Tennis Fed Cup:Ein Boss zum Helfen

BAU 18 04 2018 Stuttgart Tennis Fed Cup Training von Angelique Kerber v l Kapitän Jens Gerlach

Stiller Chef: Jens Gerlach arbeitet gerne im Hintergrund, gegen Tschechien sind nun auch Angelique Kerber (re.) und Julia Görges dabei.

(Foto: Julia Rahn/imago)

Der neue Fed-Cup-Teamchef Jens Gerlach ist ein stiller Trainer und noch eher unbekannt. Gerade deshalb könnte er der richtige Mann sein für die anspruchsvolle Aufgabe im Fed Cup am Wochenende gegen Tschechien.

Von Gerald Kleffmann, Stuttgart/München

Es gibt eine Geschichte, die beschreibt gut, wie Jens Gerlach ist. Anfang der Nullerjahre war der nun 44-Jährige mit Anastasia Myskina liiert. Eineinhalb Jahre waren sie ein Paar. Die beiden hatten sich in Miami bei dem Turnier der Frauentour kennengelernt, Gerlach, ein früherer Zweitliga-Tennisspieler und von einem US-College kommend, hatte sich als Sparringspartner zur Verfügung gestellt. Als die Liebe zerbrach, blieben Gerlach und Myskina zusammen. Als Trainer und als Profi. "Für Außenstehende war das schwer nachvollziehbar", sagt Gerlach. "Aber wir waren immer ehrlich, ich war ein Teil ihrer Familie, für uns hat sich das richtig angefühlt." Die Leistungen der Russin litten nicht, im Gegenteil. Im Frühjahr 2004 gewann Myskina die French Open in Paris, eines der vier Grand-Slam-Turniere. Bis zu ihrem Karriere-Ende 2007 wurde sie von Gerlach betreut. "Wir verstehen uns immer noch bestens", sagt er, "erst letzte Woche hat sie mich besucht."

Der Stuttgarter ist keine öffentlich sehr bekannte Person, weshalb die Verwunderung groß war, als er im August als Nachfolger von Barbara Rittner präsentiert wurde. Die frühere Nummer 24 der Weltrangliste hatte 13 Jahre lang das Fed-Cup-Team betreut, sie war Bundestrainerin, ist heute neben Boris Becker, der den Männerbereich des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) verantwortet, als Head of Women's Tennis die Instanz bei den Frauen. In Gerlachs Vita stehen nicht Titelgewinne und Auszeichnungen, vier ATP-Punkte hat er sich erkämpft, für weiter oben "war ich nicht gut genug", gibt er zu. So kam es, dass Gerlach einen anderen Weg ging - und dieser Weg mündet nun in einer anspruchsvollen Aufgabe. Nach Rittner ist Gerlach der wichtigste Gestalter im deutschen Frauentennis: An diesem Wochenende spielt das Fed-Cup-Team unter seiner Leitung in Stuttgart das Halbfinale gegen Tschechien (live bei DAZN). "Ich freue mich riesig auf diese Herausforderung", sagt er, wenngleich er weiß, dass sie anders wird als etwa sein Debütwochenende als Teamchef: "Jede Fed-Cup-Woche hat ihre eigenen Vorzeichen."

In England schöpfte er Wissen ab von Persönlichkeiten wie Trainer Paul Annacone

Im Februar in Minsk schaffte das DTB-Team den 3:2-Sieg, bei dem Gerlach ohne die zwei Besten auskommen musste, Angelique Kerber und Julia Görges hatten pausiert. Die Deutschen waren Außenseiter, gesundheitliche Probleme plagten manche, etwa die junge Antonia Lottner, die geschwächt bei ihrer Premiere über sich hinauswuchs und die weißrussische Nummer eins Alexandra Sasnowitsch bezwang. Schon an diesem Ernstfall-Wochenende wurde Gerlachs Stil deutlich, er besteht darin, dass er im Grunde nicht sichtbar wird. Gerlach ist keiner, der sagt, so muss es gemacht werden, sein Credo ist: "Es geht nicht um mich." Gerlach, das fällt auch in einem Gespräch auf, ist keiner, der sich aufdrängt, über andere stellt, er ist jemand, der moderierend, integrierend argumentiert, der sich als Dienstleister sieht, fast selbstlos manchmal. "Ergibt das Sinn, was ich sage?", fragt er einmal zurück.

Hinter seiner Bescheidenheit schlummert indes eine aufgeräumte Zielstrebigkeit, erkennbar in der Vita. Gerlach hat sich früh auf einen Beruf spezialisiert, den es so eigentlich nicht gibt, Tennis ist ja eine Einzelsportart: "Mein Naturell ist so, dass es mir immer Spaß gemacht hat, für ein Team zu arbeiten", sagt er. Und so wurde er quasi ein perfekter Teamtrainer über die Jahre. Selbst als er Myskina trainierte, hatte er seine Rolle letztlich nicht viel anders definiert. So verwunderlich Gerlachs Nominierung zum Fed-Cup-Teamchef zunächst war, so logisch erscheint sie, wenn man sich seine Stationen vergegenwärtigt. "Er ist ein akribischer Arbeiter, immer loyal, alle waren voll des Lobes über ihn, wo auch immer er gearbeitet hat", sagt Rittner zu den Gründen, wie sie auf Gerlach kam.

Nach dem Bundeswehr-Dienst machte Gerlach einen Bachelor- und zwei Masters-Abschlüsse in den USA, in Sportökonomie, finanziert über ein Stipendium, das er verlängern konnte, weil er sich als Assistenzcoach engagierte. Nach dem College folgten die Jahre mit Myskina, ehe er für zwei Jahre beim britischen Verband arbeitete und dann beim Schweizerischen, jeweils als Nationaltrainer. "Man kann überall etwas für sich mitnehmen, wenn man will", sagt er. In England schöpfte er Wissen ab von Persönlichkeiten wie Paul Annacone, der Roger Federer auch betreute. In der Schweiz, wo er auch im dortigen Fed-Cup-Team mitwirkte, lernte er viel von Heinz Günthardt, dem Ex-Coach von Steffi Graf. Ehe Rittners Angebot kam, half er der Russin Vera Zvonareva. Aber in der Heimat eine Führungsrolle zu übernehmen, das reizte ihn sofort. "Für mich ist Tennis Leidenschaft", sagt Gerlach, der auf jeden Aspekt achtet. Vor diesem Wochenende hat er sich intensiv mit den Coaches von Kerber und Görges ausgetauscht. "Die Kommunikation mit den Heimtrainern ist wichtig, sie betreuen sie das ganze Jahr und übergeben sie mir für eine Woche", sagt er. Er fühlt sich verantwortlich für ihr Wohl.

Eine Haltung, die er auch lebt, wenn er zu Hause, in Schwangau, weilt, mit Ehefrau Magdalena (geb. Kucerova), der früheren Profispielerin aus Prag, und der kleinen Tochter. Die Lebensqualität im Ostallgäu, wo er oft als Kind Urlaube verbrachte, zog ihn zurück an diesen Ort. Im TC Schwangau engagiert er sich seit langem, derzeit lauten seine Aufgaben laut Homepage: Trainer, Platzwart, Kleinfeld, Midcourt, Frauenreferent. Magdalena betreut die Frauen. "Jeder muss für sich selber wissen, wie sehr er sich engagiert", sagt Gerlach . Für ihn gilt: "Ich will Spielern helfen." Also hilft er, wo er kann. Manchmal sind das Kinder und manchmal eben Grand-Slam-Siegerinnen.

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