Taktik des FC Bayern:Projektleiter sucht Ziel

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Pep Guardiola: Manndeckung am Spielfeldrand (Foto: AFP)

Wenn er könnte, würde Pep Guardiola seine Spieler wohl per Joystick über den Platz lenken - der Trainer des FC Bayern dirigiert seine Elf mittlerweile schon nach 20 Minuten komplett um. Das offenbart viele Fragezeichen im Verein.

Von Claudio Catuogno

Nun spielt Pep Guardiola, dieser Fußballneuerfinder, also tatsächlich mit Manndeckung. Und das geht so: Guardiola rennt die Seitenlinie entlang, springt, fuchtelt. Überschreitet Kreidelinien, die er keinesfalls überschreiten darf. Tollt in seinem irren Tanz fast bis zur Eckfahne hinüber. Und sein Manndecker: rennt immer hinterher.

Dieser Manndecker, es ist der sogenannte Vierte Offizielle des Champions-League-Ausrichters Uefa, der eigentlich eine Art Aufseher über das Spiel sein soll. Am Mittwoch war er in der ersten Halbzeit fast nur damit beschäftigt, den Bayern-Trainer einzufangen und zurück ins Coaching-Viereck zu geleiten.

FC Bayern gegen Manchester City
:Winken, wedeln, schimpfen

Pep Guardiola rennt beim Champions-League-Auftakt gegen Manchester City an der Seitenlinie auf und ab, er ändert das Spielsystem mehrmals. Zwar trifft der FC Bayern in letzter Minute zum 1:0-Erfolg - doch mit ihrem neuen Lösungsfußball sind die Münchner nicht so dominant wie zuvor.

Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Am liebsten würde Pep Guardiola seine Spieler selbst per Joystick über den Platz lenken. Leider geht das aber nicht, und deshalb findet sich ständig - Fuchtel! Schimpf! - irgendein Laufweg, der nicht seinen Erwartungen entspricht. Doch am Ende einer fünfminütigen Ganzkörperperformance hatte Guardiola seine Elf ja tatsächlich komplett neu justiert Mitte der ersten Halbzeit gegen Manchester City: David Alaba war jetzt kein Abwehrspieler mehr, sondern ein offensiver Mittelfeldspieler, Xabi Alonso war eine Art vorgezogener Libero, und die Dreier- wurde wieder zur Viererkette, mehr oder weniger.

Wohin des Weges?

Und wieder mal fragt sich das Publikum: Ist das jetzt ein gutes Zeichen, dass dieser Guardiola sein Team sogar am offenen Herzen operieren kann, dass er sofort umstellt, wenn eine taktische Vorgabe nicht funktioniert? Oder ist es eher ein schlechtes Zeichen, dass Guardiola oft nach 20 Minuten sein ganzes Konzept über den Haufen werfen muss?

Vermutlich beides. Aber Guardiola ist eben in den Details, was sein Verein gerade im Großen ist: auf der Suche.

Wenn die Bayern in den letzten zehn Jahren mal nicht Meister wurden, war das meistens nach WM- und EM-Turnieren - zu viele Verletzte und Erschöpfte. Die Guardiola-Bayern haben diesen Übergang aus dem WM-Sommer nun offensichtlich ganz gut hingekriegt. Sie verfügen inzwischen über genügend internationale Fachkräfte, alle gleichzeitig fallen nicht mehr in körperliche und mentale Löcher. Den Übergang zu moderieren, ist auch eine Leistung. Aber bisher hat niemand die entscheidende Frage beantwortet: Übergang - wohin?

Gibt es den radikalen Weg noch, den Guardiola nach dem Halbfinal-Aus gegen Real Madrid im Mai propagierte: Pep-Fußball pur? Im Zweifel mit neuen Pep-Spielern? Ohne den Pep-Spieler Toni Kroos ist das deutlich schwieriger geworden, und mit Xabi Alonso, der mit seinen weiten Spielverlagerungen eher für eine Art Anti-Pep-Fußball steht, wird es vermutlich noch schwieriger.

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:Auf der Suche nach dem heiligen Feuer

Medhi Benatia ist ums Ankommen bemüht, Jérôme Boateng grätscht präzise, schießt aber eindeutig zu selten aufs Tor. Und Robert Lewandowski macht einen Purzelbaum. Die Bayern beim 1:0 gegen Manchester City in der Einzelkritik.

Aus dem Stadion von Christof Kneer und Claudio Catuogno

Der FC Bayern, der das spannendste Projekt im Weltfußball hätte werden sollen, ist gerade einfach eine gewöhnliche internationale Spitzen-Elf. Auszusetzen ist daran wenig, aber man fragt sich halt, ob er genau das sein will.

© SZ vom 19.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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