Tennis:Die Aufsteherin aus Puszczykowo

Bank of the West Classic - Day 7

"Ich kann nicht mehr!": Angelique Kerber besiegte im Finale von Stanford innere Krisen und rang die Tschechin Karolina Pliskova in drei Sätzen nieder.

(Foto: Ezra Shaw/AFP)

Angelique Kerber enttäuscht oft bei Grand Slams, auf der Tour glänzt sie - in Stanford holt sie ihren siebten Titel.

Von Gerald Kleffmann, Stanford/München

Da stand Angelique Kerber, der Rücken kerzengerade, sich zu allen Seiten drehend, wie ein Showmaster hielt sie das Mikrofon, in das sie mit fester Stimme sprach. Kerber dankte ihrer Gegnerin Karolina Pliskova, die sie mit den Worten tröstete, sie würden sicher "noch viele Finals gegeneinander spielen". Sie wandte sich an die Sponsoren, Organisatoren und Ballkinder, "ohne die das Turnier nicht möglich" sei. Sie lobte "Torben and Alex", Coach Torben Beltz und ihren neuen Physio Alex Stober, "für den Glauben und die Hilfe". Zum Schluss, Kerber hat sich wirklich keinmal verhaspelt, sie hat flüssig alles auf Englisch vorgetragen, schwärmte sie von den Fans, die für eine "fantastische Atmosphäre" sorgten. Kerber weiß eben nach vier Turniererfolgen 2015, wie Siegerreden gehen. Diese Sicherheit spiegelte sich am Sonntag in ihrem Auftritt wider.

Die 27-Jährige, die drei Jahre lang in den Top Ten platziert gewesen war, ehe sie im Februar diesen elitären Klub verlassen musste, nähert sich nun als Elfte der Weltrangliste diesem Zirkel wieder an. "Dieser Erfolg bedeutet mir sehr viel", sagte die 27-Jährige aus Kiel, die ihren Wohnsitz in ihrer Familienheimat Polen hat, in Puszczykowo. Dass diese Einordnung keine Phrase ist, darf man ihr umso mehr abnehmen, wenn man ihre Bilanz bei den Grand Slams in diesem Jahr berücksichtigt. In Melbourne schied sie in der ersten Runde aus, in Paris und Wimbledon in der dritten Runde. 2015 ist ein typisches Kerber-Jahr: Sie glänzt bei kleineren Anlässen, bei großen fehlt ihr irgendetwas zum Durchbruch.

Vier Saison-Erfolge - das hat sonst nur Serena Williams geschafft

Von all den Spielerinnen, die keinen klaren Gewinnhieb besitzen, ist Kerber dennoch mit die beste. Das ist ihr Los. Sie hat zwar nicht drei Grand Slams in 2015 gewonnen sowie das millionenträchtige WTA-Turnier in Miami, wie Serena Williams. Aber sie hat nun auch vier Turniere gewonnen wie die Branchen-Dominatorin. Das gelang keiner anderen auf der Tour. Und das auf vier verschiedenen Belägen: in Charleston auf grüner Asche, in Stuttgart auf roter, in Birmingham auf Rasen, in Stanford auf Hartplatz. Kerber hat mal im Tennis Magazin eingeräumt, dass sie es selbst erstaunlich finde, was sie aus ihren Möglichkeiten heraushole. Eine treffende Einschätzung. Denn um Gegnerinnen wie Serena Williams oder Maria Scharapowa dauerhaft zu gefährden, fehlt Kerber ja ein außergewöhnlicher Schlag. Sie hat keine krachende Vorhand, keine überragende Rückhand, ihr Aufschlag ist eine Schwachstelle, weil zu langsam. Dass sie aber mehr als acht Millionen Dollar erspielt hat, zeigt, wie effektiv Kerber mit anderen Fähigkeiten dieses Manko kompensiert. "Sie ist eine der größten Kämpferinnen auf der Tour. Ich will keine Finals mehr gegen sie spielen", sagte bezeichnend die in Stanford mit 3:6, 7:5, 4:6 unterlegene Tschechin Pliskova. "Sie war unheimlich beweglich und verteidigte großartig, so dass es für mich noch schwieriger war, als es das in den vergangenen Spielen gewesen ist." Nur 14 Fehler unterliefen Kerber im Finale, ein sehr niedriger Wert, der Pliskova zusetzte. Denn wann immer Kerber den Ball zurückbrachte ins Feld, stieg die Wahrscheinlichkeit, dass die schlagkräftige, 1,86 Meter große Gegnerin den Fehler machte - 52 hatten sich am Ende summiert.

Im Idealfall ist Kerbers Spiel tatsächlich attraktiv, weil sie wie eine aufgezogene Figur die Bälle verteilt und den Platz gut abdeckt. Voraussetzung dafür ist allerdings vor allem ein gesunder Körper. "Es ist harte Arbeit, wirklich richtig fit zu werden", gab Kerber zu, die im Mai etwa in Nürnberg wegen Rückenproblemen zurückziehen musste. Sie wusste indes auch: "Am Ende zahlt sich das aber auf dem Platz aus." Auch innere Krisen, die ihr gerade bei Grand Slams, wenn der Druck höher ist, oft zusetzen, hatte sie diesmal überstanden. "Ich kann nicht mehr!" und: "Ich spüre den Ball nicht!", hatte sie ihrem Coach zugerufen. Aber sich immer wieder zu motivieren, aufzustehen, ist Kerbers größte Stärke, die also auch im August ihren Trend 2015 fortsetzt. Enttäuschungen kontert sie mit Triumphen auf der Tour. Das ist eine große Qualität.

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