Teenager-Talent Kai Havertz:Wie alt ist der?

Karim Bellarabi Bayer 04 Leverkusen 38 beim Torjubel nach dem Treffer zum 1 0 50 000 Bundesligatr

Torschütze und Vorbereiter: Karim Bellarabi (rechts) schoss das 50 000. Bundesligator, Kai Havertz (links) legte es ihm auf.

(Foto: imago)

Er steht im Schatten des Jubiläums-Torschützen. Dennoch spielt sich der Teenager Kai Havertz in den Vordergrund. Die beachtliche Reife des 17-jährigen Eigengewächses erstaunt sogar seinen eigenen Trainer.

Von Maik Rosner, Augsburg

Kai Havertz ist später nicht herumgereicht worden wie Karim Bellarabi. Nicht ein einziges Interview hat Havertz gegeben, was auch daran lag, dass sich alle um den erfahrenen Kollegen Bellarabi rissen. Dieser hatte am Freitagabend bei Bayer Leverkusens 3:1 (2:0)-Sieg in Augsburg das 50 000. Tor der Bundesligageschichte erzielt (23.). Zwar nach Vorlage von Havertz, aber im Rummel um den Jubiläumstreffer stand die Zuarbeit nicht im Mittelpunkt des Interesses. Das galt auch für den zweiten Assist des Teenagers vor Chicharitos 3:1 (65.), dem zuvor bereits das 2:0 gelungen war (40.), ehe Dominik Kohr für Augsburg traf (60.).

Gesprochen wurde hinterher zwar nicht mit Havertz, der seinen gelungenen Abend auch auf Weisung des Vereins in aller Stille genoss. Dafür wurde aber noch viel über den jungen Offensivspieler geredet, sogar mit dem Jubilar. "Der ist unglaublich", sagte der deutsche Nationalspieler Bellarabi, "17 Jahre, und wenn man sieht, wie er letzte Woche über 90 Minuten gespielt hat und diesmal wieder, dann muss man wirklich sagen: Respekt!" Selbstredend hat Bellarabi dem Hochbegabten "eine sehr gute Leistung" attestiert, und das größte Kompliment war vielleicht, dass er anfügte: "Es kommt einem nicht so vor, dass er 17 ist."

Man hat eher das Gefühl, einem ausgebufften Routinier zuzusehen

Es war in der Tat ein Auftritt gewesen, den man eher einem Profi im besten Alter von 27 Jahren zugetraut hätte: unaufgeregt, spielintelligent, technisch versiert und bei alledem frech und robust genug, um seine Vorzüge zielsicher einzusetzen. Nicht nur bei seinen beiden Torvorlagen, auch bei seiner Beteiligung an insgesamt sieben Abschlüssen. Knapp verpasste Havertz zu Beginn des Spiels zudem zwei Mal sein Tordebüt in der Bundesliga und damit jenen Eintrag in der Geschichtsschreibung, mit dem sich nun Bellarabi schmücken kann. Zum wohl besten Beispiel für seine erstaunlichen Talente taugte nach einer guten halben Stunde jene Flanke, die Bellarabi zu einem Volleyschuss per Scherenschlag nutzte: Mit Übersicht und aus dem linken Fußgelenk hatte Havertz den Ball auf die formschöne Reise über die Augsburger Abwehr geschickt - ein kleines Kunstwerk.

Sportdirektor Rudi Völler fühlte sich nach dem imposanten Auftritt des Hochbegabten eher an einen Weltmeister erinnert, der an guten Tagen den Ball liebkosen kann wie kaum ein anderer. "Bei Kai ist das vom Typ her so ähnlich wie bei Mesut Özil, dieses Selbstverständliche, den Ball zu streicheln", hob Völler zu seiner Eloge auf Havertz an, "Dinge, die einfach aussehen, macht er in völliger Gelassenheit. Er hat einfach eine Gabe, mit seinem linken Füßchen sowieso, aber auch mit rechts hat er ein Tor vorbereitet. Er hat eine Ballbehandlung, die ist sensationell."

Nebenbei nutzte Völler die Gelegenheit, den zuletzt in die Kritik geratenen Trainer Roger Schmidt zu loben, für den sich die Lage nach dem zweiten Sieg hintereinander beruhigen dürfte. "Kompliment an unseren Trainer, dass er einen 17-Jährigen immer wieder aufstellt und an ihn glaubt", sagte Völler und verwies auf das Ziel, den Nachwuchs an die Profis heranzuführen: "Das ist ja auch bei anderen jungen Spielern unser Anspruch, dass wir die einbauen wollen." Benjamin Henrichs, 19, und Julian Brandt, 20, dürfen als weitere Beispiele gelten. Havertz ist seit seinem Debüt am 15. Oktober bei Werder Bremen der bisher jüngste Leverkusener Bundesligaspieler, er war 17 Jahre und 126 Tage alt.

Sein Großvater spielte zusammen mit Jupp Derwall

Natürlich wussten alle im Verein, welche Voraussetzungen Havertz mitbringt. Nebenbei auch jene, dass sein Großvater einst mit dem Nationalspieler und späteren Bundestrainer Jupp Derwall zusammenspielte und seinen Enkel früh trainierte. Nach Stationen bei Alemannia Mariadorf und Alemannia Aachen hatten die Leverkusener Havertz 2010 verpflichtet und erlebt, wie er in der Vorsaison mit der B-Jugend deutscher Meister wurde. Im Sommer statteten sie ihn mit einem Profivertrag bis zum 30. Juni 2017 aus, den sie gewiss rasch verlängern wollen. Inzwischen sind für den Juniorennationalspieler 13 Bundesligaeinsätze zusammengekommen sowie zwei in der Champions League und einer im Pokal. "Es fehlt noch das Törchen. Da war er jetzt zwei Mal nah dran. Aber das kommt", prophezeit Völler.

Roger Schmidt verfolgt die Entwicklung des "außergewöhnlichen Talents" bereits, seit er im Sommer 2014 die Werkself übernahm. Doch dass Havertz seine Gabe so rasant auch auf der großen Bühne einzusetzen versteht, verblüfft Schmid schon. "Es ist für uns alle ein bisschen überraschend, dass er so schnell Fuß fasst", sagt der Fußballlehrer, und er findet, "dass er sich die Einsatzzeiten verdient und eine sehr gute Position gefunden hat": im offensiven Mittelfeld, das bisher der gesperrte Hakan Calhanoglu besetzte. Der 1,86-Meter-Schlaks Havertz füllt diese Lücke beachtlich aus, womöglich auch im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League am Dienstag gegen Atlético Madrid. Dabei bereitet sich der 17-Jährige gerade auf sein Abitur vor. Wenn ihn seine Mitschüler nicht gerade um ein Autogramm bitten.

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