Tennis bei den US Open:Als wäre Pliskova allein auf dem Platz

2016 U.S. Open - Day 11

Kerbers Gegnerin im Finale der US Open: Karolina Pliskova.

(Foto: AFP)

Kerbers Gegnerin im Finale der US Open verblüfft: An Karolina Pliskova prallen sogar die Einschüchterungsversuche von Serena Williams ab.

Von Jürgen Schmieder, New York

Es gibt einen Sinnspruch im Buddhismus, nach dem ein Mensch beim Betreten eines Zimmers die Lautstärke der Anwesenden überprüfen sollte: Der Lauteste im Raum ist der Schwächste, so heißt es. Im amerikanischen Sport freilich, da interessieren sie sich nicht besonders für Buddhismus und Schwäche, es wird bereits Kindern beim Schulsport eingetrichtert, sich gefälligst breitschultrig zu präsentieren und den Gegner für den Erfolg notfalls auch mal über den Haufen zu rennen.

Schwäche und Schweigen, das ist was für Verlierer und Buddhisten. Das Schauspiel zwischen Serena Williams und Karolina Pliskova am Donnerstagabend war deshalb besonders beeindruckend, weil beide 86 Minuten lang diese unterschiedlichen Philosophien vorführten. Zu Beginn des zweiten Satzes, Pliskova hatte den ersten Durchgang über präzise Spieleröffnung, das Vermeiden leichter Fehler und mutige Grundschläge gewonnen, da sicherte sich Williams einen spektakulären Ballwechsel. Sie brüllte so laut, dass wahrscheinlich ein paar Menschen in Manhattan die Polizei gerufen haben in der Gewissheit, dass da jemand um sein Leben fürchtet.

Diese martialische Geste schüchtert Williams' Gegnerinnen gewöhnlich ein - Pliskova beachtete Williams jedoch gar nicht, sie schritt gelassen zur Grundlinie zurück, als hätte sie unsichtbare Kopfhörer im Ohr.

Ein böser Blick, ein Starren auf die Linie, ein Bewegen in Zeitlupe

Williams gewann dieses Spiel, und selbst ihr Laufweg danach gehörte zur Inszenierung eines Comebacks. Gewöhnlich geht sie nach dem ersten Spiel eines Satzes nicht zu ihrer Bank, sondern auf der anderen Seite am Netz vorbei. Diesmal nicht. Sie schritt auf Pliskova zu und ließ sie nicht aus den Augen, als wäre ihre Gegnerin die Beute, die sie nun erlegen muss. Guck mal her, sagte ihr Blick, du magst vielleicht größer sein, die breiteren Schultern jedoch, die habe ich! Normalerweise halten Kontrahentinnen dann kurz inne, blicken schüchtern zu Williams und lassen ihr den Vortritt. Pliskova ging einfach weiter, als wäre sie alleine auf dem Platz.

Es hat in den vergangenen Jahren, gerade bei Grand-Slam-Turnieren, einige Partien gegeben, in denen Williams schrecklich gespielt hat. Es gab dann immer dieses Ritual: ein Blick, mit dem sie ihr Gegenüber geradezu verschlingen wollte - wahlweise für Gegnerin oder Schiedsrichter. Ein langes Starren auf die Linie nach knappen Schlägen. Ein Bewegen in Zeitlupe zwischen Ballwechseln. Ein schriller Schrei nach prägenden Punkten, die sie gewonnen hat. Über diese Aktionen zog sie sich selbst aus diesen Löchern heraus - und schubste die verschreckten und verunsicherten Gegnerinnen hinein. Sie betont immer wieder, dass sie zwar ein nettes Mädchen sei, jedoch jeden hasse, der den Tennisplatz mit ihr teile. Selbst ihre Schwester Venus.

Pliskova verschreckt Williams

An diesem Donnerstag allerdings, da teilte sich Williams diesen Court mit einer jungen Frau, der die Natur die Geduld eines buddhistischen Mönchs gegeben hat. Pliskova, 24, ist in ihrem Leben noch nie über die dritte Runde eines Grand-Slam-Turniers hinausgekommen, sie hat jedoch zuletzt das Turnier in Cincinnati gewonnen.

In New York besiegte sie erst Venus Williams im Achtelfinale und nun auch noch Serena. Sie servierte die komplette Partie über rasant und präzise und leistete sich kaum Fehler. Plötzlich war Williams verschreckt und verunsichert. Sie beendete die Partie mit einem Doppelfehler und verlor 2:6, 6:7 (5).

Im Finale wartet Angelique Kerber

"Ich hatte ernsthafte Probleme mit dem linken Knie. Ich konnte mich nicht so bewegen, wie ich wollte. Wer verletzt ist, der denkt an andere Sachen anstatt an den nächsten Schlag", sagte Williams danach: "Ich habe die Verletzung allerdings schon seit der zweiten Runde, es soll nun keine Entschuldigung sein. Es hatte auch nichts mit Müdigkeit zu tun. Wenn ich müde gewesen wäre, dann müsste ich mir einen neuen Beruf suchen."

Die Lauteste im Stadion, sie war zumindest an diesem Abend nicht die Stärkste im Stadion. Serena Williams wird von Montag an laut Weltrangliste auch nicht mehr die stärkste Tennisspielerin der Welt sein. Das wird dann Angelique Kerber sein, die danach gegen Caroline Wozniaki (Dänemark) mit 6:4, 6:3 gewann und im Finale am Samstag gegen Pliskova antritt. Kerber steht übrigens auch nicht im Verdacht, jemals die lauteste Spielerin auf dem Platz gewesen zu sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: