Tennis-Comeback:Eckige Wellen

Tennis Australian Open 2017, Melbourne, Australia - 16 Jan 2017

"Nicht überdenken": Roger Federer beim Match gegen Jürgen Melzer.

(Foto: EPA)

Nach sechsmonatiger Zwangspause bestreitet Roger Federer seine erstes Pflichtspiel - und gewinnt mit Mühe gegen Jürgen Melzer.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Roger Federer hat 17 Grand-Slam-Titel gewonnen, er war 302 Wochen lang die Nummer eins der Weltrangliste, er hat viele Reden vor sehr wichtigen Menschen gehalten, er kennt Präsidenten und Musiker und Starschauspieler. Federer hat auch den Federer-Blick, wenn er seinen Beruf konkret ausübt, zur Kunstform erhoben. Er schaut dann genau so, dass sich rein gar nichts in ihm deuten lässt. Er will, das hat er mal gesagt, dem Gegner keinen Hinweis darauf geben, was in ihm vorgeht. So schnell bringt ihn eh nichts aus der Fassung. Auch am Montag hat Federer bei seiner Rückkehr nach mehr als sechs Monaten aufgrund seiner Knieverletzung wieder wie jener Federer geguckt, dem dann alle Zuschauer zujubeln. Aber in seinem Inneren, das gestand er später, sah es erstaunlicherweise höchst komplex aus. Federer, und das sagte viel über die Bedeutung seines ersten Einsatzes bei den Australian Open aus, spürte "Nerven". Er merkte, "dass es nicht so leicht läuft". Er dachte, dass er zu viel dachte. Hätte er noch drei Minuten so weiter ausgepackt, hätte man ihm einen Anwalt empfohlen, da alles gegen ihn verwendet werden kann.

Zu seiner Überraschung konnte Federer während der Pause problemlos vom Tennis lassen

Aber Federer beherrscht die Gabe, sich selbst immer wieder zu justieren. Anhand des Ergebnisses gegen den Österreicher Jürgen Melzer, 35, den er seit seiner Kindheit schon kennt, ließ sich der Erfolg seiner Eigentherapie gut ablesen: 7:5, 3:6, 6:2, 6:2. Ein kleiner entscheidender Eingriff war notwendig nach dem zweiten Satz, in dem er eine 3:1-Führung verplemperte.

In der längsten Phase, die er dem Profisport gefehlt hatte, war es ihm gut ergangen. Zu seiner Überraschung konnte er problemlos vom Tennis lassen. Er genoss das strukturierte, planbarere Familienleben, in den vergangenen Wochen steigerte er dann in Dubai, wo er sich aufhielt, seine Trainingsintensität. Der Körper hält unter Wettkampfbedingungen, das stellte er am Montag erleichtert fest, aber vieles ist noch eher eckig. Er dürfe, gestand er, noch nicht von sich erwarten, jeden Punkt machen zu können. Er dürfe Punkte "nicht über-denken". Er müsse "in Wellen denken" und auch Generosität zulassen. Was ihm in den Sätzen drei und vier dann gelang.

Daher war Federer "einfach nur glücklich", wie er das Match wieder in den Griff bekam. "Ich fühle, dass ich jetzt zum Turnier gehöre", sprach er, was nach seiner langen Absenz ein nachvollziehbarer, aber auch ein ulkiger Gedanke war. Ein Turnier ohne Federer ist eigentlich gar kein richtiges, das weiß die ganze Welt. "Von jetzt an hoffe ich, dass vieles möglich ist", sagte er vorausschauend, in der zweiten Runde trifft er auf den 20-jährigen Amerikaner Noah Rubin. Nach dem Duell zweier Oldies folgt ein Generationenspiel für ihn. Ausdrücklich betonte Federer, er freue sich auf den freien Dienstag. Und da war es dann, das lässige Federer-Lächeln. Nach dem Match ist das erlaubt.

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