Tennis: Frech Open:Roger Federer täuscht sich

Erstmals seit sechs Jahren scheitert Roger Federer bei einem Grand-Slam-Turnier vor dem Halbfinale. Der Titelverteidiger unterlag in Paris Robin Söderling - und verliert womöglich die Führung in der Weltrangliste.

M. Neudecker

Er griff noch mal in seine Tasche, zog einen neuen Schläger hervor, eingewickelt in Plastikfolie. Roger Federer wollte jetzt nichts unversucht lassen. Es war der vierte Satz in diesem Viertelfinale der French Open, und Roger Federer, Nummer eins der Welt und Titelverteidiger bei Roland Garros, war in Schwierigkeiten. Der Schwede Robin Söderling, Weltranglisten-Siebter, er hatte ein unglaubliches Match gespielt bislang, es hatte schon weit über zwei Stunden gedauert, die rund 40-minütige Regenunterbrechnung nicht eingerechnet, und nun hatte er Aufschlag, es stand 5:4 für ihn. Ein paar Punkte noch, dann hätte er gewonnen, gegen Roger Federer, von dem man ja glaubt, er könne gar nicht verlieren; bei einem Grand-Slam-Turnier hat er seit Paris 2004 immer mindestens das Halbfinale erreicht, 23 Mal in Serie, das ist eine beeindruckende Zahl.

Federer of Switzerland walks off the court after loosing to Soderling of Sweden at the French Open tennis tournament at Roland Garros in Paris

Der Schwede Robin Söderling verlässt als Sieger den Platz, Roger Federer (im Vordergrund) scheitert nach sechs Jahren bei einem Grand-Slam-Turnier erstmals wieder vor dem Halbfinale.

(Foto: rtr)

Federer stand auf, den neuen Schläger in der Hand. Er ging zur Grundlinie, und das Publikum auf dem Centre Court von Roland Garros wurde unruhig. Es liebt Roger Federer, Robin Söderling dagegen hat es manchmal sogar ausgebuht.

Hey, es ist nicht das Finale

Der erste Ballwechsel ist kurz, Federer schlägt den Ball ins Aus, 15:0 für Söderling. Dann kommt Federer zurück, eine Rückhand longline, eine, wie man sie nur bei Federer sieht, so elegant, so ästhetisch, 15:15. Doch Söderling will diesen Sieg unbedingt, ein harter Volleyschlag am Netz, eine präzise Diagonal-Rückhand, und dann hat Robin Söderling zwei Matchbälle. Der erste Aufschlag geht knapp ins Aus, der zweite kommt gut, Federer muss sich strecken, um den Ball mit der Rückhand returnieren zu können, der Ball fliegt, fliegt - und landet hinter der Grundlinie. Dienstagabend, 19.42 Uhr, Roger Federer ist bei den French Open ausgeschieden.

Er winkt noch mal ins Publikum, dann schüttelt er den Kopf und verlässt den großen Platz. 6:3, 3:6, 5:7, 4:6, solche Zahlen liest man oft nach Federer-Matches, nur eben andersherum. Der entscheidende Moment war der am Ende des zweiten Satzes: Da hatte Federer Satzball, aber er vergab die Gelegenheit zur Vorentscheidung. Söderling glich aus und gewann schließlich den Satz, ,,da wusste ich, sagt Söderling, ,,dass ich ein bisschen entspannen kann''. Vor einem Jahr sind sich die beiden hier, auf dem Court Philippe Chartrier, schon einmal gegenübergestanden, es war das Finale 2009, und Federer gewann, in drei Sätzen. Aber damals war Robin Söderling gerade im Begriff, aufzusteigen, er war damals noch nie bei einem Grand Slam über die dritte Runde hinausgekommen, und dass er nun im Finale gegen Federer spielte, das war ja für ihn schon so etwas wie ein Titel. Aber jetzt, 2010, war die Ausgangslage eine andere. Söderling hat sich in der Weltrangliste seitdem um 18 Positionen verbessert, in der laufenden Saison war er in Indian Wells und Miami im Halbfinale, in Barcelona im Finale, und in Rotterdam gewann er. Auf seinem Weg ins Viertelfinale von Paris hat er nur einen Satz verloren, Federer zwar gar keinen, aber doch wusste Robin Söderling, dass er eine Chance haben würde diesmal, eine Chance auf Revanche. ,,Ich glaube immer daran, dass ich gewinnen kann'', sagte Södernling hinterher, er wirkte ruhig, gelassen. Klar, es sei ,,ein großartiges Gefühl'', die Nummer eins geschlagen zu haben, aber, hey, ,,es ist nicht das Finale''.

Und Federer? Er war enttäuscht, natürlich. ,,Ich kann meinen Titel hier nicht verteidigen, das ist schon sehr schade'', sagte er, ,,aber ich habe auch nicht besonders gut gespielt heute''. Aber andererseits: ,,Robin Söderling war wirklich sehr stark, und er ist mit den Bedingungen besser zurecht gekommen.'' Das ist ja das wirklich überraschende: Dass Federer verlor, lag mehr an Söderling als an Federer. Söderling spielte druckvoll. ,,Die Bedingungen waren gut für mich'', fand Söderling. Der Ball war vom Regen nass und schwer, das Spiel wurde langsamer, ,,und ich mag es, wenn das Spiel etwas langsamer ist''.

Nadals Chance auf die 1

Federer wird nun genau beobachten, wie die French Open weiter verlaufen. Der Spanier Rafael Nadal spielt an diesem Mittwoch im Halbfinale gegen seinen Landsmann Nicolas Almagro, wenn er gewinnt und dann auch im Finale den Titel holt, ist Nadal wieder die Nummer eins der Weltrangliste. Federer war bislang 285 Wochen der Beste im Ranking, mit einer weiteren Woche würde er den Rekord von Pete Sampras einstellen, aber es sieht nicht gut aus für ihn und den Rekord: Nadal hat ein sehr souveränes Turnier gespielt bisher.

Aber sollte nicht nur Nadal sondern auch Söderling das Finale erreichen, dann gibt es wieder Hoffnung für Federer: Die beiden spielten in Paris 2009 im Achtelfinale gegeneinander, damals hatte Nadal noch nie ein Match bei Roland Garros verloren. Bis er auf Robin Söderling traf.

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