Tennis:"Es ist schön, dass es so einen Hype gibt"

Roger Federer ist die Nummer eins der Welt - aber immer mehr auch Entertainer, dessen Leben wie eine Daily-Soap verfolgt wird. Ein Gespräch über den Spagat zwischen Spitzensport und Familie.

Interview von René Stauffer, Indian Wells

Roger Federer hat am Samstag mal wieder ein Spiel gewonnen, sein 17. in Serie zu Saisonbeginn, persönlicher Rekord. Er steht auch mal wieder in einem Finale. Federer gewann das Halbfinale des Masters-1000-Turniers in Indian Wells gegen den Kroaten Borna Coric mit 5:7, 6:4, 6:4. Schon seit seinem Halbfinaleinzug steht fest, dass er auch nach dem Turnier die Nummer eins der Tenniswelt sein wird. Fast für genauso viel Aufsehen sorgte in Kalifornen, dass seine vier Kinder, seine Zwillingssöhne, 3, und die Zwillingstöchter, 8, Limonade am Straßenrand verkauften. "Sie haben 70 Dollar verdient", sagte er dem Tennis-Channel. Er geht offen damit um, dass er längst nicht nur als Tennisspieler, sondern auch als Entertainer gesehen wird.

Herr Federer, die Geschichte Ihrer Kinder, die in Indian Wells am Straßenrand Limonade verkaufen, stieß auf großes Interesse...

Es überraschte mich, dass das die Leute so interessiert. Jimmy Courier hatte mich gefragt, was ich hier so mache. Und mir geht es ja immer so gut, wie es gerade den Kindern geht. Ich selber brauche nicht viel. Wenn ich nicht Tennis spiele, gehe ich nach Hause und mische mich unter die Kinder. Und was sie machen, dort bin ich dabei. Jetzt haben sie die ganze Zeit Grapefruits und Zitronen gepresst und gemischt. Das ist für mich nichts Neues. Es war ja nicht das erste Mal. Und am Ende waren viele Freunde mit ihnen am Straßenrand.

Was sind das für Freunde?

Es sind immer wieder Leute mit Kindern da. Wie die Tochter von Michael Chang (French-Open-Sieger 1989, Anm.).

Wie sportlich sind die Kinder? Alle fahren Ski, alle spielen Tennis?

Ja. In der Schweiz fahren sie Ski, in Dubai spielen sie Tennis, hier jetzt auch.

Sie sagten, dass es Ihnen wichtig sei, dass alle Tennis spielen. Warum?

Tennis ist etwas vom Wenigen, das ich gerne hätte, dass sie es machen. Es ist kein Zwang da, aber ich sagte ihnen: Alle unsere Freunde spielen Tennis, alle Kinder unserer Freunde spielen Tennis. Und dass ich gerne hätte, dass sie ein Instrument und Tennis spielen. Es muss nicht professionell sein, gar nicht. Aber es wäre schön, wenn wir später ein wenig doppeln könnten. Inzwischen genießen es auch die Girls. Am Anfang war das nicht immer so. "Wäh, keine Lust ..." Aber ich war früher auch so, ich wollte auch nicht immer trainieren. Unterdessen merken sie, dass es nur zu ihrem Guten ist. Und die Buben spielen ohnehin viel lieber.

Sind die auch so ballverliebt, wie Sie es einst waren?

Mehr als die Mädchen auf jeden Fall. Meine Mami sagte mir, dass sie ähnlich sind wie ich, als ich klein war.

Auch ähnlich talentiert?

Ich denke, dass sie wissen, was sie tun. Es fällt ihnen leicht. Aber eben: Was ist schon normal mit 3 oder 4 Jahren? Ich weiß es nicht. Ich überfordere sie auch nicht. Sie sollen spielen, wenn sie Lust haben. Und wenn wir sie in eine Stunde schicken und sie keine Lust haben, sage ich: Dann war halt heute nichts, kein Problem.

Welche Instrumente spielen sie: Schlagzeug, Gitarre ...? Gibt es bald eine Federer-Junior-Band?

Nein, nein. Die Buben sind noch zu jung. Die Mädchen spielen Klavier - und das sehr gern. Das freut mich.

Sie spielten ja einst selber auch?

Ja, aber ich hatte den Kopf immer beim Sport. Ich ging eine Zeit lang einmal pro Woche in die Pianostunde. Dann musste ich ein Lied vorbereiten, und als ich kam, fragte die Lehrerin: "Du hast nicht geübt, Roger?" Und ich sagte: "Nein, ich war auf dem Fußball- und dem Tennisplatz." Da sagte sie: "Komm, wir versuchen es nochmals."

Sie verrieten, dass Sie 2016 mit Ihrer Frau besprachen, ob Sie die Karriere beenden sollten oder nicht. Wie verlief dieses Gespräch?

Es war mehr en passant. Es war wohl bei einem Nacht-Essen, als wir einmal allein am Tisch saßen. Ich kann mich nicht einmal mehr erinnern, ob ich sie fragte, ob ich aufhören soll oder ob sie denke, dass ich noch gewinnen könne. Es war wohl etwas in diese Richtung. Und sie sagte: Wenn du es noch gern und richtig machst und dich gut fühlst, sehe ich keinen Grund, weshalb du nicht nochmals ein großes Turnier gewinnen oder alle schlagen solltest. Dieses Gefühl hatte ich ja auch. Und darauf sagte ich wohl: Okay, und was ist nun der Plan mit den Kindern morgen? (lacht) Es war jedenfalls kein langes Gespräch.

Wimbledon

Auch bei seinem Erfolg in Wimbledon im vergangenen Jahr war Roger Federers Frau Mirka am Spielfeldrand, gemeinsam mit den zwei Zwillingspaaren.

(Foto: Reuters)

Bekommt Ihre Frau nicht langsam genug von diesem Leben?

Einfacher wird es sicher nicht, das ist klar. Aber weil ich nicht mehr so viele Turniere spiele, ist der Rhythmus auch besser. Wir sind einen Monat in Dubai, einen Monat in Australien, einen Monat in den Bergen, einen Monat in den USA ... Es ist ruhiger, nicht mehr wie früher - flumm, flumm, flumm, und jetzt Rotterdam und Dubai und Indian Wells und Miami und Monte Carlo und Davis-Cup, ein Zeugs, hin und her. Und weil ich allein zu gewissen Turniere gehe, gibt das auch Mirka ruhigere Phasen.

Ist die Planung für Sie mit vier Kindern sehr schwierig?

Sie ist viel klarer - weil wir wissen, was geht und was nicht. Bei vier Kindern haben diese immer Priorität, und sie sind auch einer der Gründe, weshalb ich weniger spiele. Früher dachten wir immer, wir könnten doch noch schnell dies und das ... Und dann zerreißt du dich beinahe. Als wir erst die Mädchen hatten, waren wir noch flexibler, da war es einfacher. Und damals war ich ja auch noch in meinen besten Jahren.

In Ihren besten Jahren? Und jetzt?

(lacht) Ja, genau... Nochmals beste Jahre.

Seit Ihrem Comeback haben Sie ja alle Erwartungen übertroffen...

... Ja, auch meine ...

Drei Grand-Slam-Titel - und nun sind Sie auch wieder die Nummer eins, was Sie ja selber nicht mehr erwartet hätten. Könnte es sein, dass dies zu einer Sättigung führt? Denken Sie gelegentlich: Jetzt ist es dann mal gut?

Hmmm. Nicht unbedingt, nein. Es ist zwar kein Ziel von mir, die Nummer eins zu verteidigen, aber es wäre schön, es zu bleiben. Das kann ich nicht leugnen. Es ist immer ein schönes Gefühl, die Nummer eins zu sein. Das ist generell eines der größten Ziele im Sport - der Beste zu sein. Ich sagte ja immer: Entweder bin ich die Eins, oder ich bin eine andere Zahl. Und wenn ich die Eins sein kann, motiviert mich das schon. Ich bin nicht nach Indian Wells gekommen, um mich als Nummer eins zu behaupten. Aber häufig geht das Hand in Hand.

Eine Steigerung wäre, die Nummer eins zum Ende des Jahres anzupeilen...

Nun ja ... Ich habe das Gefühl: Wenn es passiert, dann passiert es. Es ist nicht ein Ziel, das ich mir gesetzt oder mit meiner Mannschaft definiert hätte.

Weil dies das Risiko bergen könnte, zu viel zu spielen, sich zu verletzen?

Es ist einfach nicht mein Karriereziel in diesem Moment. Mein Ziel ist, gesund und verletzungsfrei zu bleiben und die Freude am Spiel zu behalten. Und alles unter einen Hut zu bekommen - mit der Familie, mit Mirka, dass es für uns alle stimmt. Da ist die Nummer eins am Jahresende nicht wichtig. Und wenn die Sandplatzsaison Platz hat, ist das super, und wenn nicht .... Es ordnet sich alles dem unter. Damit fahre ich am besten, habe am meisten Freude und kann noch am längsten auf der Tour bleiben. Von dem her ist es sehr einfach.

Wo liegen denn die Probleme?

Es immer wieder zu schaffen, den Motor anzuwerfen und abzustellen, das ist das Geheimnis. Wie mache ich das, immer wieder? Manchmal denke ich schon, wenn ich mit Pierre (Paganini, Fitnesscoach, Anm.) auf dem Laufband bin: Wie oft muss ich denn das noch machen? Das ist schon nicht einfach, immer und immer wieder. Darum sind die Blöcke mit dem Konditionstraining immer eine große Herausforderung.

Wie motivieren Sie sich noch?

Da braucht es einen Super-Pierre, da brauche ich eine Superfrau, die mich immer wieder unterstützt, und da brauche ich Supercoachs, die mich auf jedes Match neu einstellen, mich im Training motivieren und mir, wenn ich zu ihnen schaue, das Gefühl geben: Hey, die wollen genauso sehr oder fast noch mehr als ich, dass wir gewinnen. Deshalb sind wir um die halbe Welt gereist. Alles ist noch wichtiger, wenn man weniger spielt.

BNP Paribas Open - Day 11

Roger Federer wünscht sich, dass seine Kinder Tennisspielen lernen. "Es wäre schön, wenn wir später ein wenig doppeln könnten."

(Foto: Matthew Stockman/AFP)

Wie lange kann es so noch weitergehen? Unbegrenzt?

Unbegrenzt? Was ist unbegrenzt? Aber klar, wenn man so will... unbegrenzt. Ich versuche jetzt einmal, dieses Jahr zu spielen. Für das nächste habe ich schon Ideen, wie ich es beginnen könnte. Aber - hey, es wird sich immer wieder zeigen. Man muss flexibel bleiben im Alter, das ist auch klar.

Stört Sie der Rummel um Ihre Person, der immer noch größer wird, teilweise herrscht da ja sogar eine Vergötterung?

Manchmal ermüdet es mich schon. Darum ist auch meine Planung wichtig - dass ich mich immer wieder komplett zurückziehen kann. Wenn diese Aufmerksamkeit immer präsent wäre, wäre ich nur noch erschöpft und könnte mich nicht mehr erfreuen am ganzen Drumherum. Aber wenn ich mich von allem abschotten kann und energiegeladen zurückkomme, denke ich jeweils: Genau so sollte es sein. Das ist dieser Spagat, von dem ich spreche und der extrem wichtig ist für mich. Aber es ist schön, und ich bin froh, dass es einen solchen Hype gibt um meine Person. Dass die Leute dermaßen Freude daran haben, mich noch spielen zu sehen - und, vor allem, dass ich das Spiel noch immer genieße und alles daran liebe. Und dass es mir Freude bereitet, dies zu teilen.

Die Reaktionen der Zuschauer sind Ihnen wichtig?

Ja, denn ich bin ja nicht nur einfach Tennisspieler, sondern auch Entertainer. Es ist nicht nur mein Erfolg, der zählt, sondern auch der eines Turniers. Wenn die Zuschauer nach Hause gehen und denken: Hey, das war cool, dass ich Federer spielen sah ... Dieser Kerl hat Freude, hat Spaß, der liebt das Tennis, hat alles gegeben, hat zu uns gesprochen. Das ist mir genauso wichtig.

Konkrete Ziele setzen Sie sich nicht mehr? Zum Beispiel Tokio 2020?

Nein, nein. Die Olympischen Spiele in Rio waren ein Ziel, aber jetzt möchte ich nicht mehr so weit vorausplanen. Wenn ich dabei bin, bin ich dann dabei. Aber ich sage nicht: In Tokio muss ich spielen.

Wäre der 100. Turniersieg ein Ziel oder die 109 Titel von Jimmy Connors?

Im Moment ist alles rollend, aber Priorität hat, gesund zu bleiben, Freude und Erfolg zu haben. Dann kommt alles zusammen, erreiche ich gewisse Dinge oder nicht. Und wenn ich das Gefühl habe, meine Ziele nicht mehr erreichen zu können, ist es besser, einmal aufzuhören, das ist auch klar.

Beim Hopman Cup in Perth sagten Sie, Sie seien Teilzeitarbeiter. Das war schwer zu glauben. Wie groß ist Ihr Aufwand?

Ich brauche einfach mehr Erholung, mehr Schlaf. Auch an freien Tagen muss ich mich mehr schonen als früher. Ich bin wohl auch etwas professioneller, weil ich nicht mehr so viel spiele. Weil ich weiß, dass ich mich abseits der Turniere gut erhole und andere Dinge mache, investiere ich an den Turnieren alles. Die Intensität, der Druck und der Stress sind dabei aber sehr hoch.

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