Tennis:Die besondere Gabe des Alexander Z.

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Wuchtiger Aufschlag: Alexander Zverev fordert im Endspiel von Halle Roger Federer heraus. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Alexander Zverev erreicht wie im vergangenen Jahr das Finale von Halle.
  • Bei dem Rasenturnier trifft er auf Roger Federer, den vielleicht besten Rasenspieler der Geschichte.
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Von Max Ferstl, Halle/München

Genervt schleuderte Alexander Zverev seinen Schläger auf den Rasen, der ein faustgroßes Loch in den Belag des Tennisstadions in Halle riss. Zverev versuchte gar nicht erst, seinen Ärger zu verbergen. Im Halbfinale der Gerry Weber Open hatte der 20-Jährige den ersten Satz verloren und als ihm nun im zweiten Durchgang beim Stand von 2:2 eine leichte Vorhand ins Netz abrutschte, musste der Frust raus.

Man kennt solche Szenen, sie tauchen in vielen Zverev-Partien auf. Und nicht selten sind sie der Moment, in dem das Match kippt. Zverev verfügt über das seltene Talent, aus der Wut Stärke zu ziehen. So auch diesmal. Nachdem er den Rasen strapaziert hatte, sah man Zverev nicht mehr schimpfen, sondern die Faust ballen wie einst Rasenliebhaber Boris Becker. Er nahm Gasquet umgehend den Aufschlag ab und gewann nach 1:52 Stunden die Partie: 4:6, 6:4, 6:3. "Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Es war ein fantastisches Match heute", freute sich Zverev.

Im Finale am Sonntag (13 Uhr/Liveticker auf sz.de und ZDF) trifft er auf Roger Federer, der den Russen Karen Chatschanow in zwei Sätzen bezwang. "Er ist der Größte aller Zeiten auf diesem Belag", findet Zverev, womit der Schwierigkeitsgrad der bevorstehenden Aufgabe hinreichend beschrieben wäre. Doch Zverev hat Federer vor einem Jahr schon einmal besiegt, sogar in Halle auf Rasen. Am Samstag erinnerte Federer daran, damals nicht ganz auf dem Höhepunkt seines Schaffens gewesen zu sein: "Damals war mein Knie nicht ideal."

Nur damit kein falscher Eindruck entsteht: Federer will Zverev keineswegs etwas wegnehmen. Er hält sehr viel vom jungen Deutschen, beide trainieren oft gemeinsam. Federer sagte auch: "Es ist schon sehr speziell, nun noch einmal hier gegen Alexander zu spielen."

Zverevs druckvolles Spiel passt zum schnellen Belag

Für seine spezielle Begabung hat Zverev in den vergangenen Wochen einmal mehr aussagekräftige Belege geliefert. Scheinbar mühelos gelang ihm die komplizierte Umstellung vom langsamen Sand- auf den flotten Rasenbelag. Vor einer Woche erreichte er das Halbfinale bei einem kleineren Turnier in den Niederlanden, nun folgte der Finaleinzug in Halle, wo er nach Montpellier, München und Rom schon seinen vierten Titel in diesem Jahr gewinnen könnte. Zverev betont zwar immer wieder, dass es ihm egal sei, auf welchem Bodenbelag gespielt wird. Doch sein druckvolles Spiel passt eben auch gut zum Rasen, wo die Bälle schnell wegrutschen und dem Aufschlag besondere Bedeutung zukommt.

Zverev verfügt, auch dank der 1,98 Meter Körpergröße, über einen mächtigen Aufschlag. In Halle verlor er in den drei Partien bis zum Halbfinale kein einziges Aufschlagspiel. "Er hat sich beim ersten und zweiten Aufschlag enorm verbessert", fand Federer. Gegen Gasquet gewann Zverev 82 Prozent der Punkte, wenn der erste Aufschlag im Feld landete. Er schlug insgesamt 38 Winner, leistete sich nur 19 unerzwungene Fehler - eine exzellente Bilanz. "Wenn er so weitermacht, wird es schwer, dass er seine Ziele nicht erreicht", hatte Philipp Kohlschreiber gesagt, nachdem er Zverev in der zweiten Runde kaum etwas entgegensetzen konnte.

Sein Ziel, so hat es Zverev zuletzt erklärt, sei das Tour-Finale in London. Dort dürfen nur die besten acht Profis antreten. Viele glauben mittlerweile, dass Zverev das gelingen könnte. Die Weltrangliste führt ihn gerade auf Position zwölf. Doch im Race to London, das die Punkte der laufenden Saison zählt, liegt Zverev schon auf Rang fünf. Viel dürfte davon abhängen, wie Zverev bei den verbleibenden zwei Grand-Slam-Turnieren abschneidet. Dort werden die meisten Punkte verteilt. Bisher ist Zverev jedoch noch nie über die dritte Runde bei einem der größten Turniere hinaus gekommen. Vor kurzem war bei den French Open schon nach der Auftaktpartie Schluss. Trotzdem werden sich die deutschen Hoffnungen in Wimbledon auf Alexander Zverev richten, und ein bisschen auch auf seinen Bruder Mischa.

Zum ersten Mal seit 25 Jahren stehen zwei Brüder unter den Top 30

Dieser ist in dieser Woche auf Platz 29 vorgerückt, höher stand er noch nie. Zum ersten Mal seit knapp 25 Jahren stehen zwei Brüder unter den besten 30. Anders als Alexander, der auf allen Belägen gut spielt, ist Mischa Zverev bekennender Rasenliebhaber. Er rückt oft nach dem Aufschlag vor ans Netz, die Serve-and-Volley-Strategie funktioniert auf dem schnellen Untergrund besonders gut. Vor kurzem erreichte Mischa Zverev in Stuttgart das Halbfinale. In Halle schied er zwar trotz guter Leistung bereits in der zweiten Runde aus, der Gegner hieß allerdings auch Federer. Die Zverevs liegen also auf Kurs.

Für die übrigen Deutschen gilt das eher nicht. Kohlschreiber, in der Weltrangliste auf Position 56 abgerutscht, hat eingesehen, dass eine jüngere Generation vorbeigezogen ist. Jan-Lennard Struff verlor in Stuttgart und Halle jeweils früh gegen den aufstrebenden Franzosen Lucas Pouille. Auch wenn er sich anständig präsentierte - und einmal bei eigenem Matchball einen leichten Volley vergab. Doch Struff ist ein ruhiger Vertreter, der seinen Ärger eher selten zeigt. Anders als zum Beispiel Dustin Brown: Als dieser nach seiner unglücklichen Zweitrundenniederlage gegen Roberto Bautista-Agut gefragt wurde, was er denn in Wimbledon besser machen könne, empfahl er dem Fragesteller, dieser ("Depp") solle doch lieber zum Fußball gehen. Brown war sauer wie Zverev, nur konnte er seine Wut nicht in einen Erfolg auf dem Platz verwandeln. Das schaffen eben nur sehr Wenige.

© SZ vom 25.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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