Tennis:Görges ist jetzt besser als Kerber

Julia Goerges

Julia Görges: Überwältigt in Moskau

(Foto: AP)
  • Im Finale von Moskau besiegt Julia Görges Daria Kasatkina aus Russland.
  • Dreimal war sie 2017 schon in Finals gestanden, dreimal hatte sie verloren. Nun steigt sie wieder in die Top 20 der Weltrangliste auf.
  • Auch für Carina Witthöft ist es ein überragendes Wochenende.

Von Gerald Kleffmann

Als der Ball im Feld von Daria Kasatkina landete, begann Florian Zitzelsberger bereits zu weinen. Er rieb sich die Augen, aber noch stand eine letzte Entscheidung an: Die Russin ließ den Aufschlag von Julia Görges überprüfen, mittels der im Tennis gängigen Videotechnik namens Hawk Eye. Es stand 6:1, 5:2, 40:15, die Sekunden tickten, die Deutsche sah hoch zur Leinwand, wo die Sequenz noch einmal überprüft wurde - ihr Aufschlag war klar auf der T-Linie gelandet. Damit war das Match entschieden. Ein Match, das Julia Görges nicht so schnell vergessen wird.

Die 28-Jährige aus Bad Oldesloe, die inzwischen in Regensburg lebt, mit Zitzelsberger, der auch ihr Physio auf der WTA Tour ist, sie hat wieder ein Turnier gewonnen. Ihr erstes seit 2011. Dreimal war sie 2017 schon in Finals gestanden, dreimal hatte sie verloren. Nun steigt sie wieder in die Top 20 der Weltrangliste auf, dabei war sie zwischenzeitlich aus den Top 100 gefallen. Sie ist nun, eine im Grunde höchst erstaunliche Nachricht, beste Deutsche im globalen Ranking. Denn Angelique Kerber, 2016 noch zweimalige Grand-Slam-Gewinnerin und Nummer eins der Welt, auch weit ins Jahr 2017 hinein ganz oben geführt, rutscht nun aus den Top 20 raus. Kerber verpasste die WTA Finals, bei der B-WM in Zhuhai, China, wird sie wohl spielen. Dort darf nun auch Görges Ende Oktober antreten.

Als Görges die Endgültigkeit ihres Erfolges in Moskau beim Kremlin Cup realisierte, schlug sie die Hände vors Gesicht. Die WTA hatte diese Momente sogleich per Twitter-Filmchen ins Internet gestellt. Kasatkina ging auf ihre Seite, umarmte sie lange. Schon das war nett. Aber richtig rührend wurde es, als Görges zu Zitzelsberger schritt und sich die beiden schluchzend nicht mehr losließen, quasi ein DiCaprio-Winslet-Moment. In diesem Augenblick bündelten sich all die Anstrengungen, Enttäuschungen und dann wieder Hoffnungen, die Görges mit ihrem Team durchlebt hatte in den vergangenen Monaten.

2012 war Görges 15. - da stiegen die Erwartungen

Im Grunde hatte sich ein solcher Erfolg aber angebahnt, Görges hat ihr Glück, wenn man so will, regelrecht erzwungen. "Es fühlt sich großartig an, ich bin so glücklich. Ich habe hart für diesen Moment gearbeitet", sagte sie in Moskau nach dem Sieg. War 2016 noch Kerbers Jahr gewesen, die damals die beste Balance zwischen Ehrgeiz, Wille, Fleiß und Zuversicht fand, war es 2017 Görges, die am Aufgeräumtesten wirkte im deutschen Lager. "Sie arbeitet hochprofessionell mit ihrem Trainer Michael Geserer und hat ein enges Team um sich herum", lobte kürzlich Dieter Kindlmann, der deutsche Coach aus dem Allgäu, der früher Maria Scharapowa als Hitting Partner diente und heute die Amerikanerin Madison Keys trainiert. "Am Ende zahlt sich konstantes Arbeiten immer aus."

Auch Barbara Rittner schwärmte. "Die Krönung als Abschluss eines beeindruckend konstanten Jahres", sagte die frühere langjährige Fed-Cup-Teamchefin, die nun in der neuen Position als Head of Women's Tennis im Deutschen Tennis Bund (DTB) angestellt ist, dem Sport-Informationsdienst. Im April hatte Rittner auch gemeinsam mit Görges gejubelt, als die in Stuttgart den Fed-Cup-Abstieg gegen die Ukraine mit souveränen Auftritten verhinderte.

Witthöft gewinnt gleich ihr erstes Finale

Die emotionale Reaktion von Görges ist auch darauf zurückzuführen, dass die vergangenen Jahre nicht ganz so verlaufen waren, wie die Öffentlichkeit und auch Görges selbst es erwartet hatte. 2011 hatte sie das renommierte Turnier in Stuttgart gewonnen, 2012 erreichte sie den 15. Weltranglistenplatz, natürlich stieg damals die Anspruchshaltung in stattliche Dimensionen. Von einer goldenen Generation war gar die Rede, in Sabine Lisicki, Andrea Petkovic und Kerber hatte das deutsche Team ja plötzlich fähige Spielerinnen, denen so viel zugetraut wurde. Im Rückblick ist klar, dass jedes sportliche Schicksal dieser vier Frauen eine eigene Geschichte ist. Das von Görges? Sie war vielleicht diejenige, die spielerisch die meisten Möglichkeiten besaß, gesegnet mit guten Grundlinienschlägen, gutem Volleyspiel, einem guten Aufschlag.

Sie konnte phasenweise mit den Besten mithalten, errang Achtungserfolge, doch die Konstanz fehlte zu oft, die Fähigkeit, mehrere Matches hintereinander auf Topniveau zu agieren. Zwischenzeitlich war ihr gar der Glaube abhanden gekommen, dass sie an frühere Zeiten anknüpfen könnte. Das klang auch aus ihren Worten in Moskau heraus, als sie sagte: "Danke an mein Team und meinen Freund, dass ihr mich zurück auf die Überholspur gebracht habt. Ihr habt mir wieder Spaß am Tennis gegeben." 147 500 Dollar kassierte sie nun zudem, bei den Turnieren in Mallorca, Bukarest und Washington hatte sie in den Endspielen noch nur das Preisgeld der Zweitplatzierten erhalten.

Dieses Wochenende wurde aus deutscher Sicht noch bemerkenswerter durch den Einzug von Tatjana Maria in die Top 50 (als 49.) - und vor allem durch den Triumph der Hamburgerin Carina Witthöft beim Turnier in Luxemburg. Im Endspiel siegte die 22-Jährige 6:3, 7:5 gegen Monica Puig aus Puerto Rico, die 2016 in Rio Olympia-Gold im Finale gegen Kerber geholt hatte; in Luxemburg hatte Puig gleich zum Auftakt Kerber wieder bezwungen.

Witthöft hat somit gleich ihr erstes Finale als Profi erfolgreich bestritten, sie wurde mit 34 677 Euro belohnt und nähert sich als Nummer 52 der Weltrangliste ihrer Bestplatzierung (49./August 2015). Anders als Görges vergoss sie aber keine Tränen. Witthöft verliert nicht so schnell die Contenance, in guten wie in weniger guten Momenten.

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