Tennis:Die Probleme einer alleinerziehenden Tennis-Mutter

Miami Open 2018 - Day 9

Langer Weg zurück an die Spitze: Victoria Azarenka.

(Foto: AFP)
  • Victoria Azarenka erreicht bei den Miami Open überraschend das Halbfinale.
  • Acht Monate hat die Weißrussin pausieren müssen, weil sie in einem Sorgerechtsstreit um ihren Sohn gekämpft hat.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen im Tennis.

Von Matthias Schmid

Victoria Azarenka hat ihren einjährigen Sohn Leo stets bei sich. Auch wenn sie in dieser Woche auf dem Tennisplatz von Key Biscayne steht, um an ihrem Vorhand-Topspin oder ihrem Rückhandvolley zu feilen. Selbst während einer offiziellen Partie bei den Miami Open begleitet er sie - zumindest auf ihren Schuhen. Die Weißrussin hat seinen Namen darauf drucken lassen, "sogar auf meinem T-Shirt steht er", hat sie in dieser Woche verraten. Nicht weil sie an ihn erinnert werden müsste, "sondern damit er ganz nah an meinem Herzen ist."

In Florida genießen sie die Zeit, die sie gemeinsam verbringen, sie bauen Sandburgen am Strand, Dinge eben, die Mamas und Söhne so machen. Es ist das erste Mal seit acht Monaten, dass sie gemeinsam verreist sind. Azarenka hat Leo zum Tennisturnier nach Key Biscayne mitgenommen, auf eine Insel, die vor Miami liegt. Sie kann endlich wieder ihrem Beruf nachgehen, Tennis spielen, erfolgreich dazu, sie steht nach dem Zweisatzsieg über Karolina Pliskova überraschend im Halbfinale des mit acht Millionen Dollar dotierten Wettbewerbes. "Es fühlt sich gut an", gibt sie mit Blick auf die lange Auszeit zu. Es war eine unfreiwillige Pause, die etwas mit Asarenkas Sohn zu tun hat.

Sie und Leo haben in den vergangenen Monaten viel durchgemacht, die 28 Jahre alte Tennisspielerin hat gelitten, gehadert und leidenschaftlich um ihren Sohn gekämpft. "Es wird noch einige Zeit vergehen, bis alle Wunden geheilt sind", hat Azarenka in Key Biscayne erzählt. Ein Sorgerechtsstreit mit dem Vater des Kindes in Los Angeles hat dazu geführt, dass sie Kalifornien in den vergangenen acht Monaten nicht mehr verlassen hat, sie wollte ihren Sohn nicht allein zurücklassen, um irgendwo auf dem Planeten Tennis zu spielen. Ein Gesetz schreibt vor, dass das Kind im Bundesstaat bleiben muss, bis eine Lösung gefunden worden ist. Sie hat deshalb seit Wimbledon im vergangenen Sommer bei keinem Turnier mehr mitgemacht.

Azarenka sucht nach der richtigen Balance im Leben

Finanziell konnte sich Azarenka eine berufliche Pause natürlich erlauben, als erfolgreiche Tennisspielerin hat sie genug verdient. Aber sie wollte endlich wieder ein selbstbestimmtes Leben führen. "Ich will so viel Zeit wie möglich mit Leo verbringen, aber auch weiter Tennis spielen." Sie sucht - wie andere Eltern auch - nach der richtigen Balance im Leben. Und ihr scheint das immer besser zu gelingen, zumindest was ihre Leistungen auf dem Platz anbelangt.

Nachdem die frühere Weltranglistenerste und zweifache Grand-Slam-Gewinnerin Anfang März in Indian Wells mit einem Erstrundensieg auf die Tour zurückgekehrt ist, hat sie nun in Florida das Halbfinale erreicht, wo sie am Donnerstag auf die US-Open-Siegerin Sloane Stephens trifft, gegen die sie ihr zweites Spiel zuvor in Kalifornien verloren hatte.

Tennismütter werden für ihre Schwangerschaft bestraft

Wie schwierig es ist nach einer Schwangerschaft wieder den eigenen hohen Ansprüchen zu genügen, darüber kann auch die 23-malige Majorsiegerin Serena Williams viel erzählen, auch wenn sie sich keine Sorgen um ihr Kind machen musste. Sie war nach der Geburt ihrer Tochter in der Weltrangliste von Rang eins auf Rang 491 zurückgefallen, 13 Monate hat sie pausiert und seitdem zwei Turniere gespielt, die jedes Mal früh für sie beendet waren, weil sie auf gesetzte Spielerinnen traf.

Die Regeln der Spielerinnenorganisation WTA stufen die Tennismütter wie Williams und Azarenka nach ihrer Rückkehr ein, als hätten sie sich das Bein gebrochen, sie müssen wieder von vorne anfangen, lediglich bei acht Turnieren haben sie ein Startrecht im Hauptfeld sicher, gesetzt werden sie nicht. Das sehen viele in der Szene als ungerecht an, weil die großen Namen gleich auf die im Augenblick stärksten Spielerinnen treffen können." So etwas sollte nicht passieren", sagt der frühere Weltranglistenvierte und Indian-Wells-Turnierdirektor James Blake, "Serena hat so viele Turniere gewonnen, da hat sie Schutz verdient."

Eine Schwangerschaft bringe aber nicht nur Nachteile mit sich, sagt Azarenka. Vor allem ihr Blick auf den Sport hat sich durch die Geburt ihres Kindes verändert. Vieles habe sich dadurch relativiert, vor allem Niederlagen haben ihren Schrecken verloren. Tennis sei nur ein Job, sagt sie, "das mache ich nur für eine kurze Periode, Mutter bleibe ich ein Leben lang."

Azarenka hat während der Pause ihr Repertoire erweitert

Ihre unverkrampftere Herangehensweise hat Asarenka bei den Miami Open bereits geholfen. Sie spielte bei den stürmischen Bedingungen im Viertelfinale gegen Pliskova schlauer als ihre Konkurrentin, sie bewegte sich gut und mixte das Tempo, sie schlug mal langsamer, mal schneller auf die Bälle. "Und mit viel Gefühl", wie sie selbst hervorhob. Eigentlich ist Asarenka für ihre wuchtigen Grundschläge bekannt. Aber sie hat die lange Spielpause genutzt, um ihr Repertoire zu erweitern, sie verkürzt die Ballwechsel nun auch vorne am Netz.

"Ich genieße es, dass ich mich noch immer verbessern kann", sagte sie nach dem Sieg gegen Pliskova, der sie wieder unter die besten 100 bringen wird. Auch gegen Stephens hat sie sich viel vorgenommen. Sie will das Turnier jetzt gewinnen. "Deshalb trete ich an", sagt Victoria Azarenka selbstbewusst. Key Biscayne scheint dafür der richtige Ort zu sein. Den letzten ihrer 20 Titel holte sie vor zwei Jahren: hier in Miami. Sollte sie tatsächlich gewinnen, dann wird Leo vielleicht sogar bei der Siegerehrung mit seiner Mutter feiern können.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: