Tennis:Bei Lisicki zanken sich Engelchen und Teufelchen

Nuernberger  Versicherungscup 2016 - Day 5

Läuft nicht: Tennisspielerin Sabine Lisicki

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Sabine Lisicki macht zurzeit ein schwierige Zeit durch, sie hat sich von ihrem Trainer getrennt und verliert viele Spele.
  • Ein neuer Trainer sollen ihr nun aus der Krise helfen.

Von Gerald Kleffmann, Nürnberg

Wiederholt setzten die Reporter an, sie wollten wissen, ob Sabine Lisicki etwas vernachlässigt habe in ihrem Beruf. Ausdrücklich sagte ein Reporter, es gehe nicht um private Befindlichkeiten. Davon ist ja ihre Geschichte reichlich gefüllt. Immer wieder klang die Antwort gleich: "Ich werde nicht über die Vergangenheit reden, für mich zählt nur die Zukunft." Die Flucht nach vorne ist in der aktuellen Phase sicher eine gute Herangehensweise. Streng genommen bleibt Lisicki einzig diese Option. Ihre Resultate als Tennisprofi waren in der Vergangenheit nur partiell erbaulich. In der Gegenwart sieht es nicht besser aus.

Am Mittwoch hat die 26-Jährige zum elften Mal in dieser Saison verloren, nur sieben unspektakuläre Siege gelangen. Das fehlerhafte 2:6, 6:7 gegen die Amerikanerin Varvara Lepchenko in der zweiten Runde des Nürnberger Versicherungscups offenbarte, dass die frühere Weltranglisten-Zwölfte, die Wimbledon-Finalistin 2013, die Fed-Cup-Spielerin am Scheideweg steht. Sie gibt zu: "Es ist ein langer Weg zurück, aber ich bin bereit, ihn zu gehen und mich mit ganz kleinen Schrittchen zurückzukämpfen." Der Wille ist vorhanden, im Duell mit Lepchenko puschte sich Lisicki, sie kämpfte verzweifelt. Das Problem, das ihr zusetzt, ist: "Sie denkt oft zu viel", so erklärt es Bundestrainerin Barbara Rittner, die ihr gerade intensiver zur Seite steht.

Ihrem Aufschlag, einst ihre Stärke, fehlt das Tempo

Auf dem Platz sieht das Denken so aus: Nach dem ersten Satz, in dem sie Bälle oft mit dem Rahmen traf, flüchtete sie in die Kabine und zog sich ein anderes Kleid an. Als könnte sie die Tennisgötter beschwören oder die Gegnerin irritieren. Im Tie-Break des zweiten Satzes landete ihr erster Aufschlag mittig im Netz, der Ballwurf stimmte nicht; sie warf ihn zu weit nach vorne. Als Gegenreaktion warf sie den zweiten Ball nach hinten. Der Aufschlag, einst ihre Waffe und neuerdings oft ohne Tempo, landete zwei Meter hinter der T-Linie. Manche Zuschauer stöhnten empathisch auf. Lisicki ist noch sehr beliebt, sie wird zweifellos unterstützt, was sie aufbaut.

Jedoch bringen Sympathien keine Weltranglistenpunkte. Wenn man Lisicki richtig verstanden hat, ist sie daher dabei, Ordnung in ihr Leben zu bringen. Ihre größte Herausforderung ist nur, dass es die Trennung zwischen der Berufssportlerin und der Privatperson in den vergangenen zwei Jahren immer seltener gab. Beide Rollen vermengten sich. Nun muss sie diese Rollen entwirren, wenn sie wieder den Erfolg will. Das hat sie offenbar verstanden. Mit ihrem Freund Oliver Pocher führte sie ja eine Beziehung im Rampenlicht. Der TV-Unterhalter wurde Teil des Teams, reiste mit. Dass es manchmal wirkte, als laufe der Sport gar nebenher, wie Kritiker anführten, war nicht immer von der Hand zu weisen.

Nach den French Open arbeitet Lisicki mit einem neuen Trainer

Vor einem Jahr kassierte Lisicki beim Turnier in Stuttgart ein düsteres 0:6, 0:6 gegen die Kasachin Zarina Diyas. Sie reiste nach München, turnte auf der Anlage des MTTC Iphitos herum, während die BMW Open der Männer liefen, und verkündete fröhlich in einem Interview: Sie schätze ihre Männer, die sie so zum Lachen bringen. Sie meinte damit Pocher und Coach Christopher Kas, den früheren Doppelspezialisten und bayerischen Optimisten, der ihr 18 Monate die Treue hielt. Lisicki hatte schon viele Trainer. Die meisten blieben kürzer.

Seit diesem Frühjahr hat es sich ausgelacht, nach einer Affäre Pochers zerbrach das Team Lisicki; vom Manager, der auch Pocher betreut, trennte sie sich ebenfalls. Nun hat sie sich vorgenommen, sich aufs Tennis komplett zu besinnen, doch unübersehbar ringen Berufssportlerin und Privatperson wie Engelchen und Teufelchen miteinander, können nicht los lassen. Das hat wohl auch damit zu tun, dass sich Lisicki und Pocher über den jeweils anderen ausgelassen haben. Sie in Gala, er bei Twitter. Die Aufarbeitung ist noch im Gange.

Sportlich strahlt das ab. In Nürnberg wirkte sie instabil, abwesend. Lisicki ist ja eine, "die Siege fürs Selbstvertrauen braucht", betonte Rittner. Sie rät ihr, mal kleinere Turniere zu spielen, um Sicherheit zu entwickeln. Das würde Lisicki tun, wenn es der Turnierkalender hergebe, erwiderte sie. Rittner meinte auch, Lisicki müsse mehr das spielen, was sie auszeichnete: sich mit Gewicht in Bälle legen, ihre Ballbeschleunigungsfähigkeit ausnützen.

"Sie darf nicht jammern", sagt Fedcup-Chefin Rittner

Eigentlich wäre Rittner gerade die richtige für sie, aber dem Vernehmen nach wird Lisicki nach den French Open Salvador Navarro als Coach vorstellen; mit dem Spanier, der 2015 die Italienerin Flavia Pennetta zum US-Open-Titel führte, hat sie jüngst in Rom schon trainiert. Er hat Erfahrung; dieses Defizit warf sie Ex-Coach Kas vor.

In Paris wird sie Vater Richard betreuen. Als Spielerin um Weltranglistenplatz 50 ist sie nicht gesetzt, sie kann sofort auf die Besten treffen. Ihre Erwartungen sind niedrig: "Ich bin noch nicht in der Lage, jeden Tag mein bestes Tennis abzurufen." Das Motto, das sie verinnerlichen muss, bringt Rittner indes auf den Punkt: "Sie darf nicht jammern. Sie muss nach vorne blicken."

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