Tennis:Ein Kuss für den Sand

Tennis Fed Cup - Romania vs Germany

Zwei überzeugende Auftritte: Angelique Kerber in Cluj.

(Foto: Robert Ghement/dpa)

Angelique Kerber führt das deutsche Team zum Klassenerhalt im Fed Cup. Den entscheidenden dritten Punkt holt Andrea Petkovic in einem dramatischen Match gegen Monica Niculescu.

Von Gerald Kleffmann, Cluj-Napoca/München

Als sie ihre Arbeit als Einzelspielerin verrichtet hatte, schritt Angelique Kerber noch mal auf den Sandplatz von Cluj-Napoca in der Sala-Polivalenta-Arena. Sie lächelte. Ihre Augen hatten wieder diesen speziellen Glanz, der an diese speziellen Tage im Januar erinnerte. "Die Atmosphäre hier ist toll, ich habe es genossen zu spielen", sagte sie bei ihrem ersten Interview nach ihrem Sieg. Am Samstag hatte die 28-Jährige bereits das Auftaktmatch im Abstiegsduell des Fed Cups mit Rumänien gegen Irinia-Camelia Begu klar dominiert, 6:2, 6:3 nach 85 Minuten. Am Sonntag ließ die Weltranglisten-Dritte die Weltranglisten-Sechste Simona Halep wie eine Sparringspartnerin aussehen. 6:2, 6:2 nach 67 Minuten. Zwei Punkte hat Kerber wie auf Befehl fürs deutsche Team beigesteuert und ihren Stellenwert untermauert: Sie ist die Säule des deutschen Frauentennis - sie führte nun ihr Team zum Verbleib in der Weltgruppe I. Den entscheidenden dritten Punkt aber feierte Andrea Petkovic, die Monica Niculescu 0:6, 7:6 (1), 6:3 niederrang.

Andrea Petkovic wehrt zwei Matchbälle ab: "Das war sehr emotional für mich."

Damit konnten die Tennisfrauen, betreut von Bundestrainerin Barbara Rittner, den Absturz in eine Warteschleife verhindern. Es hätte wohl mindestens zwei Jahre gedauert, um wieder einmal die Chance auf den Titel zu haben. In der Weltgruppe II wird erst nächste Saison wieder gespielt, die nächste Titelaussicht hätte dann frühestens 2018 bestanden. "Das war sehr emotional für mich", sagte Petkovic, die beim Stand von 5:6 und 15:40 im zweiten Satz gar zwei Matchbälle von Niculescu abgewehrt hat. Die gleichaltrige Rumänin, mit einer der schönsten, schlimmsten Vorhand-Slice-Sägen, ist als 31. in der Weltrangliste einen Rang hinter Petkovic postiert. Die 3:1-Führung machte das angesetzte Doppel bedeutungslos, umkämpft war es trotzdem: Annika Beck und Julia Görges gewannen es gegen Begu/Dulgheru 6:7 (5), 7:6 (4), 10:7. Aus deutscher Sicht bewahrheitete sich ein altes Gesetz: Diese Fed-Cup-Woche hat häufig therapeutische Wirkung für Spielerinnen, die zuvor mit sich auf der normalen Tour gehadert haben.

Diesmal haben sich Petkovic und auch Kerber selbst reanimiert, jede auf ihre Art. Australian-Open-Siegerin Kerber hat ihr kleines Formtief nach ihrem Karriere-Höhepunkt überwunden, was sie erleichtert zur Kenntnis nahm mit den Worten: "Ich habe meine innere Ruhe wiedergefunden." Das machte sich auch in der Partie gegen Halep bemerkbar. Sie agierte aggressiv und ließ auch mit ihrer Körpersprache erkennen, dass sie die Chefin sein wollte. Ihre statistischen Werte gegen Halep kann sich Kerber jedenfalls einrahmen und an die Wand hängen: 21 direkte Punktgewinne, allein 14 mit der Vorhand. Von 40 ersten Aufschlägen, die nachweislich nicht zu den besten in der Branche zählen, verbuchte sie 28 Punkte, beim zweiten Aufschlag gar 14 von 15 Punkten. Kerber strahlte ihren Melbourne-Modus aus, "Ker-Boom" war wieder da; so war sie in Australien von Zeitungen gefeiert worden. Bei ihren beiden Einzeln von Cluj-Napoca konnte man sich gar nicht mehr vorstellen, dass sie seit ihrem größten Triumph fünf Niederlagen kassiert hat und bei der letzten, im Halbfinale des WTA-Turniers in Charleston, entkräftet gegen Sloane Stephens aufgeben musste. Auch das unterscheidet sie von ihren deutschen Profi-Kolleginnen: Sie schafft es am schnellsten, sich nach negativen Erlebnissen frei zu machen.

7500 Zuschauer veranstalten einen Lärm wie bei einem Fußballspiel

Bei Petkovic könnte es noch etwas dauern, bis sie wieder ihre frühere Bestform erreicht, sie kämpfte auch gegen Niculescu noch sichtlich mit ihrer inneren Unruhe. "Ein bisschen verzweifelt", räumte sie ein, sei sie nach dem 0:6 im ersten Satz gewesen. Elf unerzwungene Fehler verdeutlichten ihre Unsicherheit vor den 7500 Zuschauern, die Fahnen schwenkten, tröteten und einen Lärm veranstalteten wie bei einem Fußballspiel. Petkovic versuchte, sich durch Blickkontakt zu ihren Teamkolleginnen und den Betreuern hochzuziehen, "ich wollte es für die Mädels machen", sagte sie und unterschlug im Moment der Euphorie, dass auch sie diesen Erfolg ganz dringend gebraucht hatte. Petkovic neigt dazu, zu verzweifeln, wenn es nicht so läuft. Zuletzt hatte sie sich beim Turnier in Charleston als "useless", nutzlos, bezeichnet. Auch ihre knappe Niederlage vom Samstag gegen Halep förderte nicht ihr Selbstvertrauen. Als sie ihren ersten Matchball verwandelt hatte, kniete sie nieder und küsste den Sand. Es war wahrlich ein spezieller Kuss.

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