Sturz von Simon Ammann:Wackeln, verkanten und wegrutschen

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Stürzte nach der Landung: Simon Ammann (Foto: Dominic Ebenbichler/Reuters)

Die Regeln im Skispringen sind sicherer geworden, doch die Sportart ist es nicht. Der Sturz von Simon Ammann wirkt nach. Der Weltverband Fis darf nach dem fatalen Tournee-Finale nicht länger tatenlos zusehen.

Ein Kommentar von Volker Kreisl

Es sollte ein ruhigerer Winter werden für die Regelhüter. Sie hatten dem Skispringen mit Windkompensationsregel, flexibler Anlaufverkürzung, sicherem Material und Windplanen über Jahre hinweg einen moderneren Rahmen verpasst. Auch darf ab dieser Saison erstmals ein Rückenprotektor getragen werden, die Anzüge haben jetzt mehr Spielraum. Die Regeln sind also sicherer, nur: Das Skispringen ist es nicht.

Simon Ammanns rabiater Sturz zum Höhepunkt der Vierschanzentournee hat die Stimmung der Zuschauer gedämpft, jedenfalls so lange, bis die Entwarnung kam, er habe "nur" eine schwere Gehirnerschütterung erlitten. Doch Ammanns Sturz wirkt nach. Wie er mit dem Gesicht nach unten und wohl bereits bewusstlos mit 120 Stundenkilometern durch den Schnee bremste und sich schwere Prellungen und Schürfwunden zuzog, diese Bilder blieben haften - zumal er einer der erfahrensten Skispringer ist, ein viermaliger Olympiasieger. Am Tag zuvor hatte es in Bischofshofen weitere Stürze gegeben, darunter den des US-Amerikaners Nicholas Fairall, der ähnlich heftig war. Auch er war bei der Landung gestürzt, auch bei ihm hatte sich zumindest ein Ski nicht gelöst, weshalb er anders als zuvor der Japaner Daiki Ito nicht abrollen, die Sturzkräfte nicht umlenken konnte. Fairall zog sich eine Rückenverletzung zu, er wurde operiert, gab aber ebenfalls Stunden später eine vorsichtige Entwarnung.

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Längst gibt es auch den Rückenprotektor - doch fast keiner trägt ihn

Für den Sport und dessen Weltverband kann diese nicht gelten. Was bislang geregelt wurde, war in erster Linie die Gefahr von außen: das Risiko, trotz eines perfekten und umsichtigen Sprunges in eine Böe zu geraten, weil, zum Beispiel wegen des Drucks der Veranstalter, ein Springen trotz unberechenbarer Windstärken über die Bühne gehen sollte. Im Weltcup gibt es nun genügend Fälle von Springen, die sicherheitshalber abgebrochen wurden, zuletzt in Nischni Tagil in Russland. Und sogar der regelrechte Absturz von Andreas Wellinger in Kuusamo lag eher an einem eigenen Fehler in der Luft als am Einfluss des Windes. Was unüberschaubar wird, ist die Gefahr von innen.

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Ammanns und Fairalls Stürze sind Beispiele dafür, wie mäßige Risiken im Konkurrenzkampf unkontrollierbar werden. Alle Springer nutzen mittlerweile die Bindung mit gebogenem Stab, ohne sie haben sie keine Chance. Damit liegen die Ski trotz schräger Fußhaltung in der Luft relativ plan, was den Widerstand erhöht und die Flugdauer verlängert. Aber nicht alle beherrschen die Landungskräfte, denn der gebogene Stab erschwert umgekehrt das plane Aufkommen. Die Springer wackeln, verkanten und rutschen weg, weil sie bei der Telemark-Landung nicht stabil stehen. Natürlich springt wegen dieses Risikos kein Anfänger kürzer. Die größte Gefahr bleibt es, im Ehrgeiz die eigenen Grenzen zu ignorieren.

Zum Helmtragen mussten Skispringer einst verpflichtet werden, ähnlich wird es mit dem Rückenprotektor kommen, der vorerst nur erlaubt, nicht vorgeschrieben ist. Er stört beim Fliegen, kaum einer trägt ihn, und dabei können die Regelhüter des Weltverbands Fis nach dem Tournee-Finale nicht länger tatenlos zusehen.

Am Wochenende steht der Skiflug-Weltcup auf der umgebauten Schanze am Kulm bevor. Die Skispringer brennen darauf, ihre persönliche Bestweite zu erhöhen. Es soll stark windig werden.

© SZ vom 08.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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