Tennis:Aaron geht vor

Mauresmo und Murray

"Meine Erfahrung mit Amélie war eine gute": Amélie Mauresmo war die erste Trainerin im Tennis, die in Andy Murray einen männlichen Top-Spieler betreute.

(Foto: Julian Smith/dpa)

Das Ende einer besonderen Beziehung: Andy Murray, Dritter der Weltrangliste, trennt sich von seiner Trainerin Amélie Mauresmo. Die Französin hatte als erste Frau einen männlichen Top-Spieler betreut.

Von René Hofmann

Andy Murray befand sich in der Luft, als die Nachricht um die Welt ging. Der 28 Jahre alte Brite flog von Madrid, wo er am Sonntag im Finale in drei Sätzen gegen Novak Djokovic verloren hatte, nach Rom, wo er in dieser Woche antritt. Als er nach seiner Ankunft in der italienischen Hauptstadt umgehend auf den Trainingsplatz schritt, fehlte das profilierteste Gesicht seines Trainerteams: Amélie Mauresmo, 36. Die Französin hatte Murray knapp zwei Jahre lang angeleitet. Nun haben die beiden Schluss gemacht.

Andy Murray ist aktuell die Nummer drei der Weltrangliste. Wenn ein Top-Spieler seinen Coach entlässt, provoziert das immer Fragen: Warum die Trennung? Warum gerade jetzt? Seit wann hat die Beziehung nicht mehr funktioniert? Im Fall von Murray und Mauresmo sind die Antworten darauf jetzt besonders spannend - weil ihre Beziehung eine so außergewöhnliche war. Mauresmo, die selbst im September 2004 die Nummer eins der Weltrangliste erobert und im Jahr 2006 die Australian Open und Wimbledon gewonnen hatte, war die erste Frau, die einen Top-Spieler anleitete. Zuvor war das Spiel ausschließlich andersherum gelaufen: Top-Tennis-Frauen hatten sich einstige Top-Tennis-Männer zur Seite geholt.

"Ich bin von den Möglichkeiten der neuen Partnerschaft begeistert. Amélie ist jemand, zu dem ich immer aufgesehen und den ich bewundert habe", ließ Murray damals verlauten, nachdem Ivan Lendl ihn als Ratgeber verlassen hatte. Dass er eine Trainerin engagierte - daraus wollte er am Beginn keine große Sache machen. Und er hat das auch später selten getan. Wenn es etwas wirklich Bemerkenswertes an der Zusammenarbeit gab, dann das: Ihre Einmaligkeit war nie ein Thema. Auch jetzt, bei der Trennung, offenbar nicht.

Einem Reporter der Daily Mail erklärte Murray am Trainingsplatz in Rom die Gründe für den Schritt. "Ich bin traurig darüber, aber es hat einfach nicht funktioniert", sagte er. Seit seiner Finalniederlage bei den Australian Open im Januar in Melbourne gegen Djokovic hätte er lediglich zehn Tage mit Mauresmo arbeiten können. In diese Zeit fiel eine frühe Niederlage in Miami. Sich so wenig zu sehen, sei schwierig, sagt Murray, der findet: "Man muss sich gemeinsam durch schwierige Zeiten kämpfen." In anderen Worten: Er hätte sich Mauresmo gerne häufiger bei sich gewünscht.

Das aber gestaltete sich schwierig. Mauresmo hatte nie zugestimmt, den Job in Vollzeit auszufüllen. 25 Wochen pro Jahr hatte sie Murray versprochen. Und auch die Halbjahresvariante hatte sie zuletzt vor Schwierigkeiten gestellt, seit sie im vergangenen Sommer Sohn Aaron bekommen hatte. In ihrem Abschiedsstatement deutet Mauresmo das an. "Genug Zeit und die nötigen Reisen einzubringen, war schwierig für mich", heißt es da.

Die Crux, Job und Familie kombiniert zu bekommen: Das klingt nach einem bekannten Dilemma, vor dem viele Frauen stehen. Doch da ist Vorsicht geboten: Das Phänomen gibt es im Tennis erstaunlich oft auch bei Männern. Viele Profis hätten gerne etablierte Ex-Profis an ihrer Seite. Viele einstige Größen aber haben nach den Jahren, die sie selbst auf der Tennistour verbracht haben, keine Lust mehr, den Wanderzirkus ständig zu begleiten. Und wenn sie genug verdient haben, haben sie das auch nicht mehr nötig.

Murrays Bilanz mit Mauresmo fällt gemischt aus

Ivan Lendl (Karrierepreisgeld gut 21 Millionen Dollar) hatte 2014 nach drei Jahren mit Murray genug. Jimmy Connors (Karrierepreisgeld gut acht Millionen Dollar) hielt es ab 2006 lediglich zwei Jahre an der Seite seines Landsmannes Andy Roddick aus und im Juli 2013 sogar nur ein Match als Trainer der Russin Maria Scharapowa. Auch Boris Becker (Karrierepreisgeld gut 25 Millionen Dollar) übt keineswegs ständig mit seinem Schützling Novak Djokovic. Zum täglichen Händchenhalten taugt kaum eine einstige Nummer eins. Egal, ob männlich oder weiblich.

Wie es mit Andy Murray nun weitergeht, ist offen. Obwohl in den nächsten dreieinhalb Monaten die French Open, Wimbledon, die US Open sowie die Olympischen Spiele anstehen, will er ohne Hektik eine neue Hilfe suchen. Kurzfristig springt Daviscup-Kapitän Leon Smith ein.

Die Bilanz dessen, was er mit Mauresmo erreichte, fällt gemischt aus. Mit Lendl gewann Murray 2012 die US Open und 2013 Wimbledon. Einen weiteren Grand-Slam-Titel konnte er mit Mauresmo nicht sammeln, wohl aber sieben Trophäen bei anderen Veranstaltungen. Die Statistiker haben zudem errechnet, dass Murray mit Mauresmo seine Siegquote auf 79,4 Prozent schraubte; zuvor hatte sie 75,6 Prozent betragen. Und: Er kletterte von Platz elf der Rangliste wieder hinauf in die Höhen, die er anstrebt - bis auf Rang zwei. Der Daily Mail hat Andy Murray am Montag gesagt: "Meine Erfahrung mit Amélie war eine gute."

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