Streit beim TSV 1860 München:Nächster Showdown Aufsichtsratssitzung

Lesezeit: 4 min

Geschäftsführer Robert Schäfer (links) muss sich erneut erklären. Vor einem Monat verlängerte er schon die Verträge von Sportchef Hinterberger und Trainer Schmidt ohne Absprache mit Investor Ismaik. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Neuer Ärger beim TSV 1860 München: Offenbar benötigt der Verein mehr Geld für die DFL-Nachlizenzierung, Investor Hasan Ismaik beruft eine Aufsichtsratssitzung ein. Und ganz nebenbei verlässt Co-Trainer Markus Schroth den Verein.

Von Gerald Kleffmann

Über den Feiertag hinweg durfte wieder spekuliert werden, was die jüngste Nachricht des TSV 1860 München bedeutet. Markus Schroth wirft nur zwei Spieltage vor dem Ende der Zweitliga-Saison hin. Sechs Zeilen widmet der TSV dem Scheidenden: "Co-Trainer Markus Schroth hat sein Engagement bei den Löwen beendet. Der ehemalige Stürmer hat aus persönlichen Gründen um Vertragsauflösung und Freistellung mit sofortiger Wirkung gebeten. Der TSV 1860 ist seinem Wunsch nachgekommen." Sportchef Florian Hinterberger wird schmallippig so zitiert: "Wir wünschen Markus Schroth für seinen weiteren Weg alles Gute und viel Erfolg."

Was der Verein nicht bekannt gab: Der 24-jährige Videoanalyst Franz Hübl assistiert bis zum Saisonende Trainer Alexander Schmidt. Schroths plötzliche Flucht nun, zwei Monate vor Vertragsende, wirkt indes sehr merkwürdig und würde wohl mehr Aufmerksamkeit nach sich ziehen, gäbe es an anderer Stelle nicht noch mehr Merkwürdigkeiten. Da ist ja das Dauerduell der Gesellschafter 1860 und Hasan Ismaik.

Der nächste Showdown der zwei angeblichen Partner, die sich um Geld, Einfluss, falsche und richtige Führungskräfte zanken, ist terminiert: Er findet am 24. Mai statt. Ismaik, jordanischer Geschäftsmann aus Abu Dhabi, hat als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Profifußball-KGaA zur Aufsichtsratssitzung gebeten. Auf TSV-Seite wurden Aufsichtsrat Siegfried Schneider, Vizepräsident Christian Holzer und Beiratsmitglied Karl-Christian Bay angeschrieben. Für die Investorenseite sind Hasan Ismaik, dessen Bruder Abdelrahman und Ismaiks Rechtsbeistand Wassel Al-Fakhoury im Ring.

Zweitligist TSV 1860 München
:Bitteres Bonbon für Ismaik

Auf der Delegiertenversammlung feierten die Mitglieder die Rückführung der Markenrechte als Erfolg - jedoch zum Unmut von Investor Hasan Ismaik. Der fühlt sich erneut brüskiert. Gesucht wird die treibende Kraft hinter den Kulissen.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Worum es konkret am Verhandlungstisch gehen soll, mag Michael Scheele, der noch in Abu Dhabi weilt, auf Nachfrage nicht sagen. "Es gibt eine Liste an Punkten, die sich aufgestaut haben", sagt der Münchner Anwalt, der Ismaik in München vertritt. "Ich kann Ihnen aber versichern: Herr Ismaik ist empört."

Vieles hat sich wahrlich angestaut. 1860 fällt jüngst dadurch auf, dass man allein sein Ding macht, während Ismaik Rücktritte von Klubmenschen fordert, teils berechtigt, und über sein missachtetes Mitspracherecht als Mitgesellschafter klagt. Ein Thema freilich könnte aufgrund besonderer Dringlichkeit hochkochen bzw. dann zu spät sein. 1860 muss bis zum 23. Mai einen Liquiditätsnachweis bei der Deutschen Fußball-Liga erbringen, sonst drohen Strafen, die Lizenz könnte gar wackeln. Zuletzt hatte der Klub die Information durchsickern lassen, man könne den Nachweis ohne Ismaik erbringen.

Die Summe von benötigten 1,5 Millionen Euro geisterte undementiert umher. Nun aber schildert Scheele einen Vorfall, in dem eine höhere Summe auftaucht. Der Investor habe Schäfer angeschrieben, er möge endlich seinen Arbeitsvertrag übermitteln; Schäfer habe, wie bei allen Anfragen zu Interna, keine Veranlassung gesehen, etwas direkt herauszugeben. Dafür, sagt Scheele, sei er "plötzlich als Bittsteller in einer Mail aufgetreten. Schäfer will 2,1 Millionen Euro von uns. Für die DFL". In Abu Dhabi sei Ismaik sprachlos ob so viel Frechheit gewesen.

TSV 1860 München
:Gefangen zwischen Tradition und Chaos

Zwischen Euphorie und Komödiantenstadl: Die Geschichte des TSV 1860 prägen schöne Erinnerungen, heftige Machtspiele und der dunkle Schatten des Nachbarn FC Bayern. Jetzt soll Benno Möhlmann den Klub vor dem Abstieg retten.

Sollte die Aktion kein Manöver sein und Schäfer sich ernsthaft diesen Betrag von Ismaik erhoffen, muss er mit einer Enttäuschung klarkommen. "So lange sich der Verein und insbesondere Herr Schäfer so verhalten, ist ausgeschlossen, dass etwas passiert." Sprich: Die Löwen müssen allein zurechtkommen bei der Nachlizenzierung. Ismaik wird vorerst nicht wieder Geld nachschießen. Auf welchem Niveau der Zwist angekommen ist, verdeutlichten diverse Aussagen zu diesem Thema. Man widerspricht sich ständig. Schäfer etwa hatte vor zwei Tagen mitgeteilt: "Der Vertrag des Geschäftsführers liegt dem Investor seit seinem Einstieg im Mai 2011 vor." Scheele dazu: "Das ist eine Lüge."

Aufsichtsratschef Otto Steiner, standhafter Strippenzieher, der seit Jahren auffällig oft irgendwie involviert ist, wenn bei 1860 etwas schief geht oder gemauschelt wird, hatte jüngst verkündet: "Wir müssen für die neue Saison Liquidität in Höhe eines niedrigen siebenstelligen Betrages nachweisen und arbeiten daran, dass dies auch klappt." Auf die Frage, ob 1860 ohne Ismaik untergehe, antwortete er: "Sicher nicht." Scheele sagt dazu, es drohe "ein Vermögensverfall". Nach SZ-Informationen wiederum kann 1860 erst mal eigenständig überleben, aber nur, wenn sich Rahmenbedingungen wie Sponsoring- oder Zuschauereinnahmen nicht verschlechtern.

Pikanterweise findet die von Ismaik angesetzte Aufsichtsratssitzung nur einen Tag nach dem DFL-Stichtag statt. Man könnte Vorsatz vermuten, dass der Investor sehen will, wie weit 1860 ohne ihn kommt. "Das hat nur mit der zweiwöchigen Ladungsfrist zu tun", sagt Scheele, der dann doch eine Andeutung zu Debattengegenständen macht: "Wir wollen alle Buchungen und jeden Bewirtungsbeleg durchgehen." Vielleicht wird dann auch diskutiert, inwieweit Schäfer für 1860 tatsächlich 2,1 Millionen Euro benötigt.

Um die Geschichte vollends kompliziert zu machen, hat der Verein dem Vernehmen nach nicht alles, was man als Darlehen von Ismaik erhielt, verbraucht. So könnte 1860 listig auf diesen Betrag zurückgreifen und würde die Lizenzierung bestehen. Scheele hat diesbezüglich - wieder Aussage gegen Aussage - schon auf eine Zweckentfremdung der Ismaik-Millionen hingewiesen. Die Gelder seien nur für Investitionen bestimmt gewesen, die mit dem Kader und der sportlichen Führung zu tun hätten.

Und noch ein Thema spaltet die Eigentümer: Wie Ismaik erst jüngst erfuhr, hat 1860 zwei Markenrechte ("TSV München von 1860 e.V." und "Turn- und Sport Verein München von 1860 e.V.") in den e.V. zurückgeführt, ohne Ismaik angeblich zu fragen. Schäfer teilte dazu mit: "Die Übertragung dieser Marken erfolgte irrtümlich im Wege der Ausgliederung 2003 und hätte durch den TSV München von 1860 e.V. im Klagewege aus dem Namensrecht verlangt werden können. Es ist also kein Schaden entstanden, sondern im Gegenteil die Nutzung gesichert und ein Prozessrisiko vermieden worden." Scheeles Sicht: "Das ist Diebstahl, der nun schöngeredet wird."

Auch dieses Kapitel wartet übrigens mit einer Pointe auf. Schäfer war lange dafür eingestanden, als KGaA-Geschäftsführer könne er nur die KGaA-Interessen vertreten. In einem Konflikt zum Thema Gemeinnützigkeit hatte er sich gegen den e.V. gestellt. Nun vertritt er in seiner Argumentation die e.V.-Seite. Kein Wunder: Diese garantiert ihm nun den Job - und nicht wie zuvor der Investor.

© SZ vom 10.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: