als Favorit gilt. Es könnte durchaus sein, dass er auf einige der körperlich anspruchsvollen Turniere auf dem europäischen Sand verzichten wird, um möglichst ausgeruht nach Wimbledon fahren zu können.

"Ich will wieder die Nummer eins der Weltrangliste werden, alles andere interessiert mich nicht", sagt er. Das ist eine ziemlich deutliche Botschaft an all jene, die Federers Wettbewerbsfähigkeit aufgrund der wenigen Erfolge und Verletzung im vergangenen Jahr infrage gestellt hatten - wie auch die Ankündigung, bis mindestens 2019 am Turnier in seiner Heimatstadt Basel teilnehmen zu wollen. Die Nervensäge will seine Kontrahenten noch ein paar Jahre lang ärgern.

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