Tennis:Bitte recht freundlich

Beim Grand-Slam-Turnier in Wimbledon hängen die deutschen Tennisfrauen mal wieder ihre männlichen Kollegen ab. Das hat auch mit manchen Trainern zu tun, die den Spielerinnen ein Wohlfühlklima schaffen.

Von Gerald Kleffmann, Wimbledon

Wenn es so etwas wie den Himmel auf Erden im All England Lawn Tennis and Croquet Club gibt, ist es die Terrasse des Spielerrestaurants. Der Blick ist atemraubend, er schweift im 270-Grad-Radius von Court 3 hinüber zu den Plätzen 4 bis 7, prächtige Villen und viel Grün im Hintergrund runden das kitschige Bild ab. Wenn man sich weiter umdreht und Glück hat, laufen Antonio Banderas, Seal und Roger Federer an einem vorbei. So ist das hier, da gerät sogar Barbara Rittner ins Staunen, und es ist ja nicht so, als seien ihr prominente Zirkel fremd. "Wimbledon ist schon der Hammer", sagt sie und schaut sich um. Könnte ja jederzeit noch Boris Becker auftauchen, der kürzlich erst mit Bastian Schweinsteiger bei ihr am Tisch saß.

Der 47 Jahre alte Becker, Trainer des Titelverteidigers Novak Djokovic, zählt neuerdings indirekt auch zum Kreis der deutschen Spielerinnen. Seine Gattin Lilly gab ja beim Zweitrunden-Sieg von Sabine Lisicki den Edelfan, von der Box der Wimbledon-Finalistin 2013 aus feuerte sie die 25-Jährige an. Bei ihren Gesprächen mit der Presse ist Lisicki, die deutsche Nummer drei, zwar weitaus weniger engagiert als Frau Becker, aber sie ist ja niemandem etwas schuldig; zudem ist sie zum Tennisspielen angereist. Das macht sie wie zwei andere deutsche Kolleginnen derart solide, dass Rittner schon mal am Nachmittag für ein paar Minuten die Füße hochlegen muss. Davis-Cup-Kapitän Michael Kohlmann jedenfalls wäre gerade ziemlich beschäftigungslos, er müsste am Samstag nur zu Dustin Brown, der als einziger DTB-Mann in Runde drei steht und dort auf den Serben Viktor Troicki trifft. Die Fed-Cup-Chefin dagegen flitzte allein an Tag vier "von der Angie zur Sabine und zur Tatjana".

Die Frauen hängen wieder die Männer ab, allerdings bildete Andrea Petkovic am Freitag unerwartet eine Ausnahme. Beim 5:7, 4:6 gegen die Kasachin Zarina Diyas fing die Weltranglisten-14. im zweiten Satz zum Weinen an und zeigte sich auch danach aufgelöst.

Die 27-Jährige gab familiäre Probleme an, die sie belasteten. "Mich freut es vor allem für Tatjana", sagt Rittner, die 42 Jahre alte Wahl-Kölnerin. Tatjana Maria, 27, aus Bad Saulgau, Wohnsitz USA, Mutter der kleinen Charlotte und selbst mit einer bewegenden Geschichte, weil einmal fast an einer Lungenembolie gestorben, hat sich in die dritte Runde gekämpft. Wie auf Bestellung steht plötzlich ihr Gatte und Coach hinter Rittner, er strahlt, auch für Charles-Edouard ist der Erfolg etwas Besonderes. Vor zwei Jahren hatte seine Frau in Wimbledon, im vierten Monat schwanger, ihr letztes Match vor der Pause bestritten. Als Maria am Donnerstag die Qualifikantin Duan Ying Ying (China) 10:8 im dritten Satz niedergesägt hatte - sie sliced sogar die Vorhand -, lagen sich alle in den Armen. Gegen Madison Keys, größtes Talent des US-Tennis, ist aber fraglich, ob der Defensivstil reicht. Wenn Maria einen Schuss hätte wie Lisicki oder Angelique Kerber, könnte sie sich manch langen Ballwechsel sparen.

Andererseits ist ihr Spiel anders ausgerichtet, sie lebt von den Fehlern der Gegnerinnen, anders als Lisicki, die in ihren beiden Matches nicht glänzte, aber doch überzeugte, als sie ihre Stärken wiederfand. "Keinen guten ersten Satz" spielte sie gegen die Amerikanerin Christina McHale. Sie hat sich dann "auf die Dinge fokussiert, die ich kann", sprach sie, "da habe ich meinen Wirkungsbereich wiedergefunden". Dass sie in der Lage ist, nachzujustieren, liegt auch an Trainer Christopher Kas, der seit Anfang des Jahres mit ihr an den Selbsthilfefähigkeiten, quasi nach dem Montessori-Prinzip, arbeitet - wie auch an der Fitness, um die es eine bekannte Debatte gab. Toni Nadal, Onkel von Rafael Nadal, hatte Lisicki jüngst als möglichen Champion eingestuft, ihre körperliche Verfassung halte sie jedoch von Höherem ab. Darauf angesprochen blieb Lisicki cool, das muss man ihr anrechnen, und meinte nur: "Kritik ist okay, wir arbeiten daran."

Als Maßstab könnte ihr diesbezüglich Kerber dienen. Die ist zurzeit derart flink und auch schlagsicher unterwegs, dass sie gegen Garbine Muguruza als Favoritin gelten muss. In Paris hatte sie noch gegen die Spanierin verloren. Nach Rückenproblemen war sie damals aber auch nicht im Stimmungshoch, und das ist bei den deutschen Spitzenspielerinnen oft fatal. Sie sind ja allesamt Stimmungsspielerinnen - siehe Petkovic. Aus diesem Grund hat Kerber ihren früheren Coach Torben Beltz zurückgeholt, der im Vergleich zum strengeren Benjamin Ebrahimzadeh eher der Wohlfühltrainer ist. Bei Lisicki, die auf die starke Schweizerin Timea Bacsinszky trifft, hoffen sie im Team, dass der stets optimistische Kas lange bleibt. Er tue ihr gut, und er könne, so ein Insider, bestens mit Oliver Pocher, Lisickis Freund. Bekanntlich will sie ja Männer um sich haben, die sie zum Lachen bringen. Auf dem Platz sorgt sie selbst dafür, zumindest wieder in Wimbledon.

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