Svetislav Pesic und die Bayern-Basketballer:Befeuert vom brodelnden Vulkan

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Der Feldherr und sein Spielmacher: Svetislav Pesic und Heiko Schaffartzik

(Foto: AFP)

Er brüllt, fuchtelt und verteidigt an der Seitenlinie mit: Durch Trainer Svetislav Pesic ist beim FC Bayern endlich der gewünschte Erfolg in der Basketball-Bundesliga eingekehrt. Die Münchner spielen spektakulär und gewinnen - jetzt soll auch in der Euroleague der Schritt in die nächste Runde gelingen.

Von Jonas Beckenkamp

Dass der Basketballtrainer Svetislav Pesic früher selbst ein formidabler Aufbauspieler war, lässt sich erahnen, wenn man vor ihm steht und ihn begrüßt. Ein fester Händedruck, wache Augen und eine beachtliche Körpergröße - für einen 64-Jährigen wirkt er zudem äußerst agil. Seinen Job an der Seitenlinie übt der gebürtige Serbe aus Novi Sad gerne so aus, als wäre er selbst noch aktiver Profi.

Als die Bayern-Basketballer neulich gegen Olympiakos Piräus einen epischen Kampf lieferten und nur hauchdünn verloren, war Pesic ganz bei sich: Immer einen Schritt zu weit im Feld verteidigte er quasi als sechster Mann mit. Brüllen, fuchteln, zetern, dirigieren - einer wie Pesic hat schon zu viel erlebt, um still zu sitzen.

Als Spieler war er jugoslawischer Meister und gewann den Pokal der Landesmeister, als Trainer holte er so ziemlich jeden Titel, den der europäische Basketball hergibt. Seinen größten Coup landete er beim EM-Triumph mit der deutschen Nationalmannschaft 1993, als niemand an seine Mannschaft geglaubt hatte.

Pesic war das egal. Von ihm gibt es Filmaufnahmen aus der Zeit kurz vor dem Turnier, als er allen Ernstes sagte: "Wir spielen zu Hause. Warum sollen wir nicht eine Medaille holen?" Wer so denkt, passt natürlich auch zum FC Bayern, wo sie nach einem gescheiterten Versuch mit Dirk Bauermann im Sommer 2012 nach einem Coach mit internationalem Renommee fahndeten. Sportdirektor Marko Pesic musste damals nicht viel Überzeugungsarbeit leisten, Svetislav ist sein Vater. Seitdem hat sich einiges getan beim wohl ambitioniertesten Basketball-Projekt Europas - und vieles hat mit der Person Svetislav Pesic zu tun.

Obwohl er als Feldherr gilt, wollen vor allem deutsche Korbjäger wie Lucca Staiger, Heiko Schaffartzik oder Robin Benzing unbedingt unter ihm spielen. "Ihm habe ich viel zu verdanken, weil er mir nach einer schwierigen Zeit in Berlin wieder Vertrauen gab," sagte Dreierspezialist Staiger, nachdem er zu Saisonbeginn nach München gewechselt war. Pesic hatte den Nationalspieler in seiner zweiten Amtszeit als DBB-Chefcoach wieder in Form gebracht. Auch in München gönnt er nun den deutschen Akteuren viel Einsatzzeit - und die danken es ihm.

Inzwischen trifft Staiger immer besser, dasselbe gilt auch für Benzing, der unter Bauermann jegliches Selbstvertrauen verloren hatte. Fachlich genießt Pesic im Verein hohes Ansehen, Präsident Uli Hoeneß lobt seine Arbeit immer wieder - Sorgen machen sie sich intern höchstens um die manchmal schwer zu kontrollierenden Wutausbrüche des Cheftrainers. Aber solange es sportlich läuft, nimmt man den brodelnden Vulkan gerne in Kauf.

Wer zögert, verliert den Glauben

Immerhin hat Pesic dem hochgerüsteten Team endlich eine Identität verpasst, dazu eine Spielidee, die vor allem in der Bundesliga vortrefflich funktioniert: "Ich will im Basketball nicht reagieren, sondern attackieren", sagt er. Das heißt: Wenn seine Mannschaft am Ende einen Korb mehr erzielt als der Gegner, ist Pesic das Recht, auch wenn hinten Löcher entstehen. "Die erste Entscheidung ist immer die richtige", ist ein weiterer Leitsatz seiner Philosophie. Wer zögert, verliert den Glauben an den eigenen Wurf, also: Lieber daneben zielen als gar nicht werfen.

Mit diesem Selbstverständnis pflügen die Bayern bisher durch die BBL, elf zu eins Siege sprechen eine klare Sprache. Aus der systematischen, oft starren Offensive unter Vorgänger Bauermann ist binnen eines Jahres eine variable, spektakuläre Spielweise geworden - an ihre Grenzen stoßen Pesics Männer bisher nur in der Euroleague. Dort setzte es nach anfänglichem Erfolg zuletzt vier Niederlagen hintereinander. Das dramatische 103:105 in der vergangenen Woche gegen Titelverteidiger Piräus bildet dabei den vorläufigen Tiefpunkt, dabei war die Partie eigentlich ein Highlight.

Es ging auf höchstem Niveau hin und her, die Bayern verwandelten beinahe jeden Schuss von der Dreierlinie und am Ende bestand durch einen offenen Wurf von Schaffartzik sogar eine reelle Siegeschance. "Das war sicherlich das beste Spiel der bisherigen Euroleague-Saison", erklärte Pesic, "so ein super Spektakel hat es lange nicht gegeben." Dass die Bayern trotzdem verloren, schmälerte den Stolz nicht, selbst Präsident Uli Hoeneß zeigte sich zufrieden. "Man hat gesehen, dass wir nicht weit weg sind von der europäischen Spitze."

Einzig kräftemäßig habe es zum Schluss gegen die Power der Griechen Probleme gegeben - ein Schwachpunkt, der auch unter Bauermann immer wieder Thema war. Um mit dem Erreichen der nächsten Runde 14 weitere Partien auf Toplevel garantiert zu haben, braucht es nun einen Erfolg aus den verbleibenden beiden Gruppenspielen. Die vorerst letzte Reise führt die Münchner an diesem Donnerstag (20.15 Uhr live auf Sport1) zum punktgleichen Team von Unicaja Málaga, danach kommt Galatasaray Istanbul nach München. "Málaga wird sehr aggressiv verteidigen, viel doppeln und bis zum Umfallen kämpfen", prophezeit Pesic für die Partie in Andalusien.

Trotzdem rechnen sich seine Männer nach dem luftigen 82:68 im Hinspiel ordentliche Chancen aus. "Wir sind auf dem Weg, ein Spitzenteam zu werden", findet der Trainer, "uns fehlen nur noch mehr Kontinuität und Geduld". Bei allen europäischen Abenteuern geht es ohnehin erst einmal darum, im dritten Jahr als Erstligist endlich die Meisterschaft nach München zu holen. Nicht auszuschließen, dass Svetislav Pesic dafür sogar noch einmal selbst die Turnschuhe schnürt.

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