Tennis-Hoffnung Annika Beck:Ein Rotkäppchen unter lauter Feen

Annika Beck, Tennis

Annika Beck beim Sieg über Bratschikowa in Nürnberg.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Kerber, Petkovic und Co. bekommen Konkurrenz: Die Einser-Abiturientin Annika Beck führt eine neue deutsche Tennis-Generation an. Die 19-Jährige wird oft mit Steffi Graf verglichen - und Serena Williams hätte sie beinahe schon einmal gegrüßt.

Von Philipp Schneider, Nürnberg

Am Abend bevor Annika Beck 6:2, 6:2 über Nina Bratschikowa hinwegfegte, war sie in den Nürnberger Rathaussaal geladen zur sogenannten Players Night, das Thema des Banketts lautete: "A Fairy Tale", ein Märchen. Den Tennisspielerinnen wurden die Haare schönfrisiert, sie konnten wählen aus einer reichhaltigen Truhe mit Verkleidungen. In jedem Fall gab es anschließend: viele Feen.

Und so konnte es sich begeben, dass einer, irgendwo anstehend auf dem Weg zwischen Salat und Suppe, zwei transparente Feenflügel in seinem Gesicht wiederfand. Wenn sich Sportlerinnen als Feen vermummen, dann stellt sich natürlich die Sinnfrage. Gleichwohl, Annika Beck aus Bonn, 19, beide Eltern Chemieprofessoren, übersprang einst die zehnte Klasse und beschloss die Schule mit einem Einser-Abitur. Also ging sie als Rotkäppchen.

Nun aber sitzt Beck da im Kapuzenpulli, sie lächelt, nur 64 Minuten Zeit hat sie sich soeben genommen für ihren Einzug ins Achtelfinale gegen die Russin Bratschikowa, die Nummer 142 der Welt. Ob sie denn die Breaks gezählt habe? "Ne, habe ich nicht. War mit meinem Aufschlag beschäftigt. Aber da waren schon einige dabei, sonst wäre es ja nicht 6:2, 6:2." Einer dieser feinen, weil wunderbar logischen Sätze, für die Annika Beck zunehmend berühmter wird. Inzwischen ist sie auch bereits auf Weltranglistenplatz 56 gelistet, was erstaunlich ist, da Beck gerade erst ihre Premierensaison auf der Profitour spielt.

Erstmals aufmerksam ist die Tenniswelt auf sie geworden, als Beck im Vorjahr die French Open der Juniorinnen gewonnen hatte. Zwölf Monate später gilt sie als erste des 2011 gegründeten Porsche-Nachwuchsteams, die den Durchbruch geschafft hat: Dinah Pfizenmaier, Carina Witthöft, Anna-Lena Friedsam und Antonia Lottner, die in der vergangenen Woche ebenfalls im Junioren-Finale von Paris stand, aber verlor, sollen noch folgen.

Der als Fräuleinwunder gefeierten (aber noch immer nicht von einem Grand-Slam-Titel gekrönten) Generation um Kerber, Petkovic, Barthel, Görges, Lisicki könnte in Beck bald ernsthafte Konkurrenz erwachsen. "Ich muss selbst lachen über meine Entwicklung. Vor zwei Jahren war ich noch sehr weit entfernt von alldem", hat sie neulich gesagt. Beck meinte den großen Zirkus mit Reisen um die ganze Welt ("in Asien und China war ich noch nie!"), Auftritte auf Kostümpartys ("hab' alles durchprobiert, aber Rotkäppchen war der erste Griff") und ihre erste Halbfinalteilnahme bei einem WTA-Turnier in Kattowitz in diesem Jahr.

Kein Gruß, aber ein Lächeln

Auch Fed-Cup-Teamchefin Barbara Rittner ist Becks Aufstieg nicht verborgen geblieben, bei ihrer Antrittsrede vor dem Spiel gegen Frankreich in Limoges soll Beck Rittner der Legende nach sogar zu Tränen gerührt haben. So bewegend seien ihre Worte gewesen. Und Rittner ist nicht dafür bekannt, arg schnell zu heulen.

Becks Tennis ist geprägt von einer kraftvollen Spielanlage. Vor allem ihre Vorhand ist rasant. Und sie bewegt sich fast ebenso schnell an der Grundlinie, steht daher blendend zum Ball. "Schau mal die Beine an, die sind wie von Steffi", raunte Rittner während der Partie gegen Bratschikowa, und man darf annehmen, dass sie nicht nur auf die optische Parallele zu den Grafschen Stelzen anspielte.

"Das habe ich jetzt schon öfter gehört, dass ich Steffis Beine habe", kommentierte Beck trocken. Wer nach einer Schwäche sucht, stößt auf ihren Aufschlag. Mit 1,69 Meter ist sie nicht sonderlich groß, was den Schlag seiner Wucht beraubt. "Auch das Spiel am Netz kann besser werden, da bin ich noch nicht so oft. Und ich könnte noch variabler spielen, mit Slice und Stops", kritisiert sie selbst.

Bei den French Open ist Beck zuletzt in der zweiten Runde ausgeschieden gegen die große Viktoria Asarenka, aber das hat sie nicht aus dem Leben geworfen. Zumal sie sich im ersten Satz nach 0:5-Rückstand wieder herangespielt hatte und zwei Breakchancen zum 5:5 vergab. "Das war toll. Und als ich dann nach Hause kam, war ich überrascht, wie viele Leute das Spiel im Fernsehen gesehen haben."

Bevor sich Beck am Dienstag in Nürnberg wieder verabschiedet, wo sie nun auf die Italienerin Karin Knapp treffen wird, die wiederum Becks Freundin Pfizenmaier aus dem Turnier beförderte, schickt sie noch diesen Satz in die Welt, der einen ja wirklich fast zu Tränen rühren könnte: "Man kann immer alles verbessern, sonst wäre man ja perfekt. Und das ist auch nicht so schön." Ihr Tennis ist gleichwohl schon so erstaunlich, dass sie neulich fast von der Weltranglistenersten Serena Williams gegrüßt worden wäre. "Das nicht", sagt Beck. Doch immerhin, Serena habe gelächelt.

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