Stuttgart - Leverkusen (15.30 Uhr):Trister als trist

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Piano, piano? Beim Ausscheiden gegen Villarreal in der Euopa League unter der Woche spielte das Team von Roger Schmidt arg gemächlich.

(Foto: Patrik Stollarz/AFP)

Bayer 04 droht alle Saisonziele zu verpassen, die Mannschaft spielt ohne Esprit - und Rudi Völler widerspricht Roger Schmidt.

Von Ulrich Hartmann, Leverkusen

Auf dem Tiefpunkt spendete nur die Anzeigetafel im Stadion noch Trost. Bayers Fußballer sind aus dem Pokal und aus dem Europacup ausgeschieden, und in der Bundesliga drohen sie die neuerliche Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb zu versäumen. An diesem Sonntag (15.30 Uhr) gastieren sie beim VfB Stuttgart. Die Spieler wirken ausgelaugt und die Funktionäre skeptisch, die Saisonziele stehen auf der Kippe. Es gibt in diesen Wochen niemanden, der ein Wort wie "Stolz" in den Mund nehmen würde. Das übernimmt die Stadionregie. Am Donnerstagabend, als einfallslose und ausgelaugte Leverkusener durch ein 0:0 gegen Villareal aus der Europa League ausgeschieden waren, erschien zu Beginn der zweiten Halbzeit relativ unvermittelt ein stiller Ansporn auf der Anzeigetafel: "Wir sind stolz auf unsere Stadt, unseren Verein und unsere Werkself."

Der 17. März ist überstanden. Zum Glück, denken die Fans. Der 17. März ist in Leverkusen so eine Art fußballerischer Trauertag. Am 17. März 2011 ist Bayer Leverkusen gegen Villarreal aus der Europa League ausgeschieden, am selben Datum 2015 gegen Atletico Madrid aus der Champions League und am selben Datum am vergangenen Donnerstag eben gegen Villarreal aus der Europa League. Immer im Frühjahr setzt in Leverkusen Tristesse ein, wenn die Bayer-Fußballer sich mal wieder vergeblich um den Einzug in ein Viertelfinale bemühen. 2012 sind sie im Frühjahr gegen Barcelona aus der Champions League ausgeschieden, 2013 gegen Benfica Lissabon aus der Europa League und 2014 gegen Paris aus der Champions League.

Schmidt bemängelt "Entschlossenheit und Klarheit" und "Spielwitz und Präsenz"

Zuletzt im April noch in einem internationalen Wettbewerb vertreten war Leverkusen 2008 (Viertelfinal-Niederlage in der Europa League gegen St. Petersburg) und zuletzt über das Viertelfinale hinaus haben sie es 2002 geschafft (Final-Niederlage in der Champions League gegen Real Madrid). Das jüngste Aus gegen Villarreal haben sie tapfer hingenommen, aber nun droht ein Schreckensszenario: Es könnte das letzte Leverkusener Europapokalspiel für mindestens eineinhalb Jahre gewesen sein. 2016 ist ein besonders tristes Frühjahr unterm Bayerkreuz.

Am Haupteingang zum Leverkusener Stadion hängt ein riesiges Plakat, auf dem steht: "Bis zu 80 Prozent reduziert." Der Fanshop wirbt mit Rabatten, aber man hat am Donnerstag den Eindruck bekommen können, auch in der Mannschaft sei zurzeit vieles reduziert: der Wille, der Glaube, die Kraft und die Qualität. Das 0:0 gegen Villarreal nach einer 0:2-Niederlage im Hinspiel war ein Offenbarungseid. Die Spanier überließen den Leverkusenern das Spiel, aber gute Chancen zur Egalisierung des Gesamtergebnisses gelangen den Rheinländern trotzdem kaum. "Entschlossenheit und Klarheit" haben dem Trainer Roger Schmidt gefehlt, aber auch "Spielwitz und Präsenz". Vielmehr kann einer Fußballmannschaft eigentlich gar nicht fehlen.

Man hätte dem Bayer-Coach deshalb eine gewisse Enttäuschung, vielleicht sogar leichte Wut zugestanden - er zeigt beim Umgang mit Schiedsrichtern ja gern diesbezügliche Emotionen - aber Schmidt war erstaunlich milde in der Beurteilung seiner leidenschaftslosen Mannschaft. "Das ist keine Katastrophe", sagte er über das Aus im Europapokal und begründete dies mit den zahlreichen Ausfällen (Roberto Hilbert, Sebastian Boenisch, Ömer Toprak, Lars Bender, Tin Jedvaj) sowie mit den kräftezehrenden englischen Wochen. Nach dem Aus im DFB-Pokal und dem Aus in der Europa League muss man den Wiedereinzug in den Europacup über die Bundesliga schaffen.

Der Anschluss zur Spitzengruppe droht abzureißen

Vor dem Auswärtsspiel an diesem Sonntag beim VfB Stuttgart drohen die Leverkusener nach zuletzt drei Niederlagen in fünf Spielen den Anschluss an die Spitzengruppe zu verlieren, aber auch dieses negative Momentum nimmt Schmidt gelassen. "Mal schauen, wofür es am Ende reicht", sagt er, während sein Vorgesetzter, der Sportdirektor Rudi Völler, sagt: "Natürlich wollen wir wieder in den Europapokal, und wir wollen auch weiter kommen als dieses Jahr." Schmidt ist längst nicht mehr unangetastet in Leverkusen, weder in der Chefetage noch in der Mannschaft.

Acht Ligaspiele bleiben. Bis Mai wird sich erweisen, ob sich Schmidt und Völler am Ende einig sind in der Saisonanalyse. Die direkten Konkurrenten Wolfsburg, Schalke, Berlin und Gladbach warten noch als Gegner. Als Argument für sich könnte Schmidt einen Erfolg in Stuttgart an diesem Sonntag schon einmal sehr gut gebrauchen.

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