Super-G der Männer bei der Ski-WM:Draufgänger Ligety rast allen davon

Men's Super G - Alpine FIS Ski World Championships

Keiner riskierte so viel wie er: Der Amerikaner Ted Ligety. 

(Foto: Getty Images)

Diesmal funktioniert in Schladming alles, auch das Wetter passt - und es gewinnt ein Amerikaner: Ted Ligety geht im Super-G der Männer volles Risiko und fährt vor allem im Mittelteil der Strecke deutlich besser als der Rest. Favorit Aksel Lund Svindal verpasst mit einem Fehler am Ende Gold, Deutsche und Österreicher bleiben chancenlos.

Von Jonas Beckenkamp

Es ist nicht auszuschließen, dass die Organisatoren der alpinen Ski-WM an diesem Mittwoch ein paar Stoßgebete an den Wettergott losschickten - ein bisschen winterliche Kaisersonne hätte ihnen gewiss gut getan. Am Vortag hatte das Schladminger Schmuddelwetter für einige Debatten und ein veritables Drama gesorgt, als das Auftaktrennen der Frauen wegen bedrohlichem Nebel stundenlang verschoben werden musste. Als dann doch noch alles begann, sahen die Zuschauer einen Wettbewerb, der so eigentlich nicht stattfinden hätte dürfen.

Matschiger Schnee, schlechte Sicht und ungleiche Bedingungen, dazu kam der verheerende Crash von Lindsey Vonn, der einige Teilnehmerinnen reichlich schockierte. Und heute? Stand der Super-G der Männer auf dem Programm, ein Event, das am rasanten Berg Planei nicht minder gefährlich einzuschätzen ist. Die entscheidenden Fragen drehten sich vor dem Rennen dementsprechend weniger um Favoriten oder Medaillenkandidaten, sondern vielmehr um die klimatischen Rahmenkonditionen im sonst so einladenden Ennstal - und siehe da: Es war deutlich angenehmer. Keine dunklen Schleier, kein Nieselregen, dafür akzeptables Skiwetter.

Wer nach all diesen Überlegungen zumindest kurz ins Sportliche abdriftete, kam an einem Namen aber nicht vorbei: Der Norweger Aksel Lund Svindal, überragender Speed-Skifahrer der Saison, galt allen Ambitionen der österreichischen Heimlieblinge zum Trotz als erster Anwärter auf Gold. Ähnliches ließ sich über die Deutschen Tobias Stechert und Stephan Keppler nicht sagen - für sie ging es nach Verletzung und Formschwankungen eher darum, irgendwo zwischen Platz acht und 15 zu landen.

Das gelang beiden letztlich jedoch nicht, womit sich einmal mehr bestätigte, dass die deutschen Männer in den schnellen Disziplinen der Weltspitze zumeist hinterherhecheln. "Mein Lauf war von oben bis unten Mist. Ich bin nur runtergestoplert, das war heute nichts," sagte Keppler, der nach einem katastrophalen Lauf Vorletzter wurde. Stechert erging es kaum besser, er landete nach langer Verletzungpause auf Rang 25. In anderen Sphären bewegte sich der Amerikaner Ted Ligety, der mit einer überragenden Vorstellung zu Gold sauste.

Silber ging an den Franzosen Gauthier de Tessieres, der durchaus als Überraschungsgast auf dem Podium gelten darf - Svindal kostete ein kleiner Fehler am Ende den Sieg, er wurde Dritter. "Es war verdammt schwierig, heute sauber zu fahren. Aber es ist mit gut gelungen und ich bin sehr froh, dass es heute so toll geklappt hat," sagte Ligety, der etwas überraschend den Titel holte.

27.000 Zuschauer waren in den Talkessel gekommen, um den (diesmal pünktlichen) Start zu verfolgen - und sie erlebten gleich einen zöglichern Keppler. Mit Startnummer drei hatte der Ebinger eigentlich gute Voraussetzungen, um ein brauchbares Ergebnis zu erzielen. Auf neu präparierter Strecke unterlief ihm aber noch im ersten Drittel ein folgenschwerer Fahrfehler, als es ihn an einer flachen Stelle beinahe aushebelte. Die Konsequenz: Eine unruhige, wenig überzeugende Fahrt und über zweieinhalb Sekunden Rückstand im Ziel. So hatte sich der Deutsche sein WM-Debüt sicher nicht vorgestellt.

Svindal verhakt sich kurz vor Schluss

Es führte zunächst der Franzose de Tessieres, der direkt nach Keppler einen rasanten Ritt hinlegte - ohne Aussetzer, stattdessen mit viel Zug und Geschwindigkeit. Seine Marke von 1:24,16 Sekunden hatte eine Weile Bestand, wohl auch, weil sich kaum einer so viel zutraute wie der 31-jährige Routinier aus Clermont-Ferrand - außer Ted Ligety. Noch ehe die ersten Österreicher ihre großen Hoffnungen untermauern konnten, fegte der 28-Jährige aus Salt Lake City die Piste hinunter und setzte eine neue Bestzeit. Und was für eine!

Nach kleinem Rückstand im oberen Teil zeigte er auf dem Rest des Berges eine Glanzleistung: Enge Linie, kaum Speed-Verlust und geschickt am Steilhang. Sollte Ligety hier für eine Überraschung sorgen? Bei all der Konkurrenz aus Austria, Frankreich und Norwegen war das nicht unbedingt zu erwarten, aber je mehr Fahrer sich erfolglos an seiner Spitzenmarke versuchten, desto mehr Gewicht erhielt die Vorstellung des amtierenden Riesenslalom-Weltmeisters. Es war ein gewaltiger, äußerst mutiger Lauf, der ihm da gelungen war - das stand fest. Es offenbarte sich, dass hier nur die Athleten eine Siegchance haben, die enormes Risiko gehen.

Das beherzigten auch die Medaillenanwärter Matthias Mayer aus Österreich und Matteo Marsaglia aus Italien, doch im Super-G besteht eben ein schmaler Grat zwischen zackigem Skifahren und Stilsicherheit. Beide pokerten zu hoch, verkanteten ihre Skier und verloren mit ungestümen Abfahrten viel Zeit. Überhaupt, die Österreicher: Bisher war die WM nicht nach ihrem Geschmack verlaufen und auch diesmal versagte mit Hannes Reichelt ihr letzter Trumpf. Seine technisch saubere Fahrt im oberen Abschnitt reichte nicht, er fiel ebenso zurück und wurde am Ende Vierter vor seinem Landsmann Mayer.

Dann kam der Titelverteidiger: Christof Innerhofer probierte anzugreifen, er lag zu Beginn sogar vorne, doch an Ligetys Wundertaten im Mittelteil konnte auch der Südtiroler nicht rütteln - Weltmeister durfte er sich nach beträchtlichem Rückstand nicht mehr lange nennen (am Ende lag er auf Rang sieben). Somit blieb nur noch Svindal und der fuhr zunächst wie ein sicherer Goldgewinner. Er schob sogar beim Start mit Langlaufschritten an, führte schnell und sah aus wie einer, der hier seiner Favoritenrolle mit Leichtigkeit gerecht wird. Seine sicheren, energischen Schwünge halfen ihm, den Vorsprung auszubauen und alles wirkte so, als müsse Ligety jetzt seine Führung abgeben.

Doch kurz vor Schluss passierte es doch noch: Der Norweger verhakte sich wenige Tore vor dem Ende und verlor eine halbe Sekunde. Als er in den Zielbereich preschte, lag er 22 Hundertstel zurück - für ihn wurde es Bronze. Ligety hatte tatsächlich eine nicht zu schlagende Fahrt auf die Piste gezaubert. Der Amerikaner freute sich über Gold, während der früh gestartete de Tessieres Silber holte. Aksel Lund Svindal blieb immerhin Bronze, dabei war er lange auf Siegerkurs gelegen.

Und Tobias Stechert? Er musste lange auf seinen Auftritt warten, erst mit Startnummer 36 schlug seine Stunde - und er absolvierte nach seiner ewigen Verletzungspause ein mäßiges Comeback. Er hatte stark begonnen, ehe ihn ein Fehler deutlich Zeit kostete. Im Ziel waren es beinahe drei Sekunden Rückstand - Platz 25 bedeutete für ihn schließlich immerhin: Nicht ganz so schlecht wie Keppler.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: