Taylor Townsend bei den French Open:Eine Wucht auf dem Court

492605717

Taylor Townsend: Famos in Paris

(Foto: AFP)

Taylor Townsend ist der Gegenentwurf zum Leistungssport: Ihr Übergewicht ist unübersehbar. Dass sie bei den French Open in der dritten Runde steht, ist dennoch keine Überraschung - sie spielt famoses Tennis.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Rubens-Frau. Massive Attacke. Schwarze Amazone. Madonna. Es sind nicht die nettesten Umschreibungen, die in der Weltpresse formuliert werden, aber Taylor Townsend schert das wenig, natürlich. Sie kennt diese Zeilen längst, spätestens seit 2012, als ihr gewichtiges Thema im US-Tennis die Gemüter erhitzte, und deshalb hat sie ihr Zahnpasta-Lächeln aufgesetzt und unbeschwert losgeredet.

"Genau für diese Momente habe ich jeden Tag hart gearbeitet", urteilte die 18-Jährige aus Chicago, nachdem sie auch die beste Französin Alizé Cornet aus dem Weg geräumt hatte und nun in der dritten Runde der French Open im Duell mit der Spanierin Carla Suarez Navarro hofft, dass ihr "Traum" in Paris weitergehe. Wobei, was heißt Traum: "Ich bin einerseits geschockt", sagte sie, "andererseits bin ich es aber nicht." Sie habe eben "so viele Stunden auf dem Platz verbracht" und sei "so viele Stunden im Fitnessstudio" gewesen.

Fitnessstudio? Ja, sie hat das wirklich gesagt. Nein, es war kein Spaß.

Ihr Verband wollte ihren Verzicht auf die US Open

Wer Taylor Townsend sieht, kann sich nur schwer vorstellen, dass sie ständig auf dem Laufband steht. Ihre Statur erinnert eher an nicht so ferne Zeiten, als Frauen mit zu viel Hüftpolster das Gespött mancher Männerkollegen auf sich zogen. Am deutlichsten lederte einmal der Niederländer Richard Krajicek, der meinte, 80 Prozent im Damen-Feld seien "fette Schweine". Heute? Maria Scharapowa, nach den frühen Niederlagen von Serena Williams und Li Na Favoritin auf den French-Open-Titel: wiegt 59 Kilo. Agnieszka Radwanska, Nummer vier im Turnier: 56.

Was Townsend wiegt, ist unklar, die Frauentour listet ihr Gewicht nicht. Aber auch ohne Angaben ist ihre Geschichte griffig genug. Die Linkshänderin spielt trotz Übergewichts famoses Tennis, ist flink, antizipiert gut, agiert mit einer Taktik, die kaum eine Gegnerin praktiziert. Ihr Auftritt ist eine Antithese, ja, der vielleicht krasseste Gegenentwurf zu den durchtrainierten älteren Kolleginnen, die wie Kaugummis an der Grundlinie haften und Netz-Paranoia haben.

Ein reines Medienthema ist ihr Alleinstellungsmerkmal indes nicht. Der Amerikanische Verband (USTA) selbst schob die Debatte ungeschickt an. Vor zwei Jahren bat man Townsend, die als erste Einheimische seit Gretchen Rush 1982 das Juniorinnen-Ranking anführte und dem darbenden US-Tennis eigentlich Hoffnung geben sollte, auf einen Start im Nachwuchswettbewerb der US Open zu verzichten.

Vier Matches an einem Tag

Patrick McEnroe, Bruder der früheren Größe John McEnroe und USTA-Chef für Leistungssport, nannte als Begründung "Sorgen um ihre dauerhafte Gesundheit". Abnehmen sollte Townsend, nichts anderes hieß das. Rasch musste sich der Verband vorwerfen lassen, er habe diskriminierend gehandelt, frühere Profis wie Martina Navratilova sprangen Townsend bei. Die war dann nach dem "Schock", wie sie es nannte, auf eigene Kosten angereist, ohne Erfolg allerdings. Und doch ist Zina Garrison, ihre Trainerin, einst Dritte der Welt, dankbar für den Vorfall: "Er hat sie härter gemacht."

Taylor Townsend bei den French Open: Taylor Townsend nach ihrem Sieg gegen die Französin Alizé Cornet

Taylor Townsend nach ihrem Sieg gegen die Französin Alizé Cornet

(Foto: AP)

Dass Townsend nicht nur mit Ballgefühl, sondern auch mit Willenskraft gesegnet ist, bewies sie schon vor Paris. Sie sagte sich vom USTA los und heuerte die namhafte Trainerin an, bei der sie schnell auf Gehör stieß. Die dunkelhäutige Garrison engagiert sich nebenbei auch für die Rechte unterprivilegierter Kinder. Die einzige Wildcard, die der US-Verband aufgrund einer Kooperation mit dem französischen nun fürs Frauenfeld der French Open erhielt, wurde wiederum in einer dreiteiligen Turnierserie vergeben.

"An einem Tag hatte ich vier Matches", erinnerte Townsend, die einmal zwei Punkte vor dem Aus stand und doch zwei von drei Titeln gewann. "Es ist ein anderes Gefühl, einen Startplatz einfach zu erhalten oder sich diesen zu verdienen." Townsend, Tochter von Lehrern und längst ins warme Boca Raton, Florida, umgezogen, treibt sich selbst am meisten an. Das darf man bei allen Sprüchen ("Ich bin verdammt gut"), bei aller extravaganter Kleidung nicht übersehen. Sie hat es sich etwa zur Gewohnheit gemacht, stets in ihren Laptop zu gucken, in dem sie sich Tipps notiert hat: "Sie sorgen dafür, dass ich die Dinge einfach halte", erklärte sie.

Abnehmen ist kein Thema

Kein schlechter Kniff, ihr Spiel schwankt ja noch, was auch an der mutigen Taktik liegt, die der von Garrison einst ähnelt. Townsend flitzt nicht ans Netz, aber sie hat ein Gespür, sich im passenden Moment anzupirschen. Dann sticht sie zu mit ihren Volleys, die konsequent und furchtlos sind - wie sie. In Paris hätten sie nicht mal die französischen Fans eingeschüchtert, von denen sie wusste, "dass sie gegen mich sind". Dass Roger Federer vor ihr auf dem Court Suzanne Lenglen antrat, der zweitgrößten Arena, das immerhin habe sie kurz "verrückt" werden lassen.

Abnehmen? Nein, das ist offenbar kein drängendes Thema für Townsend. Sie sagte auch, sie wolle andere inspirieren, zu ihrer Figur zu stehen: "Es können nicht alle wie Scharapowa gebaut sein." Andy Murray ist schon mal beeindruckt, "wie gut ist Taylor Townsend!", twitterte der Wimbledonsieger. Genau das soll die Welt jetzt richtig erfahren. Dass Titelverteidigerin Serena Williams chancenlos blieb gegen die aufstrebende Garbiñe Muguruza aus Spanien und frustriert ihr geliebtes Paris, wo sie eine Wohnung besitzt, verließ, schockte Townsend weit mehr als ihr Erfolg. "Oh mein Gott", rief sie aus, als sie davon erfuhr, und lächelte nicht mehr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: