Strauchelnder FC Augsburg:Im Alltagsgrau

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"Insgesamt eine unheimlich schwierige Woche": Augsburgs Manager Stefan Reuter und Trainer Markus Weinzierl sind gefordert. (Foto: DeFodi/imago)

Fehleranfällige Augsburger entwickeln sich zum Aufbaugegner der Liga und gewähren Hoffenheim den ersten Saisonsieg.

Von Kathrin Steinbichler, Augsburg

Kurz vor dem Abpfiff versuchte es Ragnar Klavan noch einmal: Der Innenverteidiger des FC Augsburg holte mit dem rechten Bein aus, um mit einem langen Pass einen Angriff einzuleiten. Dann trat der sonst so verlässliche Este den Ball erstaunlich unpräzise ins Nirgendwo der gegnerischen Hälfte. Klavan blickte seiner verunglückten Tat hinterher, wie schon bei einigen Versuchen zuvor, doch diesmal hob er nicht mehr entschuldigend die Hand in Richtung der Kollegen. Diesmal senkte er einfach nur den Kopf. Nein, dieser Tag, er würde nicht mehr besser werden. Und dieses Spiel ebenfalls nicht. 1:3 (1:1) verlor der FCA gegen die TSG Hoffenheim, und Augsburgs einziger Torschütze Ja-Cheol Koo sprach danach aus, was viele sich dachten: "Was wir heute gespielt haben, war eine Katastrophe."

Das fußballerische Urvertrauen ist verloren gegangen

Nur vier Punkte nach sieben Spielen, dazu gleich sieben Gegentore in den jüngsten beiden Partien in Mönchengladbach (2:4) und nun gegen Hoffenheim - "das darf uns nicht passieren", kritisierte ein entnervter Kapitän Paul Verhaegh, "in so einem Spiel dürfen wir nie und nimmer drei Tore kassieren. Aber Fußball ist ein Fehlersport, und wir machen offensiv wie defensiv zu viele Fehler und sind nicht abgeklärt". Die Schwaben, die so euphorisch in ihre erste Saison als Europa-League-Teilnehmer gestartet waren, mühen sich derzeit durch die harte Realität des Alltags.

Die Sicherheit im Zusammenspiel, die über trainierte Automatismen kommt, wirkte in Mönchengladbach und auch gegen Hoffenheim streckenweise wie weggeblasen. Dazu kommen Nachlässigkeiten in der Chancenverwertung und jetzt auch in der Defensive, die nicht nur Trainer Markus Weinzierl einige Haare weniger und einige Falten mehr einbringen dürfte. "Schwierig" sei die Situation in der Bundesliga, gestand Manager Stefan Reuter, "das ist für uns insgesamt eine unheimlich schwierige Woche." In der zweiten Englischen Woche nacheinander ging Augsburg nicht nur ein Stück weit das fußballerisches Urvertrauen verloren, sondern auch die sonst meist positive Grundstimmung.

Nachdem zu Wochenbeginn zwei FCA-Ultras bei der Rückfahrt vom Spiel in Mönchengladbach mit ihrem Auto tödlich verunglückt waren, zogen am Samstag rund 600 Fans mit einem Trauermarsch zum Stadion, in dem auch Präsident Klaus Hofmann mitlief. Die Mannschaft entschied sich, mit einem Trauerflor am Arm aufzulaufen. Eine Viertelstunde vor Spielbeginn dann begannen die Ultras, von den Stehplätzen aus Trauerreden zu sprechen, dazu zeigten die Fans eine Choreografie zum Gedenken an die beiden Toten und die drei Verletzten. Auch der TSG-Block, der wie viele Fans und auch Borussia Mönchengladbach vor dem Stadion Blumen abgelegt hatte, beteiligte sich mit einem Trauerbanner. Die Gesänge, die das Gedenken untermalten, hielten die Fans noch lange bis nach Anpfiff durch - und mitten hinein in die beklemmende Stimmung traf Kevin Volland zur Führung der Gäste (10.).

"Die Stimmung war nicht einfach für uns", meinte Koo, dessen Ausgleichstreffer per Kopf vor der Halbzeit (38.) nur kurz für Hoffnung sorgte. Denn danach entschied weniger die Klasse von Hoffenheim als das derzeit fehleranfällige Spiel des FCA, mit dem sich dieser langsam zu einem Aufbaugegner entwickelt. Erst begünstigte der neben sich stehende Jeong-Ho Hong den zweiten Treffer von Volland per Elfmeter zum 2:1 (68.) und schließlich auch noch dessen Pass zum 3:1 von Jonathan Schmid (73.). So recht konnte keiner in Augsburg erklären, was an diesem Nachmittag passiert war - Alexander Rosen dagegen hatte eine griffige Analyse parat.

Hoffenheims Sportdirektor war mehr erleichtert als stolz, dass der TSG in Augsburg endlich der erste Saisonsieg gelungen ist: "In der Vergangenheit gab es für uns nichts zu holen in Augsburg. Aber spätestens mit dem zweiten Tor hat man gemerkt, dass beim Gegner der Kopf eine Rolle spielt heute. Das war greifbar und sichtbar. Eine große Qualität dieser Mannschaft in der Vergangenheit war ja, brutal über die Mentalität zu kommen", fasste Rosen zusammen, aber "das war bei Augsburg heute nicht spürbar." So wie bei Klavan ganz am Schluss, war es bei vielen FCA-Profis an diesem Tag zu sehen: Die Köpfe der Spieler hingen erstaunlich oft nach unten. Doch ausgerechnet in dieser schwierigen Phase bleibt der Mannschaft kaum Zeit, sich über das Training Sicherheit zu holen: Schon diesen Donnerstag (19 Uhr) wartet mit der Partie gegen den serbischen Meister Partizan Belgrad das erste Europa-League-Spiel vor eigenem Publikum.

"Das Problem ist schon, dass die große Anzahl an Trainingseinheiten fehlt", meinte FCA-Trainer Markus Weinzierl. Seine Ansage war dann auch: "Wir freuen uns jetzt auf Donnerstag, da haben wir das erste Heimspiel in der Europa League, dann fahren wir nach Leverkusen. Und dann ist Gott sei Dank Länderspielpause." Danach steckt der FCA wohl noch immer "mitten im Abstiegskampf", wie Verhaegh feststellte. Aber vielleicht ist er dann bereit, ihn anzunehmen.

© SZ vom 28.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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