Tennis:Becker braucht den Tennisplatz zum Überleben

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Künftig wieder getrennt: Boris Becker und Novak Djokovic (links) (Foto: AFP)

Den Trainerjob für Novak Djokovic zu übernehmen, war das Beste, was Boris Becker passieren konnte. Er wird nun wieder ernst genommen.

Kommentar von Matthias Schmid

Ein Element ist, chemisch betrachtet, ein nicht weiter zerlegbarer Stoff. Er sei in seinem Element gewesen und werde es auch künftig sein, hatte Boris Becker gesagt, kurz bevor er verkündete, dass er als Trainer von Novak Djokovic aufhören werde. Die dreijährige Zusammenarbeit mit dem serbischen Tennisspieler war das Beste, was Becker nach seiner aktiven Karriere passieren konnte, er war davor schon lange nicht mehr in seinem Element gewesen, sondern auf Abwegen, auf einer sonderbaren Irrfahrt, an deren Ende er sich selbst zu zerlegen drohte.

Er probierte sich als Unternehmer, was misslang. Als Moderator, was auch misslang. Und als Entertainer, der sich mit Fliegenklatschenmütze einen bizarren Streit mit Oliver Pocher lieferte, was noch mehr misslang. Erst die überraschende Rückkehr ins Tennisgeschäft hat ihm wieder die Chance ermöglicht, das zu tun, was er am besten beherrscht: Vom und fürs Tennis zu leben, es zu lehren und zu vermitteln.

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Von Gerald Kleffmann

Es hat sich gezeigt, dass Becker den Tennisplatz als Element dringend zum Überleben braucht. Boris Becker wird neuer Trainer des Weltranglistenersten Novak Djokovic - viele glaubten ja im ersten Moment an einen PR-Gag, sie belächelten die neue Liaison und fragten süffisant: Was zum Teufel sich Djokovic bloß vom irrlichternden Becker verspricht?

Becker änderte Kleinigkeiten mit großer Wirkung

Drei Jahre später lacht die beiden niemand mehr aus, vor allem Boris Becker wird als Tennisfachmann von allen ernst genommen, geschätzt und respektiert. Der dreimalige Wimbledonsieger hat Djokovic gemeinsam mit dem langjährigen Stammtrainer Marian Vajda zu sechs Grand-Slam-Turniersiegen geführt, er hat ihn zu einem kompletteren Tennisspieler ausgebildet, ihn auf ein Niveau gehoben, das sogar für das Tennisgenie Roger Federer in seiner späten Phase zu hoch war. Man muss Becker nicht mögen, um seine Arbeit als Mentor, wie er sich selber genannt hat, angemessen zu würdigen.

Becker änderte bei Djokovic nur Kleinigkeiten, die aber große Wirkung entfalteten. Er musste ihm nicht mehr den Vorhand-Topspin oder den Rückhandschmetterball beibringen. Aber er sorgte mit messerscharfen Hinweisen bei der Fußarbeit, dem Positionsspiel oder der Griffhaltung dafür, dass Djokovic wuchtiger und offensiver spielte, häufiger ans Netz kam und besser aufschlug.

Die größten Änderungen löste Becker in Djokovic' Kopf aus. Er machte ihm klar, dass er nur mit völliger Hingabe für den Beruf reüssieren könne, führte ihn in den Tunnel, in die berühmte Zone, in der Sportler mit sich und ihrem Sport im Reinen sind, weil sie sich für stark und unschlagbar halten.

Becker schaffte es mit der totalen Fokussierung, Djokovic in Höhen zu begleiten, die er selber nicht für möglich gehalten hatte. Den Gipfel erklommen die beiden in Paris dieses Jahres, als Djokovic erstmals die French Open gewann und alle vier Majortitel gleichzeitig innehatte.

Der Höhepunkt war der Beginn des Abstiegs

Der Höhepunkt seiner Karriere, diese völlige Aufgabe für das Tennis, war aber gleichzeitig der Beginn des Abstiegs. Djokovic verlor seine innere Balance, er war nicht mehr bereit, alles dem Sport unterzuordnen. Er entschied sich in seiner Sinnkrise mit Pepe Imaz zusammenzuarbeiten, einem ehemaligen spanischen Profi, der gerne meditiert und ein esoterisch angehauchtes Lehrkonzept aus Liebe und Frieden entworfen hat. Dies wollte Becker nicht mittragen.

Seine Entscheidung, die Zusammenarbeit zu beenden, ist eine Entscheidung der Stärke. Mit ihr zeigt Boris Becker Größe, sie offenbart, dass er wieder ganz bei sich ist. In seinem Element. Er wird bestimmt als Trainer auf die Tour zurückkehren - als Fachmann mit exzellentem Ruf.

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