Streit um Sicherheit in Fußballstadien:Mit dem Böller in der Hand

Die geltenden Regeln in den Fußballstadien machen es niemanden recht. Sie schrecken die Gewaltsuchenden nicht ab und stellen die Friedlebenden unter Generalverdacht. Dieses Problem muss gelöst werden - doch es fehlt beiden Seiten an Dialogbereitschaft.

Boris Herrmann

Hannover 96 - Dynamo Dresden

Polizei im Stadion: Beim Pokalspiel Hannover 96 gegen Dynamo Dresden musste die Staatsgewalt einschreiten.

(Foto: dapd)

Anlässlich der berühmten Platzsturm-Aufstiegsfeier seiner Fortuna bekam das Düsseldorfer Urgestein Andreas Lambertz im Frühjahr einen brennenden Bengalo in die Hand gedrückt. Er wurde für zwei Spiele gesperrt. Ein paar Wochen später hielt das Düsseldorfer Urgestein Campino - anlässlich eines Konzertes der Toten Hosen - ebenfalls einen brennenden Böller in die Luft. Er durfte weiterspielen.

Wieso ist im Stadion verboten, was beim Stadionrock erlaubt ist? Findet Fußball in einem rechtlichen Parallel-Universum statt? Das sind Fragen, mit denen sich die Besucher des Berliner Fan-Gipfels gerade beschäftigten. Sie sind gar nicht so leicht zu beantworten. Wie fast alle Fragen rund ums Thema Stadionsicherheit.

Das hängt damit zusammen, dass hier von Politik und Sportverbänden allgemeine Regeln formuliert werden sollen, um das Verhalten von geschätzten fünf Prozent der Stadiongänger zu sanktionieren - Regeln, die aber trotzdem hundert Prozent Fußballfans betreffen. Es allen recht zu machen, wäre ein schier aussichtsloses Unterfangen. Die gegenwärtigen Regelungen machen es aber gar niemandem recht. Die Gewaltsuchenden werden nicht abgeschreckt (wie das Pokalspiel in Hannover wieder zeigte) und die Friedliebenden sehen sich einem Generalverdacht ausgesetzt. Wer die Debatte entkrampfen will, muss dieses Grundproblem lösen. Irgendwie.

Es heißt, in dieser Woche sei immerhin ein neuer Dialog angestoßen worden. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) auf der einen, sowie die Fan-Gruppierungen auf der anderen Seite begrüßen das. Im Grunde hat das, was bisher geschah, mit klassischen Dialogformen aber wenig zu tun. Weiterhin wird nicht miteinander, sondern nur umso lauter übereinander geredet. Weiterhin werden unterschiedliche Themen - Gewalt, Stehplatzverbote, Einlasskontrollen, Bürgerrechte - munter miteinander vermischt. Nur um am Ende doch wieder bei der ewigen Reizwortgeschichte zu landen.

Die Fans haben eine Erklärung verabschiedet, in der es sinngemäß heißt: Wir sind gesprächsbereit, aber auf Pyrotechnik wollen wir nicht verzichten. Die DFL hat darauf sinngemäß geantwortet: Wir sind natürlich auch gesprächsbereit, aber Pyrotechnik werden wir niemals erlauben.

Bei so viel echter Dialogbereitschaft lautet wohl die einfachste Lösung: Ab jetzt finden in den hiesigen Stadien nur noch Tote-Hosen-Konzerte statt!

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