Supercup:Mit dem Charme der Fabrik

Eigengewächs Dani Carvajal sorgt für Real Madrids dritten Erfolg. Der 24-Jährige entschied das Spiel gegen den FC Sevilla mit seinem Treffer in der 118. Minute.

Von Javier Cáceres, Berlin

Im Büro von Real Madrids Boss Florentino Pérez hängt ein Foto, das ins Auge fällt. Es stammt vom Tag der Grundsteinlegung für die 2005 eröffnete Sportstadt Real Madrids, einem gigantischen Areal in der Nähe des Flughafens, auf dem die Nachwuchskräfte auf ein Leben als Profi vorbereitet werden. La fábrica wird der Ort genannt, der Name suggeriert, dass man dort Profis am Fließband herstellt.

Auf dem Foto ist die 2014 verstorbene Klublegende Alfredo Di Stéfano zu sehen, ebenso ein pubertärer Bub mit blonden Strähnen in der palmkronenartigen Frisur. Als das Foto entstand, 2004, war dessen Name nicht mal Eingeweihten bekannt. Doch das hat sich so radikal geändert wie die Haarpracht des nun klassisch frisierten Mannes. Am Dienstagabend sorgte er im Supercup-Finale in Trondheim/Norwegen für das 3:2-Siegtor gegen den Europa-League-Gewinner FC Sevilla und somit für den dritten Supercup des Champions-League-Siegers Real Madrid. Sein Name: Dani Carvajal, 24.

Die Ergebnisse des Supercups seit 2000

2000 Galatasaray Istanbul - Real Madrid 2:1

2001 FC Liverpool - Bayern München 3:2

2002 Real Madrid - Feyenoord Rotterdam 3:1

2003 AC Mailand - FC Porto 1:0

2004 FC Valencia - FC Porto 2:1

2005 FC Liverpool - ZSKA Moskau 3:1

2006 FC Sevilla - FC Barcelona 3:0

2007 AC Mailand - FC Sevilla 3:1

2008 St. Petersburg - Manchester United 2:1

2009 FC Barcelona - Schachtjor Donezk 1:0

2010 Atlético Madrid - Inter Mailand 2:0

2011 FC Barcelona - FC Porto 2:0

2012 Atlético Madrid - FC Chelsea 4:1

2013 Bayern München - FC Chelsea i.E. 5:4

2014 Real Madrid - FC Sevilla 2:0

2015 FC Barcelona - FC Sevilla n.V. 5:4

2016 Real Madrid - FC Sevilla n.V. 3:2

Den Treffer erzielte er in der 118. Minute, nach einem schönen Solo gegen ein erschöpftes, durch einen späten Platzverweis zusätzlich geschwächtes Sevilla. "Ich hab' den Ball gestohlen, den Raum gesehen und bin durch", erzählte Carvajal über seinen 40-Meter-Ausflug, den er mit einem Außenristschuss abschloss. Es war eine klassische Carvajal-Szene: ein unwiderstehlicher Marsch durch des Gegners Reihen, wie er ihn einst auch in der Bundesliga aufgeführt hatte. 2012/13 trug er das Trikot von Bayer Leverkusen, was einem kleinen Wunder gleichkam. Michael Reschke, damals Leverkusen-Manager und heute Kaderplaner beim FC Bayern, hatte seinerzeit enorme Mühe, Pérez Sentimentalität zu überwinden. Den Buben vom Foto, der symbolhaft für Reals Zukunft stand, wollte der Baulöwe nicht gehen lassen. Er tat es doch, nur ein Jahr später zog Real die Rückkaufoption und zahlte Leverkusen 6,5 Millionen Euro für den verlorenen Sohn.

Kiko Casilla

Kurz mal in Leverkusen, längst wieder zurück in Madrid: Dani Carvajal präsentiert den Supercup.

(Foto: Ned Alley/AP)

Andererseits: Pérez' Sentimentalität ist begrenzt. 2015 setzte er Carvajal den Brasilianer Danilo vor die Nase, für 31,5 Millionen Euro. Doch Carvajal hat ihn weggebissen. Nur Verletzungen halten ihn auf, so etwa jüngst im Champions-League-Finale gegen Atlético Madrid, in dem er eine so schwere Muskelblessur erlitt, dass er für die EM in Frankreich absagen musste.

Weil Reals Coach Zinédine Zidane noch (unter anderem) auf EM-Fahrer wie Cristiano Ronaldo, Gareth Bale oder Toni Kroos verzichtete, war Carvajal nicht das einzige "Fabrik"-Produkt Reals, das im Supercup von sich reden machen konnte. Ähnliches galt für Stürmer Lucas Vázquez, 25, sowie Mittelfeldspieler Marco Asensio, 20. Asensio war zu Real Mallorca und Espanyol Barcelona geschickt worden, nun ist auch er wieder da und sorgt für Aufsehen. Wie im Testspiel vor einer Woche in New Jersey gegen den FC Bayern (1:0) traf Asensio aus der Distanz, diesmal jagte er nach 21 Minuten den Ball zum 1:0 in den Winkel. Das runderneuerte, sehr interessante Team aus Sevilla wähnte sich nach den Toren durch Vázquez (41.) und Konopljanka (72.) vor dem Sieg. Doch dann kam der Auftritt von Real-Kapitän Sergio Ramos, einst bei Sevilla tätig, ausgerechnet. Wie im Champions-League-Finale von Lissabon gegen Atlético (2014) erzwang er per Kopfball die Verlängerung (93.) - und bahnte den Weg zu einem Sieg, der wie kein anderer Triumph der letzten Jahre den Charme der Real-Fabrik verströmte.

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