Tennis:Die Nächste, bitte

Kerber, Williams, Pliskova, Muguruza und nun Halep: Noch nie seit 1975 waren so viele Tennis-Spielerinnen in nur einer Saison auf dem ersten Weltranglistenplatz.

Von Gerald Kleffmann, Peking/München

Dieses Mal gab es immerhin noch während eines Turniers eine Zeremonie. Eine 1, aus Rosen geflochten, wurde Simona Halep überreicht, die Rumänin drückte die Gabe inniglich. "Das ist sehr emotional", sagte sie, während die Menschen auf den Tribünen in Peking applaudierten. "Es ist das erste Mal, dass ich auf dem Platz weine." Zuvor hatte Halep im Halbfinale gegen die Lettin Jelena Ostapenko 6:2, 6:4 gewonnen und damit im vierten Versuch ihren Traum vom Erklimmen der Nummer-eins-Position in der Weltrangliste wahr gemacht. In Paris, bei den French Open, hätte sie für diesen Schritt im Finale nur gewinnen müssen, scheiterte aber trotz Führung an Ostapenko. In Wimbledon und Cincinnati hätte sie die Beste werden können, verlor jedoch wieder zu früh. "Im ersten Moment konnte ich es noch gar nicht zu hundert Prozent glauben, daher kamen mir die Tränen", gab die 26-Jährige aus Constanta nun erleichtert zu, "das ist der beste Augenblick in meinem Leben, den möchte ich am liebsten behalten. Aber ich habe noch mehr Träume für meine Karriere." Zum Beispiel will sie nach zwei verlorenen Endspielen in Paris auch endlich einmal einen Grand-Slam-Titel bei einem der vier wichtigsten Turniere erringen.

Das Finale von Peking hat Halep am Sonntag verloren, 4:6, 6:7 (3) gegen die Französin Caroline Garcia. Aber auch das passt zu diesem Tennisjahr und den kuriosen Ereignissen, die sich ganz vorne in den Top Ten seit Saisonbeginn abspielen.

Serena Williams wurde sogar die Nummer eins, als sie pausierte

Seit 1975, seit die Rangliste im Frauentennis geführt wird, gab es noch nie derart viele Wechsel an der Spitze wie 2017. Halep ist die fünfte Spielerin, die seit Januar zur Nummer eins aufsteigt, es ist bereits die siebte Ablösung in diesem Zeitraum, zwei andere Darstellerinnen waren auf den zuvor verlorenen Thron zurückgekehrt. Die Deutsche Angelique Kerber, 29, 2016 überragende Akteurin mit Siegen bei den Australian Open und US Open, war vom 12. September 2016 bis 29. Januar 2017 die Führende. Mit dem Erfolg in Melbourne verdiente sich die Amerikanerin Serena Williams, 36, die Pole Position zurück. Das muntere Wechselspiel zwischen den beiden ging weiter. Kerber wurde am 20. März erneut die Eins, ab 24. April war Williams vorne, ab dem 15. Mai Kerber nochmals. Nach neun Wochen drang die Tschechin Karolina Pliskova nach oben, die wie Halep noch ohne großen Titel ist. Acht Wochen später wurde die Spanierin Garbiñe Muguruza die Nummer eins, jetzt rutscht die aktuelle Wimbledon-Siegerin wieder ab. Eine andere Statistik verdeutlicht, wie ungewöhnlich 2017 ist: 25 Spielerinnen hielten seit 1975 den Nummer-eins-Platz - ein Fünftel von ihnen schaffte es somit allein in den vergangenen gut neun Monaten.

Die Turbulenzen hängen vor allem mit einer Spielerin zusammen: Als Serena Williams der Tenniswelt im April offenbarte, dass sie schwanger sei und sich bis Ende dieses Jahres zurückziehen werde, hinterließ sie ein Vakuum. Bis dahin hatte sie die Konkurrenz dominiert, sie hatte gar mit der inzwischen geborenen Tochter Alexis Olympia im Leib bei den Australian Open triumphiert. Für die Frauentour war dies eine ungewohnte Ausgangslage, plötzlich, ohne Überfigur im Tableau, rechneten sich wesentlich mehr Spielerinnen Chancen aus, zurecht. Noch allerdings war der Vorsprung von Williams so groß, dass eine bizarre Situation eintrat: Obwohl sie schon nicht mehr an Turnieren teilnahm, wurde sie Ende April nochmals die Nummer eins. Auch deshalb, weil Kerber, ihre ärgste Verfolgerin zu der Zeit, zu inkonstant agierte, wie im gesamten Jahr. Überhaupt sortierte sich das Feld neu, weil sich auch andere anders entwickelten als gedacht.

Die Russin Maria Scharapowa, nach ihrer Dopingsperre zurückgekehrt, war aufgrund des Rückstandes und Verletzungen doch kein Faktor. Die Weißrussin Viktoria Asarenka kehrte zwar früher als erwartet nach ihrer Babypause zurück, doch ein Sorgerechtsstreit hat sie bereits wieder aus dem Tennisalltag befördert. Sie hat extrem abgenommen, ihre Rückkehr ist ungewiss. So nutzten zwei Junge die Lücke, in Paris siegte Ostapenko, bei den US Open die Amerikanerin Sloane Stephens, während die Etablierten selbst als Nummer eins wiederholt früh patzten. Halep ist zurzeit eben die Konstante unter den Unsteten, sie selbst schied etwa in Melbourne und New York in der ersten Runde aus. Für die Weltrangliste zählen die Resultate der zurückliegenden 52 Wochen.

Die nächste Kandidatin drängt sich bereits auf. Garcia, 23, holte in Peking nach Wuhan den zweiten Titel in Serie. Der Schotte Andy Murray hatte schon 2011 prognostiziert, dass die Französin eines Tages die Nummer eins werden könne. Mit einem Lauf im Frauentennis ist derzeit viel möglich.

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