Tag zwei bei der Leichtathletik-WM:Müller fast die Größte

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Diskuswerferin Nadine Müller gewinnt die erste Medaille für den DLV, mit Silber zerstreut sich auch den Verdacht, ihre Nerven bei Großveranstaltungen nicht im Griff zu haben. "Blade Runner" Pistorius kommt eine Runde weiter. Zusammenfassung des Tages.

Sie hüpfte mit einem lautem Freudenschrei aus dem Diskusring, sprang jubelnd in die Luft und reckte die Arme in den Himmel von Daegu: Für Nadine Müller war das WM-Silber im Diskusring ein Jahr nach dem EM-Fehlschlag von Barcelona Gold wert. "Genial, einfach nur genial. Ich bin super happy", waren die ersten Worte, die die 25 Jahre alte WM-Zweite nach ihren 65,97 m in die Mikrofone sprach.

Fehlstart von Usain Bolt
:Das nackte Scheitern

Der Tag beginnt mit Späßchen, doch dann zuckt im 100-Meter-Finale einer viel zu früh aus dem Startblock heraus: Usain Bolt zeigt einen seltsamen Fehlstart und darf nicht mehr mitlaufen. Doch auch im Augenblick des Scheiterns muss die Welt nicht auf eine Bolt-Show verzichten.

Dann gestand sie im nächsten Satz: "Ich hätte vorher nicht gedacht, dass es zur Medaille reicht." Dabei hatte die 1,93 m lange Hallenserin am Vortag durch 65,54 m in der Qualifikation Selbstvertrauen getankt. Doch zu tief saß offenbar noch die Erinnerung an ihren EM-Fehlschlag von Barcelona 2010. Als Weltranglistenerste war sie angereist, als Achte fuhr sie mit einer 57-m-Weite nach Hause. Die Angst vor dem Versagen hatte die WM-Sechste von Berlin 2009 gelähmt. Doch in Südkorea hat die Polizeiobermeisterin nun das Erbe der dreimaligen Weltmeisterin Franka Dietzsch angetreten - auch wenn es diesmal zum Gold noch nicht reichte. Dieses schnappte ihr Chinas Weltranglistenerste Li Yanfeng (32) mit 66,52 m vor der Nase weg. Bronze ging mit 65,73 m an Kubas Olympiazweite Yarelis Barrios.

Die hochgewachsene Blondine Müller(1,93 m), die schon mal daran gezweifelt hatte, ob sie ein echter Wettkampftyp ist, ruht viel stärker als in ihrem Aufstiegsjahr 2010 in sich. Dies hatte die Athletin von Trainer Rene Sack, einem früheren Kugelstoßer der deutschen Spitzenklasse, auch schon bei zwei Saisonsiegen in der Diamond League bewiesen. "Nadine wird ihren Weg machen. Sie hat nahezu alle Voraussetzungen, eine ganz Große zu werden", sagt Werfer-Cheftrainer Jürgen Schult, der seit wenigen Tagen mit seinen vor 26 Jahren erzielten 74,08 m den ältesten Weltrekord der Leichtathletik hält.

Auf Franka Dietzsch, die ihre damalige Rivalin aufgrund ihrer stagnierenden Leistungen lange nicht richig ernst genommen hatte, wirkt die neue Nadine Müller nun auch ganz anders: "Keine andere hat diese körperlichen Eigenschaften, diese Spannweite. Wenn Nadine technisch etwas sauberer arbeitet und ihre Kraftwerte steigert, kann sie eine Große werden."

Brittney Reese hat ihren Weitsprung-Titel verteidigt und das erste Gold für die USA geholt. Bei den Titelkämpfen in Daegu/Südkorea setzte sich die 24-Jährige am Sonntag mit 6,82 Metern durch. Nur knapp dahinter gewann die Russin Olga Kutscherenko (6,77) Silber vor der Lettin Ineta Radevica (6,76). Die beiden deutschen Teilnehmerinnen Bianca Kappler (Rehlingen) und Sosthene Taroum Moguenara (Wattenscheid) waren in der Qualifikation gescheitert.

Ibrahim Jeilan hat überraschend die Goldmedaille über 10.000 Meter gewonnen. Der Äthiopier kam nach 27:13,82 Minuten ins Ziel. Silber sicherte sich Europameister Mohamed Farah aus Großbritannien. Bronze ging an den zweiten Äthiopier Imane Merga. Der viermalige Weltmeister und Titelverteidiger Kenenisa Bekele aus Äthiopien, der nach 19 Monaten Pause ein Comeback versuchte, stieg nach 15 Runden aus. Deutsche Läufer waren nicht am Start.

Titelverteidiger Trey Hardee hat den Zehnkampf der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Daegu gewonnen. Der US-Amerikaner verwies mit 8607 Punkten seinen Landsmann Ashton Eaton (8505) sowie den Kubaner Leonel Suarez (Kuba/8501) auf die weiteren Medaillenplätze. Eine starke Leistung brachten die beiden Frankfurter Pascal Behrenbruch (8211) sowie der ehemalige Junioren-Weltmeister Jan Felix Knobel (8200) auf den Rängen sieben und acht. Rico Freimuth aus Halle an der Saale war nach der zweiten Disziplin wegen einer Knieverletzung ausgeschieden.

Fehlstart von Usain Bolt
:Das nackte Scheitern

Der Tag beginnt mit Späßchen, doch dann zuckt im 100-Meter-Finale einer viel zu früh aus dem Startblock heraus: Usain Bolt zeigt einen seltsamen Fehlstart und darf nicht mehr mitlaufen. Doch auch im Augenblick des Scheiterns muss die Welt nicht auf eine Bolt-Show verzichten.

"Es war phänomenal, hier zu laufen. Ich bin sehr glücklich", sagte Oscar Pistorius. "Ich war schon sehr schnell und hoffe, mich noch steigern zu können. Ein Traum ist wahr geworden, ich danke allen, die mich unterstützt haben." Der beidseitig unterschenkelamputierte Südafrikaner stand im Fokus des Interesses der Vorkämpfe im WM-Stadion. Auf der für ihn günstigen Außenbahn acht holte der im letzten der fünf Vorläufe über 400 Meter ausgeloste 24-Jährige nach erwartet großem Startrückstand in der zweiten Kurve extrem auf und qualifizierte sich als 14. für das Halbfinale am Montag (13 Uhr deutscher Zeit).

Leichathletik-WM in Daegu
:Bolt, Pistorius und eine springende Barbie

Leichtathletik ist eine höchst verwirrende Sportart: Bei der WM in Daegu treten 1945 Athleten aus 202 Ländern an, die Männer kämpfen in 24 Disziplinen, die Frauen in 23 um Medaillen. Wer soll da den Überblick behalten? Und: Wer wird gewinnen, außer Usain Bolt? Wir stellen die potenziellen Helden dieser WM vor.

Thomas Hummel

Weit früher als Pistorius hatte Olympiasieger und Titelverteidiger Waleri Bortschin auf dem Stadtkurs in Daegu das 20-Kilometer-Gehen gewonnen. Weltrekordler und Teamgefährte Wladimir Kanajkin sicherte sich Silber vor Luis Fernando Lopez, der die erste Medaille für Kolumbien in der WM-Geschichte eroberte. Der Potsdamer Christopher Linke kam als einziger deutscher Starter mit 4:21 Minuten Rückstand nur auf den 21. Platz.

"Alles hat gepasst. Zwei Sprünge zum Aufwärmen, drei in der Quali - ich habe Kräfte geschont. Die kann ich noch brauchen", sagte Stabhochspringerin Martina Strutz (Hagenow), die ebenso 4,55 Meter meisterte wie Silke Spiegelburg (Leverkusen). Kristina Gadschiew (Zweibrücken) reichten 4,50 Meter, um in den Endkampf am Dienstag (12.05 Uhr deutscher Zeit) einzuziehen. Weltrekordlerin Jelena Isinbajewa (Russland), die vor zwei Jahren in Berlin als Titelverteidigerin drei ungültige Versuche bei der Anfangshöhe produziert hatte, schaffte diesmal auf Anhieb 4,55 Meter.

Im Kugelstoßen der Frauen übertrafen Christina Schwanitz aus Thum bei Chemnitz mit starken 19,20 Metern sowie die Magdeburgerin Nadine Kleinert mit 18,75 Metern gleich im ersten Versuch die Finalnorm von 18,65 Metern. Sie zählen am Montag (13.40 Uhr) zum Kreis der Medaillenkandidatinnen. Über 110 Meter Hürden der Männer überstand Willi Mathyszik aus Rostock als einziger der drei deutschen Starter den Vorlauf und qualifizierte sich mit 13,53 Sekunden für das Halbfinale. Das gelang über 100 Meter der Frauen auch Jasmin Kwadwo (Wattenscheid), die in 11,29 Sekunden ihre persönliche Bestzeit einstellte.

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