Tennis:Ausstieg aus dem Biotop

BNP Paribas WTA Finals Singapore presented by SC Global - Day 7

(Foto: Matthew Stockman/Getty)

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Martina Hingis, 37, beendet zum dritten Mal ihre Tennis-Karriere. In gewisser Weise war sie die Letzte ihrer Art: ein Relikt aus der Zeit der Tenniswunderkinder.

Von Barbara Klimke

Vielleicht war sie die Letzte ihrer Art. Wie die Schwarze Strandammer, die Mitte der Achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts letztmals gesichtet wurde. Auch Martina Hingis, 37, fand im Frauentennis nur für einen gewissen Zeitraum ein gedeihliches Biotop. Sie war 16, ein unbekümmertes, junges Mädchen, als sie 1997 in Wimbledon ihr erstes Finale gegen Jana Novotna gewann. Es war die Zeit der Tenniswunderkinder, als Teenager schon mit 13 Jahren Profis werden und Geld verdienen durften. Doch selbst unter diesen kindlichen Königinnen des Filzballspiels nimmt Hingis einen Sonderstellung ein: Sie ist bis heute die Zweitjüngste der Geschichte, die je den Frauenwettbewerb in Wimbledon gewann; nur Charlotte Dod war noch jünger, 15 Jahre und 282 Tage. Aber deren Sieg geht bis ins Jahr 1887 zurück. Es ist ein kleiner Rekord, der der Schweizerin Martina Hingis wohl bleiben wird, wenn sie jetzt, 20 Jahre später, ihren Sport endgültig hinter sich lässt.

Sie hätte damals, 1997, vermutlich alle vier Grand-Slam-Turniere innerhalb eines Jahres gewinnen können, wäre sie vor den French Open nicht vom Pferd gefallen. Tennis und Skifahren lernte sie schon als Zweijährige, mit vier meldete ihre Mutter, Melanie Molitor, sie zu Turnieren an. Vermutlich war es kein Wunder, dass Martina Hingis, die lange eine ebenbürtige Gegnerin von Steffi Graf und Venus Williams war, mit 22 erstmals ihre Karriere beendete.

Ein paar Jahre später wagte sie das Comeback, aber in der Ära, die nun Serena Williams prägte, dominierte Krafttennis statt Taktik und technischer Finessen. Hingis hielt mit, gewann aber keine Grand-Slam-Turniere mehr. Am 29. Juni 2007 wurde ihr beim Turnier in Wimbledon bei einem Test Kokain-Konsum nachgewiesen. Das war ihr zweiter Rücktritt. Sie hatte immer noch nicht genug. Beim dritten Mal entschied sie sich, nur noch Doppel und Mixed zu spielen - und sie zeigte der Konkurrenz, was man unter Genusstennis versteht. Zehn Grand Slams hat sie mit großem Spaß noch gewonnen, zuletzt drei Pokale in Wimbledon und bei den US Open. Für ihren endgültigen Abschied hat sie nun das Saisonfinale in Singapur gewählt, das die Dänin Caroline Wozniacki im Einzel gegen Venus Williams gewann. Hingis erreichte an der Seite ihrer taiwanesischen Doppelpartnerin Chan Yung-jan noch einmal das Halbfinale. "Es war eine großartige Reise", sagte sie, "ich hatte eine einzigartige Karriere, auf die ich stolz sein kann." Zuletzt ist es ihr dann doch gegangen wie der Schwarzen Strandammer, die aus Floridas Fauna verschwand, weil sich die Landschaft veränderte, weil Wiesen und Flussauen verloren gingen. Martina Hingis' Spiel, ihr Finesse, ihr federleichtes Spiel, gehören in eine andere Zeit.

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