Tennis:Ernüchterung in Stuttgart

Fed Cup - World Group Semi Final - Germany vs Czech Republic

Angelique Kerber bei ihrer Niederlage gegen Karolina Pliskova.

(Foto: REUTERS)
  • Nach dem ersten Tag in Stuttgart liegt das deutsche Fed-Cup-Team im Halbfinale 0:2 gegen Tschechien zurück.
  • Angelique Kerber und Julia Görges verlieren ihre Einzel jeweils in zwei Sätzen.
  • Nun braucht die Mannschaft einen perfekten zweiten Tag.

Von Gerald Kleffmann, Stuttgart

Bezeichnend war der Ballwechsel, der zum ersten Matchball führte. Es war kein Ballwechsel. Karolina Pliskova schlug auf, bei 30:0. Angelique Kerber holte aus, ein Return mit der Rückhand. In hohem Bogen flog der Ball hinter die Grundlinie. 40:0. Zwei Punkte gelangen daraufhin zwar der 30 Jahre alten Deutschen, aber dann stach Pliskova mit einer Vorhand die Linie runter nochmals herzhaft zu: 7:5, 6:3 in 1:23 Stunden. Der Applaus unter den 4500 Besuchern war spärlich in der Stuttgarter Arena in Bad Cannstatt, zumindest die Anhänger der deutschen Mannschaft hielten sich enttäuscht zurück, während aus einer Ecke, in der eine kleine Kolonie an tschechischen Fans ordentlich Lärm gemacht hatte, letztmals Musikinstrumente ertönten.

Um zwölf Uhr mittags hatte dieses Halbfinale im Fed Cup begonnen - um kurz nach 15 Uhr war dieser erste Tag bereits beendet, mit einem aus deutscher Sicht ernüchternden Ergebnis: 2:0 führt Tschechien. Weil zuerst Petra Kvitova (WTA-Nr. 10) die 29 Jahre alte Julia Görges (Nr. 11) glatt besiegt hatte, mit 6:3, 6:2. Anschließend fand auch Kerber (Nr. 12) keine Mittel, um wenigstens einen dritten Satz zu erreichen. Dass das Fed-Cup-Team des Deutschen Tennis-Bundes zum achten Mal das Finale des wichtigsten Teamwettbewerbs erreicht, ist noch möglich. Aber es braucht jetzt eine makellose Bilanz an diesem Sonntag. Görges muss zum Auftakt ab 11 Uhr (live bei DAZN) ihr Einzel gegen Pliskova (Nr. 6) gewinnen, Kerber dann gegen Kvitova. Und im Doppel läge das deutsche Schicksal in den Händen von Anna-Lena Grönefeld und Tatjana Maria (zumindest wurden sie vorerst nominiert, wahrscheinlich würde Görges wohl für Maria spielen), die vermutlich Katerina Siniakova und Barbora Strycova gegenüberstehen würden.

Die Ernüchterung war bei den deutschen Darstellern zu spüren. Boris Becker, der als Head of Men's Tennis des DTB jüngst das knappe Viertelfinal-Aus der Männer in Spanien erlebt hatte, zog sich langsam sein Sakko wieder an, das er zuvor gegen die Trainingsjacke eingetauscht hatte. Als Special Guest hatte er das DTB-Team besucht. Überall ernste Gesichter, auch bei Barbara Rittner, Head of Women's Tennis, bei den vielen Funktionären des DTB, die dem Ereignis beiwohnten.

Kerber lässt die Schultern hängen

"Das war matchspezifisch vielleicht kein gelungener Einstand", sagte Görges zum Heimdebüt von Jens Gerlach als Teamchef. "Aber der Austausch mit ihm war sehr gut." Der 44 Jahre alte Stuttgarter hat Rittner im vergangenen August beerbt. Sein erster Einsatz in der ersten Runde in Minsk gegen Weißrussland glückte ihm gut, als das DTB-Team ohne Kerber und Görges mit 3:2 gesiegt hatte. Nun muss er andere Arbeit verrichten: die beiden besten Deutschen aufrichten. "Jetzt müssen wir erst mal einen Punkt holen", sagte Gerlach mit kämpferischem Unterton. Auch für ihn ist die Situation neu. "Jetzt gilt es zurückzuschlagen."

Kerber hatte gegen Pliskova nie richtig ihr Spiel gefunden. Wobei die Tschechin, immerhin 2017 auch mal die Nummer eins der Weltrangliste gewesen, trocken ihr aggressives, schnörkelloses Grundlinientennis aufzog. Erstaunlich, dass sie bis heute kein Grand-Slam-Turnier gewonnen hat. Ihr Aufschlag war eine Wucht, im wahren Wortsinne. 15 Asse platzierte sie. Mehr als in jeder Statistik lässt sich aber Kerbers Verfassung an ihrer Mimik, an ihrer Gestik ablesen. So oft sie in dieser Saison überzeugend agiert hatte nach ihrem schwierigen Jahr 2017, so sehr sprach ihre Körpersprache Bände: Blick nach unten, hängende Schultern, Abwinken. Vor allem wenn Kerber genervt ist, von sich oder auch vom Spiel der Gegnerin, kann sie herrlich genervt mit den Augen rollen. Das sind dann fast Wutblitze. An diesem Nachmittag blitzte es wieder.

Auf der Bank, bei Seitenwechseln, hatte Gerlach alle Mühe, Kerber wieder positiv zu justieren. "Für Negativismus ist hier kein Platz", hatte Görges zuvor nach ihrer Niederlage gesagt. Bei Kerber kam er aber doch phasenweise zum Vorschein. "Es war mein erstes Match auf Sand", setzte sie ihre Niederlage in Relation zu ihrem Saisonverlauf. Es war nicht zu übersehen, so sehr fremdelte sie.

"Das ist sehr erdrückend", sagt Görges über Kvitovas Stil

Zuvor hatte Görges ihr Einzel gegen Kvitova verloren. Ergebnis und Spieldauer spiegelten die Einseitigkeit wieder, 3:6, 2:6 in nur 60 Minuten. Dabei war Görges noch gut gestartet, hatte 3:1 geführt, mit einem Break. Aber Kvitova analysierte später richtig, dass sie trotz des Rückstandes "nicht schlecht begonnen" hatte. Görges hatte schlicht ein paar Fehler weniger fabriziert, doch rasch änderte sich das Machtverhältnis. "Ich hatte das Gefühl, ich bin nur am Laufen", sagte Görges, "mein Spiel ist, die Gegnerin unter Druck zu setzen, das hat sie mir nicht erlaubt." Weil Kvitova ihrerseits zu ihrem ureigentlichen Spiel zurückfand und dieses intensivierte. "Sie ist immer wieder ins Feld gegangen, das ist sehr erdrückend", schilderte Görges richtig.

Eine Statistik drückte dieses Übergewicht besonders gut aus: Als Görges mit dem zweiten Aufschlag servierte, schaffte sie nur vier von 18 Punkten. Kvitova ging auf die Bälle drauf, wie die Profis sagen. Auch bei den meisten anderen Werten war Kvitova besser. Ihr gelangen 15 direkte Gewinnschläge (Görges 10), und ihr unterliefen nur elf leichte Fehler (Görges 23). Aus solchen Komponenten setzen sich Siege und Niederlagen zusammen. Görges nahm ihre Niederlage sportlich, sie konnte sie für sich erklären. Auch dass sie als deutsche Nummer eins antrat, war für sie kein hemmender Faktor, wie sie meinte. Görges ist ohnehin viel zu aufgeräumt, um deshalb Druck zu spüren. Sie ergänzte noch: "Im Fed Cup ist alles möglich, das ist das Gute." Theoretisch stimmte das.

Um 15.45 Uhr stand Maria Scharapowa bereits auf dem Platz in der Stuttgarter Arena und trainierte (mit Übergangstrainer Thomas Högstedt) für den in kommender Woche stattfindenden Porsche Tennis Grand Prix. Die Tribünen waren bereits leer, die Leinwand war aus. Nichts flimmerte mehr. Und die Kapelle der Tschechen war auch weg. Am Sonntag wird sie wieder lärmen. Am Ende vielleicht so richtig laut.

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