Tennis:Das böse M-Wort

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"Wörter, Artikel zählen nicht im Leben": Maria Scharapowa antwortet in Stuttgart auf Doping-Fragen.

(Foto: Oliver Lerch/imago)

Maria Scharapowa ist zurück - und spielt das Doping-Thema herunter. Ihr sportlicher Auftritt in Stuttgart verläuft deutlich überzeugender als ihre Erklärungen danach.

Von Gerald Kleffmann, Stuttgart

Sie war erstaunlich gut in Form, sie parierte jeden Angriff, obwohl sie lange weg war. Sie war in ihrem Element. Ja, diese Bühne beherrscht diese spezielle Sportlerin, gerade wenn es in hohem Tempo hin und her geht. Aber dann kam ein Moment, in dem sie verspannte.

Ob sie ein Ersatzmittel für Meldonium gefunden habe, das erlaubt sei, wurde sie am Mittwochabend von einem britischen Reporter gefragt. Zuvor hatte Maria Scharapowa beschwingt über ihren 7:5, 6:3-Sieg gegen die Italienerin Roberta Vinci in ihrem ersten Match nach Ablauf ihrer 15-monatigen Dopingsperre tiriliert. Vor allem ihr Aufschlag war eine Pracht. Sie sprach vom vielen Training, von Menschen, die Karten kaufen und Leistungen sehen wollen, alles hehre Ansichten. Sie offenbarte, fast klang es wie ein Geständnis, sie habe das Gefühl vermisst, auf dem Platz Situationen zu meistern, sie nannte sie "Puzzle-Spiele". Nun fiel das M-Wort, jenes in Russland - aber nicht in ihrer Wahlheimat USA - geläufige Herzmittel, das sie zehn Jahre lang einnahm, weil sie dadurch weniger anfällig für Erkältungen war. Anfang 2016 war es als leistungssteigernd eingestuft und für Profis verboten worden. Scharapowa war darüber gestolpert, weil sie das Mittel nicht abgesetzt hatte. Als das Wort fiel, transformierte die Vermarktungskönigin zur schmallippigen Eislady, die offenbar niemandem eine Erklärung schuldig ist. "Diese Information liegt zwischen mir, der WTA (Frauentour) und meinem Orthopäden, mit dem ich nun arbeite", sagte die Russin. War denn was?

Scharapowa weiß, wie sehr die WTA sie als Werbefigur braucht

Für eine Sekunde herrschte beklemmende Stille im Presseraum des Porsche Tennis Grand Prix, in dem 100 Leute saßen und standen und später der Welt vom ersten verbalen Auftritt der nun also bekanntesten Ex-Dopingsünderin der Tennisgeschichte berichteten, denn seit diesem 26. April gilt sie formal ja wieder als resozialisiert. Anhand ihrer Mimik war zu erkennen: Scharapowa war nicht erfreut, dass ihr Fall angeschnitten wurde. Die britische Presse hatte gar von Gerüchten geschrieben, ihr Management wollte vorher nur Fragen zum Sport gestatten. Immerhin hörte sich Scharapowa nun jede Frage an. Was nicht hieß, dass sie auf jede einging.

Wer sich nur die Antworten zu Gemüte führte, konnte glauben, Scharapowa habe ein freiwilliges Sabbatical absolviert. Sie erzählte, wozu sie "Gelegenheit" hatte. Sie habe studiert (sie machte einen zweiwöchigen Kurs). Geschäfte vorangetrieben. Freundschaften geformt. "Für eine Frau, eine 29 Jahre alte, war das sehr befreiend", resümierte Scharapowa, und das war der Punkt, an dem nur noch ein Töpferkurs in der Toskana fehlte, um ihr vollends zu einer kreativen Auszeit zu gratulieren. Dass die viele Jahre bestverdienende Sportlerin der Welt, die sich mal als "Pedantin" im positiven Sinne bezeichnet hatte, beim sensibelsten Thema, der Dopingthematik, nach Lage der Dinge mindestens fahrlässig selbst geschlampt hatte? Selbstkritik? Demut? Schimmerte nicht einmal in Ansätzen durch. Dabei hatte sie im März 2016, als sie ihre positive Probe publik gemacht hatte, noch so schön auf einer Pressekonferenz in Los Angeles den Kniefall zelebriert.

Mit Verbüßung der von 24 auf 15 Monate reduzierten Strafe scheint der Kurs Scharapowas ein anderer geworden zu sein. Zuletzt attackierte sie den Weltverband ITF, der sie unzureichend informiert habe. Dass sie anderen Wildcards wegnehme, das ein falsches Zeichen sei an die junge Generation? Ihr Konter: Sie mache ihren Job. Mit ziemlicher Sicherheit weiß Scharapowa, wie sehr die Tour sie als PR-Figur braucht. Zudem, vielleicht ist Reue zu viel verlangt von jemandem, der sich ja tatsächlich auf beeindruckend furchtlose, zielstrebige Art von Sibirien bis in den Tennis-Olymp gebissen hat, den sie schon als 17-Jährige mit ihrem Wimbledon-Triumph erklomm.

Ihre im Herbst kommende Biografie heißt "Unstoppable". Dass sie diese Haltung lebt, machte sie in Stuttgart nicht nur auf dem Platz klar. "Wörter, Zitate, Artikel zählen nicht im Leben", sagte sie. "Es gibt einen Nachrichtenkreis und der verschwindet wieder." Jeder Sieg hilft ihr jetzt, das M-Wort vergessen zu lassen.

Am Donnerstag legte sie mit 7:5, 6:1 gegen Landsfrau Jekaterina Makarowa nach. Titelverteidigerin Angelique Kerber verlor am Abend indes 2:6, 5:7 gegen die Französin Kristina Mladenovic und bot dabei eine schwache Leistung.

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