Super Bowl:Die NFL verschließt die Augen vor Trump

Mohamed Sanu

Mohamed Sanu von den Atlanta Falcons ist der einzige Muslim im Super Bowl. Er ist ein begehrter Gesprächspartner, will sich aber nicht politisch äußern.

(Foto: Eric Gay/AP)

Beim Super Bowl zeigt sich erneut, dass der Sport in entscheidenden Momenten einknickt. Dabei kennzeichneten politische Proteste die gesamte Football-Saison.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Mohamed Sanu war plötzlich ein gefragter Mann, im wahrsten Sinne des Wortes. Der junge Mann ist ein begabter Passempfänger, gewiss, doch die vielen Reporter wollten mit ihm am Montagabend nicht über seine Football-Fähigkeiten reden. Der Wide Receiver der Atlanta Falcons ist der einzige muslimische Akteur beim Super Bowl, sein Vater Samuel hat einst für die Fußball-Nationalelf von Sierra Leone gespielt. US-Präsident Donald Trump hatte gerade per Dekret ein befristetes Einreiseverbot für Menschen aus sieben sogenannten muslimischen Ländern verhängt, dazu sollte sich Sanu nun bitteschön äußern.

"Klar, mein Name ist Mohamed, ich bin Muslim", sagte Sanu: "Ich bin aber nicht hier, weil ich Muslim bin, sondern ein guter Sportler. Ich will über Football reden. Wenn Ihr mich also weiter zu meinem Glauben befragt, dann werdet Ihr - bei allem Respekt - stets die gleich Antwort bekommen: Ich will über Football reden." Auf weitere Nachfragen sagte Sanu, dass ihn das Dekret schon bewegen würde und dass er auch eine klare Meinung dazu habe, doch anstatt die Meinung kundzutun, sagte er lieber wieder: "Ich will über Football reden."

Es ist völlig legitim für Sanu, sich nicht äußern zu wollen - angesichts einer politisch aufgeladenen NFL-Saison war es während der Super-Bowl-Woche jedoch auffällig, dass kaum jemand über Politik und gesellschaftliche Relevanz sprechen wollte. Martellus Bennett, Tight End der New England Patriots, war der einzige von knapp 100 Akteuren mit einer wenigstens halbwegs politisch relevanten Aussage: "Wahrscheinlich würde ich eine Einladung ins Weiße Haus nicht annehmen, weil ich den Bewohner nicht unterstütze." Alle anderen sagten: "Ich will über Football reden."

Die Football-Saison war außerordentlich politisch

Politische Proteste von Sportlern sind fest in der jüngeren amerikanischen Geschichte verankert: Dem Boxer Muhammad Ali wurde einst der Titel im Schwergewicht aberkannt, weil er sich geweigert hatte, sich für den Krieg in Vietnam ("Kein Vietcong hat mich jemals Nigger genannt.") rekrutieren zu lassen. Tommie Smith und John Carlos hoben bei den Olympischen Spielen in Mexiko 1968 während der Nationalhymne die Faust in die Höhe, um Black Pride zu symbolisieren. Der Basketballspieler LeBron James trug vor drei Jahren beim Aufwärmen ein T-Shirt mit der Aufschrift "I can't breathe", um nach dem Tod von Eric Garner gegen Polizeigewalt zu demonstrieren. Der Super Bowl, das amerikanischste aller amerikanischen Sportfeste, böte den größtmöglichen Rahmen für eine politische oder gesellschaftliche Botschaft.

Während dieser Saison hatte es zahlreiche Aktivitäten von NFL-Spielern gegeben: Der Spielmacher Colin Kaepernick kniete beim Abspielen der Nationalhymne, er protestierte gegen Rassismus und Polizeigewalt. Er wurde dafür als Vaterlandsverräter geschimpft, in sozialen Netzwerken wurden ihm Verletzungen und auch der Tod gewünscht, hin und wieder war das Wort "Nigger" zu lesen. Kaepernick machte weiter, zahlreiche Kollegen schlossen sich an, es entstand ein ernsthafter politischer und gesellschaftlicher Diskurs.

Viele Akteure sprachen sich gegen Polizeigewalt, Rassismus und häusliche Gewalt aus, einige positionierten sich (auf beiden Seiten) im Präsidentschaftswahlkampf. Es wurde gar über eine politisch aktive Gruppe von Sportlern gesprochen - wie jene im Juni 1967 aus prominenten Akteuren wie Kareem Abdul-Jabbar, Bill Russell (beide Basketball), Jim Brown und Sid Williams (beide Football), die Ali bei seinem Protest gegen den Militärdienst unterstützte.

Die NFL verschließt die Augen vor den Problemen im Land

Und nun, am Sonntag in Houston? Trump wird nicht ins Stadion kommen, bislang hat noch kein amtierender US-Präsident den Super Bowl besucht. Der Präsident wird, das ist seit einigen Jahren Tradition, dem übertragenden Sender ein Interview geben, das während der Vorberichterstattung ausgestrahlt werden soll. In diesem Jahr überträgt Fox, Trumps Fragesteller ist Bill O'Reilly - ein vermeintliches Heimspiel für den Präsidenten, auch wenn O'Reilly versichert: "Ich werde den Dingen auf den Grund gehen."

Ansonsten geht die NFL mit dem Super Bowl um, wie es auch der Fußball-Weltverband Fifa oder das Internationale Olympische Komitee mit ihren Veranstaltungen tun: Wenn die Fußball-WM eröffnet, die Olympische Fackel ins Stadion getragen oder das Super-Bowl-Spektakel beginnt, dann müssen Politik und Gesellschaft draußen bleiben. In den Verschriftlichungen der Interviews mit den Spielern am Medienabend kommt der Name Trump nicht ein Mal vor, der Begriff Präsident nur in Bezug auf den Leiter eines Vereins. NFL-Sprecher Brian McCarthy sagte, dass es keine Zensur gegeben habe - sondern lediglich Kürzungen, um den Berichterstattern die wichtigsten Zitate zukommen zu lassen.

Die NFL verschließt die Augen angesichts dessen, was gerade in diesem Land passiert - und darf das sogar zur Tugend erklären. Ligachef Roger Goodell sagt: "Ich konzentriere mich nur auf den Super Bowl. Wir haben eine Veranstaltung, die am Sonntag die Welt vereinen wird. Die Menschen werden unterhalten und sich gut fühlen wegen dem, was wir da tun. Darauf sind wir stolz und daran werden wir auch in Zukunft arbeiten."

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