Tennis:Dementi vom Donnergott

Eine bewegende Geschichte: Warum trennte sich Andy Murray wirklich von seiner französischen Trainerin Amélie Mauresmo?

Von Philipp Schneider, Paris

Zwei Dinge hatte sich Andy Murray vorgenommen vor seinem Match gegen den 37-jährigen Ivo Karlovic, den ältesten Spieler, der je in der dritten Runde der French Open gestanden hatte. Murray wollte endlich Ruhe bringen in eine Debatte, die ihn in Paris verfolgt. Und er wollte seine Kräfte schonen gegen den kroatischen Aufschlagriesen. Der letzte Plan ging auf, nach einem 6:1, 6:4, 7:6 steht Murray im Achtelfinale. Und dass er so locker gewann, mag auch daran liegen, dass er die Debatte allmählich in den Griff bekommt.

In den Tagen zuvor war Murray noch so ungelenk durch das Turnier gestolpert, dass sich die britischen Journalisten schon von Weitem an den Falten auf der Stirn erkennen ließen. In den ersten beiden Runden musste Murray zweimal fünf Sätze spielen. Für sein Match gegen den 37 Jahre alten Tschechen Radek Stepanek brauchte Murray eine halbe Stunde länger als der Regisseur David Lean, um sein Monumentaldrama "Doktor Schiwago" zu erzählen. 220 Minuten dauerte die Partie, sie zog sich über zwei Tage. Danach traf Murray auf einen 22-jährigen Franzosen, der außerhalb von Avignon weitgehend unbekannt ist: Mathias Bourgue, Nummer 164 der Welt, hatte in seiner Karriere noch nie fünf Sätze gespielt, nun quälte er einen zweimaligen Grand-Slam-Sieger auf dem Court Philippe Chatrier 214 Minuten lang. Was war nur los mit Andy Murray?

Andy Murray

Andy Murray, 29.

(Foto: Gonzalo Fuentes/Reuters)

Auf dem Weg zu einem Major-Titel gilt es, die Kräfte klug einzuteilen. Der Argentinier Gaston Gaudio, Spitzname "el Gato", die Katze, gewann 2004 die French Open, obwohl er für die ersten zwei Siege zehn Sätze benötigte. Murray ist keine Katze, eher ein Elefant, der manchmal träge lostrampelt, aber er sagte: "Wenn du solche Matches spielst, kannst du nicht erwarten, das Turnier zu gewinnen."

An der Physis schien es bei Murray nicht zu liegen, dass er so schwer in Gang kam. Murray wirkte merkwürdig abgelenkt. Und auf die Frage, ob der Grund hierfür die seit Tagen andauernde boulevardeske Berichterstattung über ihn sein könnte, sagte er: "Natürlich hat mich die Geschichte abgelenkt, weil sie nicht wahr ist." Er meinte eine Geschichte, die ganz Frankreich umtreibt und die auch die Briten aufwühlt. Weil sie so eine schöne Mischung aus Drama und Herzschmerz ist, mit zwei wunderbaren Protagonisten. Frankreich und England grübeln, wer mit wem Schluss gemacht hat: der Schotte Murray mit der Pariserin Amélie Mauresmo? Oder Mauresmo mit Murray?

Anfang des Monats war die erste, spektakuläre Zusammenarbeit eines Tennisprofis mit einer Trainerin in der Geschichte dieses Sport auf vermeintlich unspektakuläre Weise zu Ende gegangen. Berichtet wurde natürlich trotzdem weltweit. Männer, die Frauen trainieren, hatte es schließlich schon reihenweise gegeben, aber umgekehrt? Zu den Hintergründen äußerte sich zunächst Murray. Er meinte, es sei schwierig, seine Trainerin so selten zu sehen, er wünsche sich eine intensivere Betreuung. Was Mauresmo, die im vergangenen Sommer Mutter geworden ist, sogar bestätigte, obwohl sie Murray nie einen Rund-um-die-Uhr-überall-auf-der-Welt-Service versprochen hatte.

Amelie Mauresmo

Amélie Mauresmo, 36.

(Foto: Tony O'Brien/Reuters)

Vor dem Start der French Open gab die ehemalige Weltranglistenerste der L'Equipe ein Interview, in dem sie andeutete, dass es noch eine ganz andere Erklärung geben könnte für die Trennung. Murray sei eine "sehr komplexe Persönlichkeit", sagte Mauresmo. Auf dem Platz verkörpere er zuweilen genau "das Gegenteil von dem, was er wirklich ist. Es ist verwirrend. Ich wollte ihm helfen. Aber irgendwann hatte ich das Gefühl, dass ich das nicht mehr erreichen kann." Ganz plötzlich bekam eine triviale Trennungsgeschichte einen unerwarteten Spannungsbogen. Es klang nicht mehr so, als hätten sich zwei Menschen auf der Suche nach mehr Nähe getrennt, sondern im Streben nach mehr Distanz. Zumal zwei Tage später in der französischen Sportzeitung das nächste Interview erschien, diesmal mit Murray, der einräumte, manchmal schäme er sich im Nachhinein selber für sein Verhalten auf dem Platz. Auf den ersten Blick sah es also so aus, als reagiere Murray mit einem Geständnis auf Mauresmos Anklage. Doch auf das Interview folgte ein Dementi: Dieser Eindruck entstehe fälschlicherweise, sagte Murray. "Fakt ist: Ich habe das Interview vor dem Turnier gegeben, bevor jenes von ihr erschienen ist. Nun sieht es aus, als hätten wir eine sehr unschöne Trennung gehabt. Das entspricht nicht der Wahrheit." Und jetzt weiß in diesem Rosenkrieg, dieser Causa Murraysmo, wirklich niemand mehr, wer sich hier von wem getrennt hat, und warum überhaupt.

Was bei Murray verstören kann, das ist der Kontrast zwischen dem Lausbub aus Dunblane, der als Schotte in Lederhosen schlüpft, nur um den Veranstaltern eines Tennisturniers in München zu gefallen, und dem Donnergott, in den er sich verwandelt, sobald er mit seinem Spiel nicht zufrieden ist. Murray blickt dann mit grimmigem Blick nach oben in seine Box, in der in Paris nur noch der robuste Glatzkopf Jamie Delgado sitzt. Manchmal ballt er die Hand zur Faust, und sehr oft bellt Murray Knackiges zu Delgado hoch, das eigentlich nur für seine Ohren bestimmt sein dürfte. Murray ist eben so.

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...deutsche Frauen sind noch im Wettbewerb bei den French Open, es ist das schlechteste Ergebnis seit sechs Jahren. Als letzte Spielerin schied Annika Beck in der dritten Runde aus. Die 39. der Weltrangliste verlor mit 4:6, 6:2, 1:6 gegen die Rumänin Irina-Camelia Begu. "Damit kann man nicht zufrieden sein, das war nicht unser Turnier. Viele konnten hier einfach nicht ihr bestes Tennis abrufen - aus diversen Gründen", sagte Fed-Cup-Teamchefin Barbara Rittner. Nur noch der 19 Jahre alte Alexander Zverev hat die Chance, die schwache Bilanz zu verbessern. Er trifft am Samstag im Spiel um den Einzug ins Achtelfinale auf den drei Jahre älteren Österreicher Dominic Thiem. Zehn Frauen und sieben Männer hatten in der Hauptrunde der 115. French Opengestanden.

Bevor es mit Murray auseinanderging, hatte Mauresmo einen letzten Trick versucht; beim Turnier in Miami setzte sie sich überraschend nicht in die Box, sondern auf einen anderen Platz im Stadion: "Ich möchte keine Details nennen. Aber ich habe da etwas probiert." Amélie Mauresmo wollte sich vor Andy Murray verstecken.

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