SV Werder Bremen:Vom Wusler zum Vorbild

SV Werder Bremen: Kartenkönig, aber kein Rüpel: Bremens Clemens Fritz.

Kartenkönig, aber kein Rüpel: Bremens Clemens Fritz.

(Foto: dpa)

Zu Beginn seiner letzten Rückrunde als Werder-Profi steht für Clemens Fritz sein 300. Bundesliga-Spiel an. Die Rolle, die er spielt, hat sich stark verändert.

Von Jonas Beckenkamp

Es gab Zeiten, in denen war der Fußballspieler Clemens Fritz ein Wusler. Bei Rot-Weiß Erfurt schoss er in der Regionalliga einmal zehn Tore in einer Saison. Beim Karlsruher SC preschte er über die rechte Seite nach vorne. Selbst für Deutschland hat er zwei Tore geschossen, in 22 Länderspielen. Zahlen sind das, wie aus vergessenen Zeiten. Am Sonntag wird Clemens Fritz, 35, für Werder Bremen gegen Schalke sein 300. Bundesligaspiel bestreiten. Aus dem jungen Wusler ist längst ein Stratege geworden.

Es ist eine besondere Rückrunde, die jetzt für Fritz beginnt: seine letzte. Vergangene Woche hat er die Werder-Familie mit einer Bekanntmachung durcheinandergeschüttelt: Fritz beendet zum Saisonende seine Karriere, nach 13 Profijahren. "Für mich war immer wichtig, dass ich in gutem körperlichen Zustand aufhöre - und das kann ich Ende Mai", sagt er, "außerdem bin ich kein Freund des Rumeierns. Die Entscheidung ist lange gereift, das kam jetzt nicht plötzlich aus dem Bauch heraus." Fritz will aus freien Stücken gehen, am liebsten als Kapitän einer Mannschaft, die die Klasse hält. Dabei will er dem jungen Bremer Team, den Öztunalis, Garcias und Vestergaards, ein Vorbild sein. Auch in Sachen Einsatz.

Nach Jahren auf der rechten Abwehrseite ist sein Terrain nun das zentrale Mittelfeld. Er fühle sich dort am wohlsten, sagt Fritz. Im Getümmel könne er als Chef mehr Einfluss nehmen, Kommandos geben - und auch mal beim Referee vorsprechen. Fritz und die Schiedsrichter, das ist in dieser Saison eine ganz eigene Geschichte. Mit acht gelben Karten führt der Bremer die Statistik an. Manche Verwarnung sah er für Beschwerden beim Unparteiischen, andere für taktische Fouls: "Wir sind eine junge Mannschaft, der manchmal noch Erfahrung fehlt", sagt er, "wenn ich mitkriege, dass ein taktisches Foul nötig ist, dann nehme ich mir die Freiheit dafür."

60 gelbe Karten sammelte Fritz in 299 Partien - ein altruistischer Wert für einen, der viel Verteidigungsarbeit vollbringt. Ein Rüpel war er nie, vielleicht ist er deshalb eine Autorität geworden. "Fritz gehörte zu den Spielern, die einer wackligen, bisweilen überforderten Mannschaft noch ein wenig Struktur und Halt geben konnten", kommentierte kürzlich der Weser-Kurier. Sportdirektor Rouven Schröder sagt, er verspüre "Wehmut", weil Fritz bald weg sei. "Er hat uns so viel gebracht, menschlich wie sportlich," sagt Schröder, der den Kapitän an den Klub binden möchte. 2017 beginnt Fritz ein Trainee-Programm bei Werder.

Abschiedsschmerz verspüren auch die Fans. Fritz mag vielleicht ein Schrittchen langsamer sein als früher, er ist kein Wusler mehr, doch sie schätzen ihren alten Fritz, die Wandlung zum Kartenkönig kommt gut an. Wobei: In seiner Karriere sah Fritz nur zwei Mal Gelb-Rot - jeweils gegen den HSV. Er sagt: "Wer mich kennt, weiß, dass ich kein Grobian bin. Und dass es mir nur darum geht, mit Werder die Klasse zu halten."

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