SZ-Gespräch mit Radfahrer Rolf Aldag:"Der Sport ist nicht das wahre Leben"

Lesezeit: 2 min

In einem ausführlichen Interview mit der Süddeutschen Zeitung spricht Radprofi Rolf Aldag über seinen Rückzug von seinem Sport, immer wiederkehrende Rückschläge im Antidoping-Kampf, die Moral des Verbandes UCI und die Verwicklungen des früheren Gerolsteiner-Teamchefs Hans-Michael Holczer.

Andreas Burkert

Kurz vor Beginn der neuen Radsport-Saison hat der frühere Radprofi und Teamchef Rolf Aldag seine massive Enttäuschung über den Zustand seines Sports geäußert. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Mittwochs-Ausgabe) kritisierte der 43-Jährige vor allem den Weltverband UCI sowie den jetzt beim umstrittenen Rennstall Katjuscha eingestiegenen Landsmann Hans-Michael Holczer scharf.

Ausgestiegen: Rolf Aldag, hier im Jahr 2004 bei der Tour de France, die er zehnmal bestritt. (Foto: dpa/dpaweb)

Er habe sich zuletzt "gefangen" gefühlt in einer "speziellen Umgebung, in diesem Drüber-hinweg-Bestimmen der UCI, ohne einen Ansatz von Demokratie", sagte Aldag. Der Weltverband kämpfe nicht seriös genug gegen Doping an und verfolge allein wirtschaftliche Interessen: "In jedem Bereich wird alles gedehnt, so lange es zum eigenen Vorteil ist. Ob's ethisch vertretbar ist - egal."

Aldag, der zehnmal die Tour de France bestritt und später bei T-Mobile sowie zuletzt im Nachfolgerennstall Highroad erfolgreich als Sportdirektor arbeitete, hatte sich im Oktober nahezu unbemerkt aus dem Peloton zurückgezogen. Team Highroad um den deutschen Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin (Eschborn) und den britischen Topsprinter Mark Cavendish hatte keinen neuen Sponsor gefunden und dichtgemacht. Trotz mehrerer Offerten hat der Westfale zurzeit "kein Interesse, in einem Szenario zu arbeiten, das mir missfällt und sich nicht ändert."

Als Konsequenz aus der Spenden-Affäre um die Zahlungen in Höhe von 125.000 Dollar an die UCI durch den dringend des Dopings verdächtigten Tour-de-France-Rekordsieger Lance Armstrong forderte Aldag sogar die Absetzung von Verbandspräsident Pat McQuaid. Dieser habe sowohl in diesem Fall als auch zum immer noch ungelösten Dopingfall Alberto Contador anfangs nicht korrekt Auskunft gegeben.

"Im normalen Leben würdest du sagen: So eine Affäre überlebt keiner. Da müsste es eigentlich heißen: Da hat McQuaid nicht die Wahrheit gesagt, und das in der Position, deshalb bist du jetzt mal weg!" Generell sehe er zurzeit keine realistische Chance, den Kampf um Glaubwürdigkeit zu gewinnen: "Im Moment habe ich da meine Zweifel."

Dass der frühere Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer nun ausgerechnet beim suspekten russischen Rennstall Katjuscha wieder einsteige, hält Aldag nur für konsequent. "Wenn er moralisch hohe Ansprüche hat, muss man auch sagen: An denen ist er schon früher massiv in der täglichen Umsetzung gescheitert. Er hat immer davon geredet, er sei sauber und wolle sauber fahren lassen - und dann läufst du angeblich blind durch die Welt und hast (bei Gerolsteiner) mit Stefan Schumacher, Bernhard Kohl und Davide Rebellin drei riesige Dopingfälle in deinen Reihen? Dann zu sagen, ich habe nichts damit zu tun, das funktioniert natürlich nicht."

Aldag hatte zuletzt auch ein Angebot des belgischen Omega-QuickStep-Teams, zu dem Tony Martin gewechselt ist. Doch trotz seiner ungebrochenen Faszination für den Radsport ("Ich weiß, warum eine Million Menschen in Alpe d'Heuz stehen") komme momentan kein verantwortliches Engagement für ihn infrage. Allenfalls als technischer Berater für Tony Martin stehe er zur Verfügung, ihn halte er für einen "guten, feinen Kerl - doch eine Position im Team-Management oder als Sportlicher Leiter schließe ich aus". Dafür müsste sich im Radsport "mehr ändern an den Strukturen."

Der Familienvater Aldag arbeitet derzeit als Manager bei der World Triathlon Cooperation ("Ironman") in Hanau und betreibt mit seiner Frau ein Fitnesscenter im südwestfälischen Möhnesee.

Das komplette Interview mit Rolf Aldag lesen Sie in der heutigen Print-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung oder auf der App ihres iPads.

© SZ vom 11. Januar 2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Tour de France: Finale
:Prost, Australier!

Am Sekt genippt? Klar. Für die Kameras posiert? Auch. Cadel Evans fährt im Gelben Trikot über die Champs-Élysées und gewinnt die Tour 2011. Den finalen Sprint holt sich der Brite Mark Cavendish - zwei traurigen Norwegern ist das herzlich egal.

Das Tour-Finale in Bildern

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: