SV Werder:Bremen schwächt seinen neuen Chef sofort

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Haben Bremen wieder zurück in die Erfolgsspur geführt: Trainer Florian Kohfeldt (links) und Geschäftsführer Frank Baumann. (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)
  • Werder Bremen macht den bisherigen Interimstrainer Florian Kohfeldt zum neuen Cheftrainer.
  • Doch Sportchef Frank Baumann schwächt den Beförderten schon kurz nach der Bekanntgabe.
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Von Johannes Kirchmeier, Bremen/München

Je nachdem, wo man denn so hin will in Südamerika, ist Bremen weit davon entfernt - oder sogar sehr weit. Nach Caracas in Venezuela, also in den Norden Südamerikas, muss ein Bremer etwas mehr als 8000 Kilometer laufen und schwimmen. Nach Cabo de Hornos, dem Kap Hoorn, in Chile sind es schon fast 14 000 Kilometer Wegstrecke. Und irgendwo dazwischen muss sich mindestens ein Trainerkandidat des SV Werder Bremen befunden haben. Bremens Sportchef Frank Baumann verriet dies zumindest am Samstagvormittag. Er sprach davon, dass er eine Liste vorliegen hatte mit möglichen Nachfolgern für den Ende Oktober (und einen Tag nach Baumanns 42. Geburtstag) entlassenen Alexander Nouri, die "bis nach Südamerika" ging. In den vergangenen Tagen habe dann Baumann den "Kreis immer enger gezurrt" - und da fiel die Lösung in 10 000 Kilometer Entfernung aus dem Raster.

Denn am Ende stellte Baumann am Freitag weder den angesprochenen, aber nicht näher benannten Südamerikaner als neuen Bundesliga-Trainer vor, noch Bruno Labbadia, den unter den Anhängern so unbeliebten früheren Coach des Hamburger SV. Den Zuschlag erhielt Florian Kohfeldt, 35, ein Werderaner seit 2001. Sodass Baumann seinen Kreis letztlich im eigenen Büro mit einem handelsüblichen Schnellverstellzirkel für 12,95 Euro ziehen konnte.

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Der Verteidiger des FC Bayern München spricht über die möglichen Nachfolger von Trainer Jupp Heynckes. Bei Hoffenheim-Coach Julian Nagelsmann sei er "hin- und hergerissen".

Kohfeldt ist ein neuer Trainername in der Bundesliga, sonderlich viel Kreativität muss man Baumann bei dieser Lösung aber nicht unterstellen. Kohfeldt war in den vergangenen zwei Wochen bereits Interimstrainer und zuvor Trainer der zweiten Mannschaft. Von dieser Position aus stieg er nun auf - wie seine beiden Vorgänger Viktor Skripnik und Nouri. Die erprobte Werder-Lösung soll dem abstiegsbedrohten Klub erneut den Klassenverbleib bringen: "Florian soll die Mannschaft aus dem Tabellenkeller führen. Wir sind davon überzeugt, dass er mit der Unterstützung der Mannschaft, der Fans und des ganzen Umfelds diese Wende einleiten kann", sagte Baumann am Freitag.

Acht Pflichtspiele, um sich zu empfehlen

Tags darauf verriet Baumann aber so ehrlich wie nur wenige Sportchefs in der Bundesliga, dass der Auserwählte eigentlich gar nicht sein gewünschter Mann war. "Natürlich kann man durchaus sagen, dass es bessere Möglichkeiten gegeben hat, vielleicht bessere Trainer für uns interessant gewesen wären." Konkrete Namen wollte er nicht nennen, er sprach von "zwei, drei" Trainern. Dabei dürfte es sich um den Österreicher Adi Hütter handeln, der bei den Young Boys Bern seinen Vertrag verlängerte, statt in den Norden zu wechseln - sowie möglicherweise um den früheren Dortmunder Thomas Tuchel und den früheren Gladbacher Lucien Favre. Zumindest deutete Baumann das ironisch an: "Wenn man das auf andere Positionen übertragen würde, dann ist es so, dass Jiri Pavlenka (Torhüter, Anm. d. Red.) auch nur unsere vierte Wahl war, weil wir Neuer, ter Stegen und Leno nicht bekommen haben."

Zweifellos hat der gebürtige Siegener Kohfeldt in den vergangenen Tagen Überzeugungsarbeit für sich auf dem Trainingsplatz geleistet. Er gilt im Klub als besserer Taktiker und Redner als seine Vorgänger, "kein verfügbarer Kandidat hat uns in den Gesprächen mehr überzeugt als er", sagte Baumann über den früheren Torwart des SV Werder III.

Trotz des Lobs schwächt Baumann den Sport- und Gesundheitswissenschaftler jedoch zusätzlich, indem er ihm erst einmal nur eine Chance bis zur Winterpause gibt. Der als letzter verpflichtete Bundesliga-Trainer hat also gleichzeitig die kürzeste Vertragslaufzeit, bleibt in gewisser Weise Interimstrainer beim SVW. Sieben Pflichtspiele hat Kohfeldt nun bis zum 31. Dezember, um sich für eine Vertragsverlängerung zu empfehlen. Oder eben doch nur so lange, bis eine der Lösungen auf Baumanns langer Liste wie etwa der mit Nizza schwächelnde Favre entlassen ist? "Die Wahrscheinlichkeit, dass wir mit Florian weitermachen und mit ihm den Klassenerhalt schaffen, ist sehr groß", wiegelt Baumann da ab - und bleibt im Grunde trotzdem denkbar vage.

© SZ vom 12.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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