Team-Planungen beim DFB:Hoffen auf den Mythos von Malmö

England U21 v Germany U21 - UEFA U21 Championship Final

Szene aus dem Finale der U21-EM 2009: Mesut Özil gegen England. 

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Joachim Löws Aufgebot für das Testspiel gegen Frankreich lenkt den Blick auf ein sehr spezielles Länderspieljahr. 2013 soll beim DFB am besten so werden wie 2009 - da wurde die U21 Europameister und lieferte der A-Elf ein paar frische Siegertypen. Wer die Khediras, Neuers oder Özils der Zukunft sind, könnte sich bald zeigen.

Von Christof Kneer

Robin Dutt ist nicht Franz Beckenbauer. Zu einer Exklusivnachricht taugt diese Erkenntnis nicht mehr ganz, aber logistisch ist sie von hoher Bedeutung. Wäre Dutt Beckenbauer, wären die Reiseplanungen beim Deutschen Fußball-Bund erheblich entspannter ausgefallen. Am Montag wird sich in Düsseldorf der versammelte deutsche Fußball-Nachwuchs treffen und nach Bari fliegen, am Mittwoch werden die drei obersten Juniorenteams dort drei Länderspiele bestreiten.

Die deutsche U21 spielt gegen die italienische U21, die deutsche U20 spielt gegen die italienische U20, die deutsche U19 spielt gegen die italienische U19. Zu den Herausforderungen für den Reisestab gehörte es, die Spiele so zu platzieren, dass der Sportdirektor Dutt sie alle sehen kann. Also spielt die U19 um 11.30 Uhr, die U20 um 15 Uhr, die U21 um 18.30 Uhr - alle in verschiedenen apulischen Orten, die aber alle innerhalb einer halben Stunde erreichbar sind.

Wäre Robin Dutt Franz Beckenbauer, dann wäre das alles nicht so kompliziert. Als Beckenbauer hätte Dutt einen Hubschrauber, der ihn quer durchs Land fliegt, oder er hätte sowieso die Gabe, rechts wie links gleichzeitig zu sein.

In diesen Tagen werden die deutschen Auswahlteams erstmals nach der Winterpause wieder auf sich aufmerksam machen, auch Joachim Löw hat sein Aufgebot fürs Testspiel gegen Frankreich herausgegeben. Es enthält die erwarteten Überraschungen, nämlich keine, und wer von dem jugendbewegten Bundestrainer neue Helden erwartet, wird auch in den nächsten Monaten enttäuscht werden. Die neuen Helden bleiben erstmal in den Junioren-Teams, die Robin Dutt verantwortet.

Das Länderspieljahr 2013 ist eines, das ganz eigenen Regeln folgt. Es findet sein Vorbild im Länderspieljahr 2009, das bis heute - mit gewissem Recht - gründlich verherrlicht wird. Im Juni 2009 wurde die deutsche U21 in Schweden Europameister, und der Legende nach verließen große Jugendliche wie Khedira, Neuer, Özil, Hummels und Höwedes das Turnier als abgeklärte Siegertypen.

Sami Khedira kann sehr anschaulich erzählen, wie ihn die Tage von Malmö zum Manne reifen ließen. Er hat sich die Kapitänsrolle gegen Widerstände im eigenen Team erkämpfen müssen, und am Ende des Turniers wusste er: Ich kann eine Gruppe führen. Und ich kann auf sehr, sehr hohem Niveau Fußball spielen.

Diese Junioren-EM gilt bis heute als Gründungsmythos für die aktuelle A-Nationalmannschaft, denn nur einen Sommer später spielten die großen Jugendlichen eine sehr beschwingte Erwachsenen-WM in Südafrika. Ähnliches erhoffen sich die DFB-Strategen von der U21-EM in diesem Juni in Israel, "in diesen Turnier-Wochen könnten sich wieder Spieler entwickeln, die der A-Nationalelf schon bald weiter helfen", sagt Robin Dutt.

Streng getrennte Einheiten

Aus diesem Grund wird Löw geduldig sein, obwohl der aktuelle U21-Jahrgang "von den Namen her zum Teil weiter zu sein scheint" als der von 2009, wie Dutt mutmaßt. Khedira, Neuer und Özil weckten im Februar 2009 noch weniger internationales Interesse; aus der Generation 2013 dagegen haben sich Lewis Holtby (zu Tottenham) und Jan Kirchhoff (im Sommer zum FC Bayern) schon für höhere Aufgaben aufgedrängt, und die Frankfurter Sebastian Jung und Sebastian Rode könnten auch schon wählen, ob sie lieber für Bayern, Dortmund oder Inter Mailand spielen.

Aber Löw wird der Versuchung widerstehen, sie einzuladen; Dutt sagt, er habe mit Löw "klar besprochen, dass der Kader, der das Turnier erreicht hat, das Turnier auch spielt". Holtby, Rode und Jung sollen bis Juni so tüchtige U21-Spieler sein, dass sie im nächsten Juni bei der WM in Brasilien tüchtige A-Nationalspieler sind.

Auf dem Papier werden A-Mannschaft und U21 bis zum Sommer also zwei streng getrennte Einheiten sein, aber dahinter steckt der gegenteilige Gedanke. Es ist der, der auch Robin Dutts Italien-Reise nächste Woche prägt: Der deutsche Fußball soll noch durchlässiger werden. Es ist Teil von Dutts neuem Konzept, dass sich die Juniorenteams über die Jahrgänge hinaus öffnen und zu einem gemeinsamen Talentepool werden. "Ich möchte auch, dass künftig zwei Cheftrainer zwei Junioren-Jahrgänge gemeinsam begleiten", sagt Dutt.

Und so, wie er in Italien jetzt die U19, die U20 und die U21 zu einer Art Großkader zusammenkomponiert, so sollen auch in der U21 die Perspektiven und Pläne von Joachim Löws A-Mannschaft immer mitgedacht werden. Diese neue Aufgeschlossenheit ist auch das Resultat des neuen Personaltableaus: Dutts Vorgänger Matthias Sammer war es ebenso wenig ein drängendes Herzensbedürfnis, Joachim Löw glücklich zu machen wie umgekehrt.

So ist die U21 die heimliche Mannschaft des Jahres beim DFB, aber auch diese stille Liebe stößt in der rauen Wirklichkeit des Profisports an ihre Grenzen. Dutt und Löw haben vorübergehend mal erwogen, ob sie der U21 beim Turnier in Israel ein bisschen Verstärkung aus der A-Nationalelf spendieren sollen, aber diese Überlegungen haben sie bald verworfen.

Es ging dabei nicht um die theoretisch spielberechtigten Kroos, Götze oder Schürrle, die bei Löw längst zum Stamm zählen, es ging um Spieler wie Gündogan oder Draxler, aber auch da sind sie beim DFB zu dem Schluss gekommen, dass die deutsche Fußballkultur für solche Herabstufungen nicht gemacht ist. Spieler, Berater und Vereine könnten das als Degradierung begreifen.

Jetzt muss die U21 also nur noch den Titel holen im Juni, was eine solide Herausforderung darstellt. In der Vorrunde treffen die Deutschen auf Spanien, Holland und Russland, und Louis van Gaal hat Robin Dutt vor kurzem schon mal wissen lassen, dass er seine A-Nationalspieler selbstverständlich der U21 zur Verfügung stellt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: