Taktik gegen Barcelona:Sechs Münchner erstarren vor Neymar

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Entkommen: Barcelona-Angreifer Neymar trifft

(Foto: Odd Andersen/AFP)
  • Pep Guardiola wählt im Rückspiel gegen Barcelona erneut eine schiefe Taktik. Die funktioniert sehr viel besser.
  • Doch die beiden Gegentreffer fallen nach fast absurden Fehlern.
  • Hier geht es zu den Statistiken des Spiels Bayern - Barcelona.

Von Martin Schneider

Die Natur strebt nach Symmetrie. Meistens gibt es eine Achse, an der sich ein System spiegeln lässt. Sogar den Menschen könnte man ja theoretisch in der Mitte von oben nach unten durchschneiden, um zwei gleiche Hälften zu erhalten.

Auch Fußball-Taktiken sind eigentlich immer symmetrisch. Weil ein Fußballfeld nun mal per Definition ein geometrisches Gebilde ist und die Tore in der Mitte stehen, haben alle Formationen normalerweise die Aufgabe, dieses Gebilde möglichst gleichmäßig mit Spielern zu bestücken. Völlig egal, ob es ein 4-4-2-System, ein 4-2-3-1 ist, eine Raute oder ein System mit Libero. Wenn man einen Strich von oben nach unten zieht, stehen rechts und links dieses Striches normalerweise gleich viele Spieler. Ein Spieler muss dabei theoretisch geteilt werden, weil elf natürlich nicht durch zwei teilbar ist.

Doch Pep Guardiola hält bekanntermaßen recht wenig von Konventionellem. Wenn er von einer Idee überzeugt ist, setzt er sie um. Schon im Hinspiel experimentierte der Trainer des FC Bayern mit einem schiefen System, als er in den ersten Minuten Juan Bernat und Rafinha auf die Seite des Argentiniers Lionel Messi zog. In Kombination mit einer Dreierkette und der Idee, Barcelona über das ganze Feld zu verteidigen, führte das beinahe schon zu Beginn des Hinspiels in die Katastrophe. Am gestrigen Dienstag wählte Guardiola eine andere schiefe Taktik. Die funktionierte zunächst auch sehr viel besser.

Weil das ZDF das Spiel wieder vollständig in die Mediathek geladen hat, kann man die Szenen und Formationen sehr gut nachverfolgen.

Guardiolas Idee: Er zog Philipp Lahm auf die offensive, rechte Außenposition. Die linke offensive Außen ließ er leer. Was übrigens auch die taktische Überlegung gewesen sein könnte, Mario Götze auf der Bank zu lassen. Es gibt gute Gründe, warum ein Trainer gegen den FC Barcelona von einem symmetrischen System abweicht. Nein, falsch, eigentlich gibt es hauptsächlich einen Grund: Messi. Das Spiel sollte möglichst weit weg von dem Doppeltorschützen des Hinspiels stattfinden. Kam der Ball trotzdem dorthin, stand ein defensiv orientierter Bastian Schweinsteiger zusammen mit Juan Bernat bereit.

Alle Angriffe des FC Bayern in der Anfangsphase gingen über die rechte Seite. Jérôme Boateng lenkte den Spielaufbau immer wieder von Messi weg. Bei 1:56 Minuten taucht Lahm erstmals vor Barca-Torhüter Marc-André ter Stegen auf.

Wozu es allerdings führen kann, wenn man das Spiel sehr stark auf eine Seite drücken will, sah man schon bei Minute 4:13. Dani Alves bekommt auf der freien Seite den Ball. Bernat, der sich in Richtung Messi orientiert, kommt viel zu spät, um den Pass richtig zu stören und Ivan Rakitic hat die erste Chance für Barcelona.

Man muss dazu natürlich im Hinterkopf haben, was der FC Bayern in diesem Rückspiel versuchen musste: Gegen eine Mannschaft, die in der Liga nur 19 und in der Champions League vor dem Rückspiel nur sieben Gegentore kassiert hat, drei Tore schießen und gegen vermutlich eins der besten Sturmtrios der Fußballgeschichte kein Gegentor kassieren. Als ob man Formel-1-Fahrer Nico Rosberg sagen würde: Gewinn das Rennen, aber fahr nicht schneller als 200.

Es wäre zu verhindern gewesen

Das Ärgerlichste aus Sicht der Bayern ist aber, auf welche Weise die beiden Gegentore fielen. Denn eigentlich verhielt sich die Mannschaft nach dem 1:0 durch Medhi Benatia, so wie es ihr Trainer ihnen vor dem Spiel eingetrichtert hatte: taktisch diszipliniert und auf Kontrolle bedacht. Sie standen eher tiefer als offensiver, Xabi Alonso ließ sich noch mehr als zuvor zwischen die beiden Verteidiger fallen (etwa in der Szene ab 12:30 Minuten).

Das erste Gegentor beginnt bei Minute 13:55 mit dem Diagonalball von Alonso, natürlich nach rechts. Der wird abgewehrt und Neymar kommt an den Ball. Bis dahin ist alles in Ordnung und voll im Plan von Guardiola. Bayern ist in Überzahl auf der Nicht-Messi-Seite. Dann folgt aber die absurde Situation, dass sechs Bayern-Spieler um den Brasilianer herumstehen und keiner in den Zweikampf geht.

Warum? Schwer zu sagen, vielleicht dachte jeder, der jeweils andere geht drauf. So passt Neymar auf die isolierte Seite mit Messi, der auch noch weit genug vom Tor entfernt steht und von Schweinsteiger und Bernat gedoppelt werden könnte. Aber Messi findet die kleine Lücke, die Bernat ihm lässt, um einen exakten Pass auf Luis Suárez zu spielen. Der ist nicht im Abseits und spielt es souverän zu Ende. Natürlich ist dieser Angriff von Barcelona nur möglich, weil alle Beteiligten (Neymar, Messi, Suárez) eine außergewöhnliche technische Qualität besitzen. Er wäre aber zu verhindern gewesen.

Das zweite Gegentor ist eines aus der Kategorie: Fehler, die auf diesem Niveau immer bestraft werden. Was genau Medhi Benatia durch den Kopf ging, als er die Viererkette verließ, um Bastian Schweinsteiger beim Kopfballduell gegen Messi (1,69 Meter) zu helfen, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Wenn man als Verteidiger in so einer Situation die Kette verlässt, gilt die gleiche Regel, wie für Torhüter: Wenn er rauskommt, muss er ihn haben. Gegen solche Fehler hilft kein taktisches System der Welt. Und sei es noch so schief.

Nach dem zweiten Gegentor war die Partie sportlich gelaufen, auch wenn der FC Bayern natürlich moralische Pluspunkte sammelte, weil er trotzdem weiter nach vorne spielte, sich gegen ein Barcelona, bei dem die Zweikampfbereitschaft nachließ, gute Chancen erspielte und zu oft am herausragenden ter Stegen scheiterte. "Am Ende kam in zwei Spielen zu viel zusammen, um gegen eine solche Mannschaft ins Finale einzuziehen", sagte Thomas Müller nach dem Spiel. Das brachte es ganz gut auf den Punkt.

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